Sachsen-Gate weitet sich aus

+++ Work in progress +++ wird aktualisiert +++

Update 3, 27.6.

Nachdem die Geschichte nun in wirklich allen Nachrichten war, erhebe ich nicht annähernd Anspruch auf umfassende Information, weil das ja wirklich nicht mehr nötig ist.

Update 2, 26.6.:

 

Update 1, 24.6.:

Die sächsische Landesregierung hat den Sonderbericht vorgestellt und erkennt eine rechtsstaatliche Grundlage der Handy-Daten-Überwachung. Dazu wird mittlerweile ein „versuchter Totschlag“ auf einen Polizisten bemüht. Es geht nicht mehr ’nur‘ um 138.000, sondern um weitere 896.000 Handy-Datensätze, also über eine Million. Letztere wurden im Zusammenhang mit dem sächsischen §129-Verfahren gegen Antifas eingesammelt. (MDR)

Die taz spitzt noch ein bisschen zu: Offenbar ganz Dresden überwacht. Die Überwachung betraf nicht nur, wie zuerst angeommen, die Dresdener Südstadt. Ministerpräsident Tillich hat eine Stelle in der Angelegenheit gefunden, bei der er auch Fehler einräumt – wirkt ja auch besser:

Die Daten hätten zudem nicht bei Verstößen gegen das Versammlungsgesetz verwendet werden dürfen. …  Mit einer Bundesratsinitiative will sie (die Landesregierung) den unklaren Rechtsbegriff der „erheblichen Straftat“ nach Paragraf 100 g der Strafprozessordnung präzisieren, der eine solche umfangreiche Datenerfassung rechtfertigte.

Das Thema wird am Mittwoch den Bundestag beschäftigen.

Ganz großartig Constanze Kurz in der FAZ: Teheran, Damaskus, Minsk – Dresden. Darin erinnert sie an folgendes:

.. es ging nicht um Revolten, es ging vielmehr um eine von dutzenden Initiativen, Vereinen und Parteien getragene, geradezu zivilgesellschaftlich vorbildliche Demonstration gegen Rechtsradikale, die durch die Stadt ziehen wollten.

Sie erwähnt den immer gern als Schutz der Rechtmäßigkeit polizeilicher Maßnahmen hochgehaltenen Richtervorbehalt, der hier original keine Funktion hatte. Außerdem geht es darum, warum sowas tatsächlich passiert:

2008 beschaffte die sächsische Polizei für mehrere Millionen Euro eine solche Software, die sie harmlos „elektronisches Fall-Analyse-System“ nennt. … Die teure Software will nun natürlich gerechtfertigt und gefüttert werden, schließlich hätten von dem Geld auch Polizeibeamte bezahlt und ausgerüstet werden können.

Und warnt:

Die Dresdner Datengier liefert einen präzisen Vorgeschmack auf das, was zum Alltag in Ermittlungsbehörden wird, falls der politische Zombie Vorratsdatenspeicherung wiederaufersteht, wie es CDU und SPD weiterhin ohne kriminologisch glaubwürdige Begründung fordern.

Dann gibt es den Bericht der sächsischen Innen- und Justizministerien (pdf)


Der sächsische Überwachungs-Skandal nimmt Formen an. Weil eh überall berichtet wird, ein paar kommentierte Links:

Der Freitag hat den Anfang der Geschichte ausgegraben:

Bekannt geworden war die Spähaktion durch den Bochumer Kreissprecher der Linken, Christian Leye. Gegen den wird wegen Verstoßes gegen das Versammlungsrecht ermittelt – die Einsicht in seine Akte erfuhr Leye von der mehrstündigen und flächendeckenden Datenüberwachung. Es hätten sich darin „Angaben über sämtliche am 19. Februar im Zeitraum von 13.30 Uhr bis 17.30 Uhr von meinen Handy ein- und abgegangenen Anrufe und SMS-Mitteilungen“ gefunden, so Leye.

Dort wird auch beschrieben, wie die Busfahrer der Gegendemo-TeilnehmerInnen zu Hilfs-Spitzeln gemacht wurden.

Die Firmen sollten einen Fragebogen der Polizei beantworten, der Angaben zu den Personaldaten der Fahrer ebenso verlangte wie Auskünfte über Zahlungsmodalitäten, Mietverträge und die Kopien der Ausweise der jeweiligen Anmieter. … Damit nicht genug: Die Polizei interessierte sich auch für die Kontakte von Fahrgästen in den Pausen, Gesprächsinhalte sowie die detaillierten Tages- und Streckenabläufe.

Das Neue Deutschland berichtet, dass die Zahl der Datensätze inzwischen von 138.ooo auf 800.000, bei 17.000 betroffenen Personen gestiegen ist (Wievielen Menschen leben in Sachsen?)

Auf die sächsischen Gerichte rollt eine Klagewelle zu: Klagen wollen

Das Bündnis Dresden-Nazifrei ruft im Rahmen der Kampagne gegen den Datenskandal alle potentiell Betroffenen dazu auf, Auskunft über möglicher Speicherung der eigenen Daten zu bentragen (dort gibt es die nötigen Formulare). Damit sind insbesondere auch AnwohnerInnen gemeint, die gar nicht bei der Demo waren.

Die Linke im Landtag hat eine Untersuchungskommission beantragt, für die der ehemalie Bundesinnenminister Gerhart Baum im Gespräch ist.

Heute fand in Berlin eine Pressekonferenz statt, bei der folgende markante Dinge gesagt wurden:

Albrecht Schröter (Oberbürgermeister von Jena / SPD):

„Wir sind nicht in der DDR auf die Straße gegangen, um jetzt in einem Staat zu leben, wo so etwas möglich ist. Was da in Dresden passiert ist, war Rechtsbeugung. Ich werde alle rechtlichen Mittel ausschöpfen um das feststellen zu lassen.“

Ringo Bischoff (ver.di Bundesjugendsekretär):

„Das schweißt uns zusammen. Wir bleiben Teil des Bündnisses und werden weiterhin gegen Naziaufmärsche protestieren. Ziviler Ungehorsam ist dafür ein legitimes und erfolgreiches Mittel.“

Henning Obens (Interventionistische Linke):

„Kollektiver Regelübertretungen der BürgerInnen haben sich seit Heiligendamm 2007 etabliert. Es existiert eine neue Kultur der Zusammenarbeit und Konfliktbereitschaft, die auch die Erfolge von Dresden ermöglichten. Polizeigewalt und frivoler Rechtsbruch zeigen nur, dass die staatlichen Stellen nur repressive Antworten auf diese Herausforderung haben. Das hat sich in Stuttgart, Dresden und bei den Castortransporten gezeigt. Wir werden die Nazis weiter blockieren.“

Konstantin Wecker (Liedermacher):

„Entscheidend ist: Wie geht die Demokratie mit den Menschen um, die sich nicht nur empören, sondern Widerstand dort leisten, wo es nötig ist? Wir sollten uns das nicht bieten lassen. Ich rufe zu Spenden für das Bündnis Dresden-Nazifrei auf, damit der Rechtsstreit finanziert werden kann.“

Radio Corax hat Johannes Lichdi, rechtspolitischer Sprecher der Grünen im Landtag, befragt:

Und schließlich hat sich auch Anonymous geäußert:

Die Parallelwelt der InnenpolitikerInnen trifft sich derweil in Frankfurt/Main. Die Polizeigewerkschaft frohlockt: Innenminister setzen richtige Akzente. Kampf gegen Linksextremismus muss endlich ernst genommen werden