überlegt euch das mit der Räumung der Liebigstr. 14 nochmal.
Noch sind ein paar Stunden Zeit. Natürlich könnt Ihr Euch darauf zurückziehen, dass das alles rechtens ist. Nur: Politik ist kein Jura-Studium. Niemand weiß besser als Ihr, dass Realpolitik bedeutet, sich mit den realen Verhältnissen zu beschäftigen, und nicht mit Ideen.
Wenn die Liebigstr. morgen geräumt wird, ist in der Stadt die Hölle los. Das ist so klar wie Kloßbrühe. Das muss man nicht mögen, das mag wahrscheinlich außer ein paar ganz wenigen Leuten wirklich niemand. Aber es wird so sein. Ich bin in meinem Leben verschiedenen Leuten begegnet, die in der BZ gemeinhin als ‚Chaoten‘ beschrieben werden, und selbst die machen in der Regel lieber was anderes, als sich mit Tränengas beschießen zu lassen. Ausnahmen bestätigen die Regel, und natürlich gibt es die, und natürlich werden die morgen zahlreich anwesend sein.
Nach allem, was ich bisher über den Besitzer des Hauses Liebigstr. 14 gelesen und gehört habe, scheint er ein ziemlicher Unsympath zu sein. Wer jedes Angebot ablehnt, über die Situation auch nur zu sprechen, kann sich das Etikett ‚Demokrat‘ wohl nicht an die Jacke heften. Auf dessen Seite wollt Ihr Euch stellen?
Das Gerichtsurteil, dass zu räumen ist, muss nicht mit einem derartigen Polizeiaufgebot durchgesetzt werden. Es gab in Berlin schon Innensenatoren, die Räumungen mit dem Argument ausgesetzt haben, sie gefährdeten den Frieden der Stadt. Es ist möglich.
Es gab in Berlin schon Räumungen, die Koalitionen haben platzen lassen.
Es gab Räumungen, deren finanzielle wie auch soziale Kosten in keinem Verhältnis dazu standen, dass es aber nunmal korrekt war, rechtsstaatlich betrachtet. Das, was voraussichtlich morgen geschehen soll, ist so eine Räumung. Die Räumung wird Folgen haben, die noch lange zu spüren sein werden, und dabei rede ich nicht von eingeschmissenen Schaufensterscheiben.
Ihr macht Euch damit bei vielen Leuten nicht beliebt, auch wenn die BZ was anderes behauptet. Wenn sogar in der Berliner Zeitung (der ich keine BZ-Nähe nachsagen will, die aber doch in der Regel eine in jeder Hinsicht moderate Haltung vertritt) Artikel erscheinen, die mit den Sätzen enden
Zurzeit aber ist es wichtig, ein Transparent aus dem Fenster zu hängen und darauf in Großbuchstaben zu schreiben: Solidarität mit den Bewohnern der Liebig 14! Obwohl das nur die halbe Wahrheit ist.
dann sollte Euch das zu denken geben.
Übrigens wird gewählt dieses Jahr, man wird sich an diese Geschichte erinnern. Die Menschen mögen das nicht, wenn so massiv Polizeigewalt zu beobachten ist.
Es wird Verletzte geben: die werdet Ihr verantworten müssen. Nein, werdet Ihr sagen, daran sind die Chaoten schuld, und außer Kontrolle geratene Polizeieinheiten. Nur: Ihr seid die Regierung. Ihr habt die Macht. Ihr verantwortet den Einsatzbefehl. Niemand sonst.
Tut es nicht.