US-Heimatschutzministerium überwacht Facebook und Twitter vollständig

Die E-Mail-Überwachung des BND ist schon wieder aus dem Bewusstsein verschwunden. Wir wurden damit beruhigt, dass nur internationale E-Mails nach Suchworten gescannt werden. Das klingt nach „Nigerianische Mafia schreibt an afghanische Drogenhändler“. Dabei hat noch niemand die Frage beantwortet, was die internationale von der nationalen E-Mail unterscheidet. Eine Vermutung ist, dass es die Endung .de beim Mail-Provider ist – damit wären dann alle Googlemail-Accounts gefährdet. Wir können also weiterhin davon ausgehen, dass die meisten Mails überwacht werden. Nach welchen Suchworten gesucht wird, kann bisher nirgends nachgelesen werden.

In den USA ist es der US-Bürgerrechtsorganisation Electronic Privacy Information Center (EPIC) jetzt gelungen, eine andere Sichwortliste zu veröffentlichen. Dort gibt es ein Informationsfreiheitsgesetz, das möglich macht, staatliche Dokumente einzufordern. Ganz einfach ist das auch nicht, eine Klage ist nötig (und teuer). Epic klagt seit Februar 2011, um Informationen über die DHS-Überwachung von sowohl sozialen Netzwerken als auch traditionellen Medien zu bekommen.

In diesem Fall erfolgreich: Jetzt ist bekannt, nach welchen ca. 500 Worten das Department of Homeland Security (DHS, Heimatschutzministerium) soziale Netzwerke wie Twitter und Facebook durchsucht (ich nehme nicht an, dass sie nach nationalen und internationalen Accounts unterscheiden).

Kurz zusammengefasst von Mashable:

Wie bei früher bekannt gewordenen solchen Listen ist auch diese so, dass es schwierig ist, nicht erfasst zu werden. Dabei sind z.B.:

Ice, Storm, Help, Extremism, Pirates, Nuclear, Tucson

Die vollständige Liste gibt’s hier, oder ab Seite 20 des Original-Dokuments des DHS: Analyst’s Desktop Binder 2011 (pdf) der „Media Monitoring Capability“ (Medien-Überwachungs-Einheit).

Wohin das führt und warum niemand zu glauben braucht, dass die nur echte Terroristen suchen, beschreibt die Süddeutsche, die den Fall von Leigh Van Bryan aus Irland zitiert. Der twitterte vor seiner US-Reise „I go and destroy America“ – und musste nach der Ankunft gleich wieder nachhause fliegen.

CNN zitiert Benjamin Franklin:

Any society that would give up a little liberty to gain a little security will deserve neither and lose both.

Auch dazu: The Young Turks:

Nichts zu verbergen? – Ermittlungen in Sozialen Netzwerken

Nicht, dass das niemand geahnt hätte, aber es ist ja auch immer wieder schön, schwarz auf weiß nachzulesen, dass und vor allem wie in Sozialen Netzwerken ermittelt wird. Wenn wir davon ausgehen, dass es die Aufteilung in ‚echte‘ und ‚virtuelle‘ Welt (bald) keinen Sinn mehr macht, müssen wir uns auch wenig wundern.

Die USA machen es vor und wenn das BKA nicht schon Tagungen dazu veranstaltet hat, fresse ich den bekannten Besen.

Bei Futurezone und Heise gab es Freitag Artikel zur Klage der amerikanischen Bürgerrechtsorganisation EPIC gegen Homeland Security (DHS), das amerikanische „Heimatschutz“-Ministerium. EPIC hatte DHS im April 2011 augefordert, Informationen über sein Program zur Überwachung Sozialer Netzerke zu veröffentlichen. Nach dem US-amerikanischen Freedom-of-Information-Act (FOIA) (Informationsfreiheitsgesetz) ist das DHS verpflichtet, die Informationen herauszugeben. Weil das nicht geschah, wird jetzt geklagt. Die Klage kann bei Cryptome eingesehen werden (pdf). Ebenfalls bei Cryptome eine Übersicht zur Aktualisierung der Aktivitäten des DHS DHS Updates Social Media Monitoring.

Wer wird regulär überprüft?

Neben Facebook, Twitter, MySpace, YouTube und Flickr finden sich unter anderem auch WikiLeaks und Cryptome auf der geheimen Liste des US-Heimatschutzministeriums, die Anfang Jänner 2012 unter anderem von Cryptome (PDF) veröffentlicht wurde. Die Liste, die vor über einem Jahr erstellt wurde, beinhaltet auch diverse Nachrichten-Websites wie Global Voice oder die Huffington Post, weitere Video-Dienste wie Hulu, sowie Blogs, Karten- und Fotodienste. (Futurezone)

Was fehlt sind Informationen darüber, wie in den Netzwerken ermittelt wird. Es gibt eine Liste von Schlagworten, darunter „Body Scanner“, „Cops“, „Exercise“, „Homeland Security“, „North Korea“, „Telecommunications“, „Border“, „Terror“, „Social Media“, „Rootkit“, „Keylogger“ und und und.

Die Menschen, die diese (insgesamt 365) Schlagwörter benutzen, werden genauer durchleuchtet und deren Informationen werden für bis zu fünf Jahre gespeichert. Sämtliche Informationen können zudem mit anderen Regierungseinrichtungen jederzeit geteilt werden. (Futurezone)

Klar (und wenig überraschend) ist, dass Beamte mit falschen Identitäten in den Netzwerken recherchieren.

Laut EPIC soll das NOC zur Überwachung von Facebook-Accounts auch falsche Nutzerprofile anlegen, mit denen es Personen eine Freundschaftsanfrage schickt und auf diesem Weg auch zu privaten Daten der Nutzer kommt. Auch andere US-Bürgerrechtsorganisationen warnten daher bereits davor, unbekannte Personen auf Facebook als Freunde zu akzeptieren.

Laut dem früheren FBI-Agenten Brad Garrett müsse das NOC solche Methoden gar nicht anwenden. „Menschen geben heutzutage viele ihrer Gedanken und Gefühle zu verschiedenen Themen von sich preis. Das ist immer wieder erstaunlich, wie viel man davon öffentlich zugänglich online findet. Es ist aber ein falsches Gefühl der Sicherheit, wenn jemand glaubt, dass er anonym ist, nur weil er vor einem Computerbildschirm sitzt“, so Garrett.

Und das ist ein Problem weil..

„Wenn die Regierung jedes Wort, das man von sich gibt, beobachtet, wird man ab einem gewissen Punkt aufhören, über gewisse Dinge zu sprechen“, so Amie Stepanovich von EPIC. (Futurezone)

Schon letzten Herbst schlug die Nachricht Wellen, dass der CIA in den Netzwerken recherchiert:

http://www.youtube.com/watch?v=ShQPF-KywXs

Die deutsche Polizei braucht immer ein bisschen länger, was wir ihr nicht vorwerfen wollen, aber .. Polizei erwägt bundesweite Facebook-Fahndung.

Um das Gruselkabinett abzurunden, hier die Aufnahme einer Radiosendung vom 10.1. mit Lori Andrews (Jura-Professorin und Autorin des gleichnamigen Buchs) , Marc Rotenberg (EPIC) und Jeff Jarvis (Jeff Jarvis) über das neverending Netz-Lieblingsthema „Ich habe nichts zu verbergen“:

„I Know Who You Are and I Saw What You Did: Social Networks and the Death of Privacy“
(Die Moderatorin spricht sehr langsam, das klingt am Anfang ungewöhnlich, ist aber kein Fehler der Aufnahme)