„Ich bin kein Terrorist“ – Überwachung von AktivistInnen in den USA

Demokratische Rechtsstaaten haben gern mal ein Problem damit zu erkennen, wer ihnen gefährlich ist. Das ist nicht nur bei uns so. Der ACLU Massachussetts, eine US-amerikanische Bürgerrechtsorganisation, hat die Polizei von Boston verklagt, Dokumente über die Überwachung der Friedensbewegung zugänglich zu machen. Und hat die Auswertung der Dokumente jetzt veröffentlicht. (Der vollständige Bericht als pdf)

Nach dem 11. September wurden Anti-Terror-Aktivitäten verstärkt. Gerichtet haben sie sich in Boston gegen Antikriegs-Initiativen etwa von Veteranen und gegen die Occupy-Bewegung. Gruppen wurden überwacht, Demonstrationen gefilmt, AktivistInnen verhört. Einige der Überwachten berichten von ihren Erlebnissen und schildern auch, wie sich die Überwachung auf ihre politischen Aktivitäten auswirkt:

Bei uns ist die Terror-Gefahr ja irgendwie kein Problem mehr. Konjunktur hat Extremismus und auch das geht gerade im Versagen der Behörden bei der Verfolgung von Nazis unter. Trotzdem wird der Feind links gesucht, wie jüngste Beispiele eindrucksvoll demonstrieren.

Das ausgesprochen lesenswerte Blog „Green is the new Red“ hat Anfang Oktober eine Studie des Congressional Research Service (vergleichbar mit dem Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages) ausgegraben, der sich ebenfalls mit dem sog. ‚Inlandsterrorismus‘ befasst: “The Domestic Terrorist Threat: Background and Issues for Congress

Im Bericht werden u.a. die Anwendung von Gewalt durch rechte (Nazis, AbtreibungsgegnerInnen) und linke (Tierrechts- und Umwelt-)Gruppen verglichen. Rechte Gewalt nimmt auch in den USA zu, linke Gewalt wird als Terrorismus bezeichnet, auch wenn dabei keine Personen zu Schaden kommen.

Daher empfiehlt die Studie den US-Abgeordneten auch, sich damit zu befassen, auf welcher Grundlage etwas als Terrorismus definiert werden sollte:

  • Wie kommt es dazu, dass eine bestimmte Richtung von Opposition vom Justizministerium und FBI als Terrorismus-Bedrohung im Innern beschrieben werden?
    • Welche Kriterien werden dabei angewandt?
    • Welche Anzahl von Straftaten oder Anschlägen führen dazu, dass einer bestimmten Ideologie eine neue extremistische Bedrohung zugeschrieben wird? Spielt dabei eine Rolle, wie schwer die Verbrechen waren, die einer Ideologie zugeschrieben werden?
  • Ab wann gilt die Bedrohung durch einen ideologisch motivierten Inlandsterrorismus als beendet?
    • Sollte es die Möglichkeit für die Öffentlichkeit geben, die Regierung aufzufordern, bestimmten Bedrohungen als Ermittlungsprioritäten auszuschließen?

(Jerome P. Bjelopera: The Domestic Terrorist Threat: Background and Issues for Congress, Seite 10)

Fragen, die sich deutsche Parlamente gern auch mal stellen könnten. Nachdem der Verfassungsschutz abgeschafft wurde.