Die Räumung des Kukutza

Jetzt wird’s ein bisschen themenfremd, das habt Ihr meiner alten Hausbesetzerinnen-Seele zu verdanken.

Ein Haus in Bilbao wurde geräumt. Nicht irgendein Haus, sondern das Kukutza. Sowas habe ich sonst noch nirgends gesehen. Ich war da mal vor fast zehn Jahren, und wurde mit sehr offenen Armen aufgenommen, obwohl mich niemand kannte. Seht Euch das Video an, dann versteht Ihr, was ich meine.

Das Haus wurde seit Mittwoch nicht nur geräumt, es wird abgerissen. Offenbar ist der ganze Stadtteil in Aufruhr, wahllos werden Menschen verprügelt, niemand in den Stadtteil hineingelassen und sogar der Strom abgestellt.

Das Haus war offensichtlich ein 1a-Kulturzentrum und hat viel erledigt, wofür Städte sonst viel Geld bezahlen (früher oder später). Wozu die Räumung gut sein soll.. ach ja, die Sache mit dem Eigentum.

Radio Dreyeckland hatte kurz vor der Räumung jemanden interviewt, der gerade dort war:

Bilder von der Räumung, ein Video und die obligatorische Facebook-Seite. Außerdem ein Flugblatt (pdf) mit Hintergründen und Bilder von Transparenten etc. zum Thema in Deutschland.

 

Lieber rot-roter Senat,

überlegt euch das mit der Räumung der Liebigstr. 14 nochmal.

Noch sind ein paar Stunden Zeit. Natürlich könnt Ihr Euch darauf zurückziehen, dass das alles rechtens ist. Nur: Politik ist kein Jura-Studium. Niemand weiß besser als Ihr, dass Realpolitik bedeutet, sich mit den realen Verhältnissen zu beschäftigen, und nicht mit Ideen.

Wenn die Liebigstr. morgen geräumt wird, ist in der Stadt die Hölle los. Das ist so klar wie Kloßbrühe. Das muss man nicht mögen, das mag wahrscheinlich außer ein paar ganz wenigen Leuten wirklich niemand. Aber es wird so sein. Ich bin in meinem Leben verschiedenen Leuten begegnet, die in der BZ gemeinhin als ‚Chaoten‘ beschrieben werden, und selbst die machen in der Regel lieber was anderes, als sich mit Tränengas beschießen zu lassen. Ausnahmen bestätigen die Regel, und natürlich gibt es die, und natürlich werden die morgen zahlreich anwesend sein.

Nach allem, was ich bisher über den Besitzer des Hauses Liebigstr. 14 gelesen und gehört habe, scheint er ein ziemlicher Unsympath zu sein. Wer jedes Angebot ablehnt, über die Situation auch nur zu sprechen, kann sich das Etikett ‚Demokrat‘ wohl nicht an die Jacke heften. Auf dessen Seite wollt Ihr Euch stellen?

Das Gerichtsurteil, dass zu räumen ist, muss nicht mit einem derartigen Polizeiaufgebot durchgesetzt werden. Es gab in Berlin schon Innensenatoren, die Räumungen mit dem Argument ausgesetzt haben, sie gefährdeten den Frieden der Stadt. Es ist möglich.

Es gab in Berlin schon Räumungen, die Koalitionen haben platzen lassen.

Es gab Räumungen, deren finanzielle wie auch soziale Kosten in keinem Verhältnis dazu standen, dass es aber nunmal korrekt war, rechtsstaatlich betrachtet. Das, was voraussichtlich morgen geschehen soll, ist so eine Räumung. Die Räumung wird Folgen haben, die noch lange zu spüren sein werden, und dabei rede ich nicht von eingeschmissenen Schaufensterscheiben.

Ihr macht Euch damit bei vielen Leuten nicht beliebt, auch wenn die BZ was anderes behauptet. Wenn sogar in der Berliner Zeitung (der ich keine BZ-Nähe nachsagen will, die aber doch in der Regel eine in jeder Hinsicht moderate Haltung vertritt) Artikel erscheinen, die mit den Sätzen enden

Zurzeit aber ist es wichtig, ein Transparent aus dem Fenster zu hängen und darauf in Großbuchstaben zu schreiben: Solidarität mit den Bewohnern der Liebig 14! Obwohl das nur die halbe Wahrheit ist.

dann sollte Euch das zu denken geben.

Übrigens wird gewählt dieses Jahr, man wird sich an diese Geschichte erinnern. Die Menschen mögen das nicht, wenn so massiv Polizeigewalt zu beobachten ist.

Es wird Verletzte geben: die werdet Ihr verantworten müssen. Nein, werdet Ihr sagen, daran sind die Chaoten schuld, und außer Kontrolle geratene Polizeieinheiten. Nur: Ihr seid die Regierung. Ihr habt die Macht. Ihr verantwortet den Einsatzbefehl. Niemand sonst.

Tut es nicht.

Die Häuser denen, die drin wohnen

Cover der DVD "Herzlichen Glückwunsch - die Mainzer wird geräumt"Ich habe endlich den im November erschienenen Film zum 20. Jahrestag der Räumung der Mainzer Straße gesehen: „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag – die Mainzer wird geräumt“.

Das Thema liegt in der Luft. Die auch vor 21 Jahren besetzte Liebigstr. 14, ebenfalls Berlin-Friedrichshain, wird am 2. Februar geräumt, wenn es nach dem Willen des Innensenators geht – früher wurden Räumungen schonmal abgeblasen, wenn der Senator fand, das eine Räumung den Frieden in der Stadt unnötig gefährde. (Putzig sind übrigens dann widerspruchslos nebeneinander stehende Tagesspiegel-Überschriften wie Friedrichshain: Militante Linke bedrohen grünen Bürgermeister vs: Bevorstehende Räumung: Liebigstraße: Ruhe macht Polizei misstrauisch)

In Mitte fand letzten Freitag ein Erzählcafé samt Ausstellung zu den besetzten Häusern in Ostberlin 90/91 statt, bei dem viele Erinnerungen hochkamen. Gibt es die Ausstellung eigentlich noch weiter zu sehen? Wo?

Zurück zum Film: die DVD kann im gut sortierten Buchhandel erworben werden, für knapp 12 Euro, und das lohnt sich für alle, die sich für Bewegungsgeschichte interessieren. Es erzählen Protagonisten von damals, und einigen ist anzumerken, wie die Erinnerungen wieder hochkommen. Schön, dass Katrin Rothe den Film gemacht hat, eigentlich bräuchten wir noch viel mehr solche Dokumentationen aus dieser ziemlich einzigartigen Zeit. Halb Friedrichshain stand leer, der Ostberliner Magistrat war nicht mehr zuständig und sowieso mit anderen Problemen beschäftigt, und die Westberliner Polizei durfte noch nicht in den Osten. Dann kam der kurze Sommer der Anarchie, mit über 100 besetzten Häusern. Dann kam die Übernahme Vereinigung, dann die Räumung der Mainzer Strasse. Und dann kehrte wieder Ordnung ein.

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