Wir haben gestern bei Kotti & Co. Silvester gefeiert, was sehr nett war und nicht annähernd so schrecklich, wie ich mir das am Kottbusser Tor vorgestellt hatte. Das Protestcamp gegen die hohen Mieten steht immer noch und ist inzwischen zu einer gemütlichen Hütte geworden.
Zwischendurch habe ich diese Geschichte gehört:
Ende Oktober fanden bei Kotti & Co. Aktionstage statt:
Im Protestcamp und bei den UnterstützerInnen aus allen Stadtteilen macht sich der Eindruck breit, dass die PolitikerInnen in einer Parallelwelt leben, in der die soziale Realität vieler Mieterinnen und Mieter nicht vorkommt. Wir haben deshalb beschlossen, unsere Realität dorthin zu tragen, wo über uns entschieden wird.
Am zweiten Tag gingen etwa 20 Frauen zur Senatsverwaltung für Soziales, gemeinsam mit der Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen in einem Haus in der Oranienstrasse 106 und trommelten auf Kochtöpfen. Warum?
„Unser Anliegen ist es ja, die Verdrängung durch die Jobcenter zu stoppen und beide Verwaltungen haben damit zu tun. .. Da diese unsere Sorgen die Verantwortlichen nicht zu interessieren scheinen, oder sie nichts davon wissen, sind wir vor die Senatsverwaltung für Soziales gezogen und haben dort mit den bewährten Kochtöpfen auf uns aufmerksam gemacht. „
Soweit so normal für Berlin (Kreuzberg). Die Senatsverwaltung war nicht amüsiert. Dann kam die Polizei, laut Bericht von Kotti & Co. gerufen von einem Passanten, und war der Meinung, es handele sich nicht um eine spontane Versammlung. (Spontane Demonstrationen sind erlaubt, nicht spontane Demonstrationen müssen angemeldet werden.)
Die Polizei brauchte eine Verantwortliche, die es natürlich nicht gab. Um das Ganze glimpflich über die Bühne zu bringen, erklärte sich Taina Gärtner, Bezirksverordnete der BVV Friedrichshain-Kreuzberg, bereit.
Und bekam kurz darauf eine Vorladung vom LKA Berlin, konkret von Staatsschutz. (Als ich mich heute am Telefon mit jemandem von Kotti & Co. unterhielt, der bei dem Verhör dabei war, brach an dieser Stelle das Telefonat für ein paar Sekunden ab. War nach kurzer Stille aber wieder da).
Das Gespräch fand in einem Büro statt, von dem ich gern Fotos gesehen hätte. Die beschreibenden Worte waren: „Fast wie in The Wire, verbeulte Aktenschränke, ein winziges Fenster, furchtbar!“.
Und was hat also der Polizeiliche Staatsschutz mit 20 auf dem Gehweg stehenden Frauen zur tun? Das wurde im Verhör erklärt:
Es gibt bestimmte Themen, die für den Staatsschutz, Abteilung Linksextremismus, als relevant gelten. Dazu gehören Asyl & Flucht, und eben Mieten und Gentrifizierung.
Nochmal zum Mitschreiben: (Beschäftigung mit) Gentrifizierung = Linksextremismus.
Offenbar haben aus diesem Grund auch Beamte des LKA mehrere Lärm-Demos von Kotti & Co. observiert – das wurde den OrganisatorInnen von den ja auch immer anwesenden Mitgliedern der ‚Anti-Konflikt-Teams‘ mitgeteilt.
Das Verfahren gegen Taina Gärtner wurde mittlerweile wieder eingestellt.