22 Monate Haft für Megafon-Ansagen bei „Dresden Nazifrei“

Auf dem linken Auge ist jedenfalls niemand blind: 22 Monate Haft ohne Bewährung für Megafon-Ansagen für Tim H., 36, aus Berlin.

Die Staatsanwaltschaft Dresden wirft ihm vor, den Durchbruch durch eine Polizeisperre an der Bamberger/Bernhardstraße mit Megafon-Ansagen regelrecht organisiert und koordiniert zu haben. (taz)

Am 19. Februar letzten Jahres, bei „Dresden-Nazifrei“. Bundesland: Sachsen.

Bei den Auseinandersetzungen waren vier Polizisten verletzt worden, einer wurde als „Nazischwein“ beschimpft.

Ja dann. (Nicht vom Angeklagten allerdings, jedenfalls wurde ihm das nicht nachgewiesen).Dass die Dresdner Staatsanwaltschaft vom Blockieren von Nazis nichts viel hält, ist ja nicht neu und offensichtlich hat sie nichts dazu gelernt. Die Demos gegen Nazis seien nämlich nur der

Deckmantel für Attacken auf Polizisten.

Alles klar. Weil Tim H. außer dem Megafon nichts vorgeworfen wird, musste noch Rädelsführerschaft dazugedichtet werden und fertig ist der schwere Landfriedensbruch. Identifiziert wurde er übrigens durch seine Körpergröße:

Ein Zeuge hatte ihn im Gericht nicht identifizieren können. Der Staatsanwalt verweist auf ein Polizeivideo. Dort sei ein Mann zu sehen, dessen Statur der des Angeklagten gleicht. (Neues Deutschland)

Ich weiß nicht, inwiefern das der Wahrheitsfindung diente, aber der Richter fand

Irgendwann hat die Bevölkerung in Dresden es mal satt (ND).

Dann könnte den Nazis das Marschieren ja auch einfach verboten werden – da hätten alle was davon.

Die Berliner Morgenpost inszeniert das Ganze übrigens als Gewaltorgie hübsch mit steineschmeißenden Vermummten und viel Feuer. Im Verfahren war von brennenden Barrikaden allerdings keine Rede.

 

Nichts gewusst? Nazis, Verfassungsschutz und der Rest

Angesichts der sich überschlagenden Berichte zu den Thüringer Nazis fällt mir eigentlich nur eins ein:

Und wem nützt das?

Es muss doch wirklich niemand so tun, als sei irgendwas davon unbekannt gewesen. Ich gehe nicht so weit, allgemeine Heuchelei zu unterstellen – abgesehen von den zuständigen Politikerinnen und Politikern. Die wussten Bescheid. Wenn nicht, sollten sie erst recht zurücktreten. Der Verfassungsschutz ist ein eigenes Kapitel, über das wohl noch geredet werden wird (wenn sich danach irgendetwas ändert, fresse ich einen Besen).

Aber dass hierzulande regelmäßig Migrantinnen und Migranten, Obdachlose, Behinderte, Andersdenkende, Linke umgebracht werden, ist schon so normal, dass die meisten Morde maximal in der Randspalte vorkommen.

Morde. Genau. Terror. Es gibt Regionen, in denen das zum Alltag gehört. Und Programm der Regierung ist, denen, die versuchen, etwas dagegen zu tun – wenn es die Polizei schon nicht macht -, per Extremismus-Klausel den Boden unter den Füßen weg zu ziehen. Von einer Ministerin, zuständig für Frauen und Familie, deren Nähe zum Rechtsextremismus bekannt ist. Die dafür sorgt, dass Frauen am Herd bleiben, oder wenigstens ordentlich hungern samt ihren Hartz-IV-Blagen.

Wir wissen das. Es laut zu sagen, führt im Zweifelsfall zusätzlich zum Ärger mit den Nazis zu staatlicher Überwachung. Oder gleich zu einem eigenen Verfahren, nach dem Gießkannenprinzip: wird schon die Richtigen treffen und wenn nicht, dann schreckt es zumindest ab. Siehe Sachsen. Und, ach ja, Thüringen.

Es ist normal. So normal, dass es zusätzlicher Skandale bedarf, damit es nicht als nervend wahrgenommen wird, wenn die Gutmenschen wieder die gute Laune in der Timeline stören. Die Link(sextremist)en werden rausgefiltert und müssen sich sowieso erstmal erklären, weil sie bei der letzten Demo soviel Pfefferspray provoziert haben mit ihren gewalttätigen Kapuzen.

Und wem nützt das?!?

 

„Mit Kabelbindern ruhig gestellt“ – Durchsuchung in Dresden

Bild: de.indymedia.org

Bild: de.indymedia.org

Die Dresdner „Praxis“ ist am Dienstag morgen ab halb 5 von 150 PolizistInnen durchsucht worden. Hintergrund ist die Kriminelle Vereinigung (§129 StGB), deren Bildung 17 Menschen aus Sachsen und Brandenburg vorgeworfen wird.

Die Durchsuchung diente anscheinend nicht nur dem Finden von Dingen, sondern sollte wohl BewohnerInnen wie auch der Nachbarschaft nachhaltig Eindruck machen:

Bewohner seien mit Kabelbindern »ruhig gestellt« und Maschinenpistolen quasi als Drohung zur Schau gestellt worden – so schildert die Linksabgeordnete Julia Bonk eine Razzia, die gestern früh im alternativen Wohnprojekt »Praxis« im Dresdner Stadtteil Löbtau durchgeführt wurde. Die Bewohner, zu denen auch Familien mit Kindern gehören, seien »als Straf- und Gewalttäter der gefährlichsten Sorte« behandelt worden, sagte Bonk. (Neues Deutschland)

Die Praxis hat diverse Nazi-Angriffe überstanden, darunter einen unter den Augen der Polizei am 19. Februar, das Video dazu hat viel Aufsehen erregt. Bei einem anderen Angriff wurde ein Molotow-Cocktail ins Haus geschmissen. Jetzt die oben beschriebene Durchsuchung. Wie die Leute das aushalten, ist mir ein Rätsel. Respekt.

Gefunden wurden unter anderem Laptops, Computer, Mobiltelefone, unzählige Steine, die als Wurfgeschoss verwendet werden könnten, so genannte Sturmhauben und Plakate mit gewaltverherrlichendem Inhalt, sagte Haase. Nach Angaben des LKA sei auch eine Zwille – eine Art Steinschleuder – sowie mehrere dafür einsetzbare Stahlkugeln sicher gestellt worden. (LVZ Online)

Steine, Computer und eine Zwille. Soso.

Die FDP Sachsen ist sich offenbar für nichts zu blöde:

Offenbar ist Polizei und Staatsanwaltschaft ein neuer Schlag gegen gewalttätige Linksextremisten gelungen. Zu diesem Erfolg ist den Ermittlern zu gratulieren.

Habemus Vereinigung

Es gibt eine neue linke kriminelle Vereinigung. In Sachsen und Brandenburg wurden letzten Dienstag Wohnungen durchsucht, und wenn ich der Presse Glauben schenke – in diesen Dingen immer nur eingeschränkt, das Propagandapotential ist hoch -, dann geht es um Linke, denen Angriffe auf Nazis vorgeworfen werden. Beschuldigt werden 17 Leute zwischen 20 und 33, Durchsuchungen gab es in in Dresden, Leipzig, Niesky, Grimma, Machern, Finsterwalde und Senftenberg (Bild).

Es soll um drei Vorfälle gehen: einen Angriff mit Steinen auf Busse auf einer Raststätte am 19. Februar (dem Tag, an dem Nazis versuchen, in Dresden zu demonstrieren), einen Angriff auf „drei polizeibekannte Rechtsextremisten“ in Leipzig und Nazis, die in Dresden das linke Hausprojekt „Praxis“ angegriffen hatten und als Reaktion darauf „mit Schlaggegenständen“ verprügelt worden sein sollen (Spiegel). Das Projekt „Praxis“ ist vielleicht einigen von einem YouTube-Video vom 19. Februar in Erinnerung, als es wieder von Nazis angegriffen wurde und ein Streifenwagen der Polizei zwar anwesend war, aber dann einfach wegfuhr.

Ob im letzten Fall auch gegen die Nazis „ermittelt wird, geht aus der Erklärung der Staatsanwaltschaft nicht hervor„. (Süddeutsche)

Zu Fall 1 ist interessant zu wissen: „Die Busse waren zu diesem Zeitpunkt bis auf die Busfahrer nicht besetzt. Sie blieben unverletzt, die Fahrzeuge wurden beschädigt.“ (Märkische Allgemeine)

Wie das zum verstärkten staatlichen Engagement gegen Linksextremismus passt und wie es mit (der Verfolgung von) rechter Gewalt in Sachsen aussieht, steht im Freitag: Razzia. Kriminelle Vereinigung.

Dem MDR sagt der Staatsanwalt Lorenz Haase (Video):

Wir gehen davon aus, dass sich diese Vereinigung gebildet hat, um Straftaten gegen politisch Andersdenkende zu verüben. Festnahmen gab es heute nicht, wir hatten auch vorher keine Haftbefehle gegen die Beschuldigten erwirkt. Die heutige Aktion diente einzig und allein der Durchsuchung der Wohnungen der Beschuldigten.

Beschlagnahmt wurden Computer sowie Waffen, was auch immer das sei. Die Erfahrung zeigt, dass in solchen Fällen der Erfolgsdruck auch gern mal die Heckenschere zur Waffe werden lässt.

Radio Corax (Halle) hat die Leipziger Stadträtin Jule Nagel interviewt, die ein bisschen was über den Hintergrund und den neuen Chef des sächsischen LKA erzählt. Um Extremismusklausel und -theorie geht es auch.

„Der neue Chef des sächsischen Landeskriminalamtes, Jörg Michaelis, hatte kürzlich Aktionen gegen linksextreme Gewalttäter angekündigt“ (MDR).

Unterstützung für inhaftierte russische Aktivisten

Freilassen!

Freilassen!

Dass wir es hier im Vergleich zu politischen AktivistInnen in Russland kuschlig haben, ist kein Geheimnis. Dass es nicht einfach ist, über die Themen und Aktivitäten in Russland zu erfahren, auch nicht. Deswegen dokumentiere ich den Aufruf, sich an den Aktionstagen für die Freilassung von Aleksej Gaskarow und Maxim Solopow zu beteiligen, die seit dem 29. Juli in Haft sitzen. Sie hatten sich an einer Demonstration gegen die Abrodung eines Waldes bei Chimki beteiligt, weil dort eine Autobahn gebaut werden sollte. Chimki ist ein Vorort von Moskau.

Nehmt Euch den Moment, ein Fax oder eine E-Mail zu schicken. Der Wind ist rauh da drüben.


Deutsche Untertitel werden sichtbar, wenn Ihr die Maus über den unteren Rand des YouTube-Fensters bewegt.

Aufruf zu internationalen Aktionstagen zur Unterstützung von Aleksej Gaskarow und Maxim Solopow vom 17. bis 20. September 2010

Am 28. Juli 2010 führten über 200 junge Antifaschist_innen und Anarchist_innen vor dem Gebäude der Stadtverwaltung in dem Moskauer Vorort Chimki eine Spontandemonstration zur Erhaltung des Waldes in Chimki durch, der in diesen Tagen aus Geschäftsinteressen heraus gerodet wurde. Die Aktion, im Verlauf derer mehrere Fensterscheiben zu Bruch gingen, erhielt in der Öffentlichkeit viel Aufmerksamkeit. Die Behörden ihrerseits reagierten mit Repressionen. Am Tag nach der Aktion wurden zwei bekannte Aktivisten verhaftet, Aleksej Gaskarow und Maxim Solopow. Ihnen drohen bis zu sieben Jahre Haft wegen Vandalismus, obwohl keinerlei Beweise für ihre Beteiligung an einer Straftat vorliegen. Auf andere Aktivisten, hauptsächlich aus dem antifaschistischen Umfeld, wird eine regelrechte Hetzjagd veranstaltet.

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