Konzept für technische Unterstützung bei digitaler Gewalt veröffentlicht

Deckblatt des Ergebnisbericht „Technische Anlaufstelle für Betroffene von digitaler Gewalt in Partnerschaften“, Dialog für Cybersicherheit, Stand November 2024Ein Jahr lang haben im Rahmen des „Dialog für Cybersicherheit“ des BSIs Expertinnen über digitale Gewalt diskutiert. Die Ergebnisse wurden jetzt in einem Bericht (pdf) veröffentlicht.

Sie können sich sehen lassen:

  • Es wurden 521 Mitarbeiter*innen aus Fachberatungsstellen, Frauenhäusern und der Opferhilfe dazu befragt, welche Unterstützung sie im Umgang mit digitaler Gewalt brauchen.
  • In fast 80 Prozent der Fälle spielt digitale Gewalt eine Rolle. Die häufigsten Formen sind unerwünschte Kontaktaufnahmen, digitale Diffamierung sowie bildbasierte sexualisierte Gewalt (besser bekannt als „Dick Pics“, „Revenge Porn“, Deep Fakes).
  • Nur etwa ein Drittel der befragten Berater*innen fühlt sich sehr kompetent, die jeweils nötigen Einstellungen von Online-Accounts vorzunehmen und Fälle von Stalking, Beleidigungen und Verleumdungen bei den Plattformen zu melden.
  • Fast alle befragten Berater*innen (96,7%) wünschen sich konkrete Hilfe im Umgang mit digitaler Gewalt: Schulungen, Ansprechpartner*innen mit technischer Expertise und Unterstützung bei der Beweissicherung.

Mögliche Lösungen wurden als Konzept für Anlaufstellen zur Unterstützung der Berater*innen entwickelt und finden sich im Bericht.

Hintergrund: Es gab einen sogenannten BSI-„Workstream„, in meinem Verständnis ein auf ein Jahr befristetes Projekt, das den Rahmen für ein vorher festgelegtes Thema darstellt und bei dem das BSI einerseits inhaltlich beteiligt ist und andererseits unterstützt, u.a. durch Organisation und Aufwandsentschädigungen für die Beteiligten aus Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Medien sowie auch staatlichen Institutionen.

Ziel des Workstreams war, ein Konzept für technische Unterstützung für Beratungsstellen und Betroffene von geschlechtsspezifischer digitaler Gewalt zu entwickeln.

Das sich das BSI dieses Themas annimmt, hat mich gefreut. Ich habe in der ersten Kleinen Anfrage zum Thema Digitale Gewalt, die ich 2018 für die Linksfraktion geschrieben habe, danach gefragt und die Bundesregierung hatte das deutlich verneint.

11. Ist das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), das für „Information und Sensibilisierung der Bürger für das Thema, IT- und Inter- net-Sicherheit“ sowie für „Warnung vor Schadprogrammen“ zuständig ist, auch für die verschiedenen Phänomene der digitalen Gewalt zuständig? Wenn nein, gibt es Überlegungen, dies zu ändern? 12. Gibt es Beratungsangebote des BSI für Betroffene und/oder für Beratungs- stellen im Bereich „Gewalt gegen Frauen“ speziell zu den Themen Spy-Apps oder Manipulation von Geräten oder Software, die das Ziel oder jedenfalls die Funktion haben, Opfer auszuspionieren? Die Fragen 11 und 12 werden aufgrund des Sachzusammenhangs zusammen be- antwortet. Das BSI hat die gesetzliche Aufgabe, die Sicherheit der Informationstechnik zu fördern (§ 3 Absatz 1 Satz 1 BSIG). Die von den Fragestellern dargestellten Aus- prägungen digitaler Gewalt wie Cyber-Mobbing, Cyber-Stalking oder andere, auch strafrechtlich relevante Verhaltensweisen beruhen in aller Regel nicht auf der Ausnutzung von Sicherheitslücken in informationstechnischen Produkten und Diensten oder der Umgehung von Sicherheitsvorkehrungen. Fragen, die nicht die Sicherheit in der Informationstechnik betreffen, unterfallen nicht der Zuständig- keit des BSI. Überlegungen, dies zu ändern, bestehen seitens der Bundesregierung derzeit nicht.

Zwei Jahre später habe ich den Antrag der Linksfraktion entworfen, in dem gefordert wurde

die Länder dabei zu unterstützen, Technik-Kompetenzzentren aufzubauen, die Beratungsstellen, Frauenhäuser und Verbraucher*innen in den Bereichen Bera- tung, Weiterbildung und Forensik bei Fällen digitaler Gewalt sowie allgemein im Bereich IT-Sicherheit unterstützen, und dabei auch die Vernetzung untereinander zu fördern, 8. den Auftrag des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik als Ver- braucherschutzbehörde für IT-Sicherheit dahingehend zu erweitern, dass auch di- gitale Formen der Partnerschaftsgewalt und des digitalen Stalkings umfasst sind,

Der Antrag wurde abgelehnt. Sechs Jahre später hat sich das also komplett verändert: Gut so. Daran waren sicherlich viele Menschen beteiligt, aber es zeigt doch, dass auch die Arbeit einer kleinen Oppositionsfraktion Dinge verändern kann.

Ich konnte anfangs beim Workstream nicht dabei sein, solange ich noch als Fraktionsreferentin beschäftigt war, und bin im April dazugekommen. Mein großer Respekt gilt allen Beteiligten, vor allem aber den Mitarbeiterinnen der Organisationen, die selbst zum Thema beraten: der Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe – Frauen gegen Gewalt e.V., die Frauenhauskoordinierung, einTeam gegen digitale Gewalt und der Weiße Ring.

Außerdem waren dabei: die Verbraucherzentrale NRW, BAGSO (Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen), das BKA, Leonie Tanzcer, thefuturepast, FOKUS Fraunhofer-Institut, eco e.V. und anfangs die GFF.

Gerade wurden vom BKA neue Zahlen zu geschlechtsspezifischer Gewalt, zu Femiziden und zu digitaler Gewalt veröffentlicht, wie jedes Jahr ist das Entsetzen groß. Klar ist, dass diese Zahlen nur das wiedergeben, was bei der Polizei angezeigt wird, aufgenommen und in der richtige Statistik erfasst wird. Wir wissen, wie oft Frauen gar nicht erst zur Polizei gehen: die wirklichen Zahlen kennt niemand, aber sie sind sicherlich noch deutlich größer. Empirische Studienergebnisse gibt es noch immer nicht.

Im Workstream wurden Ideen entwickelt, wie eine sinnvolle Unterstützung der Beratungsstellen und der Betroffenen aussehen sollte:

Durch zentrale Kompetenz- oder Anlaufstellen, bundesweit oder je nach Bundesland, vielleicht auch extra für große Städte. In Wien gibt es das schon. Dort wäre aktuelles technisches Wissen erreichbar, das für komplexe Fälle abgefragt werden könnte. Und dazu dezentrale Ansprechpartner*innen, die vor Ort unterstützen und auch mal ein Gerät in Augenschein nehmen können.

„Wo sich digitale geschlechtsspezifische Gewalt immer weiter entwickelt, braucht es den stetigen Austausch zwischen den Beratungseinrichtungen und der IT mit ihrem Fachwissen. Das geht am besten mit einer festen technischen Anlaufstelle mit ITler*innen, die entsprechend für Themen der geschlechtsspezifischen Gewalt geschult sind“, sagt Michaela Burkard, Referentin im Projekt „Aktiv gegen digitale Gewalt“des bff.

Als nächstes geht es darum, das gute und praxisnahe Konzept, das wir gemeinsam erarbeitet haben, auch umzusetzen“, erklärt Inga Pöting von der Inititative „Ein Team gegen digitale Gewalt“. „Expertise und Motivation sind da – nun muss der Staat die nötigen finanziellen Mittel bereitstellen.

Digitale Partnerschaftsgewalt betrifft nicht nur das private Leben der Betroffenen, sondern kann auch ihr berufliches Umfeld massiv beeinflussen. Eine technische Anlaufstelle, an die sich detroffene Mitarbeiter:innen mit ihren privaten Geräten wenden können, wäre auch aus Sicht von Unternehmen von großer Bedeutung.“ Fatma Geisler, Geschäftsführerin von thefuturepast, Berlin.

Der ganze Bericht kann hier heruntergeladen werden. Ich hoffe sehr, dass es neben den alljährlichen Krokodilstränen endlich auch die nötigen Mittel gibt, damit den Betroffenen sinnvoll geholfen wird.