Der Skandal nach Dresden war größer. Beim neuen Fall aufgedeckter Funkzellenauswertung (FZA) in Berlin haben wir uns schon ein bisschen gewöhnt, und hören ja gerade auch, dass die FZA nicht nur einmal, sondern oft eingesetzt wurde. Normal, quasi.
Dabei war in Dresden immerhin noch Körperverletzung im Spiel, hier geht es schon „nur“ noch um Sachbeschädigung/Brandstiftung.
Das Geplänkel setzt ein: während die wenigsten verstehen, was für Daten in einer Funkzellenauswertung (FZA) verarbeitet werden, wie ausgewertet wird und was die Folgen davon sind, werden in den Berichten jeweils andere Zahlen benutzt. Manche brauchen große (wahlweise 3,5 – MoPo, inzwischen geändert – oder 4,2 Mio. Datensätze), manche kleine (950 Handys oder 375 Fälle). Aber darum geht es eigentlich nicht. Es sind so oder so viel zu viele , und zu viele Daten sind gar nicht mehr gelöscht worden.
Das mir zu fatalistisch geratene Fazit von netzpolitik.org nach der Sitzung des Berliner Innenausschusses am Montag:
In der Berliner Landespolitik wird die Affäre um die Funkzellenauswertung wohl keine Konsequenzen haben. Die Regierungsfraktionen CDU und SPD finden alles in Ordnung, allenfalls der junge Sven Kohlmeier darf mal Kritik anmelden.
.. wurde prompt von Spiegel Online zitiert. Und dabei hat der Skandal noch gar nicht richtig angefangen. Wäre nicht Zeit für einen Untersuchungsausschuss? Zurücktreten kann der damalige Innensenator Körting ja nicht mehr, aber wenn der neue kein Problem mit der FZA hat, könnte er schon etwas deutlicher angezählt werden?
Mir fiel eine Szene aus dem Gefährder ein, dem Kurzfilm von Hans Weingartner. Der leitende BKA-Ermittler Danner diskutiert mit dem Innenstaatssekretär, ob die Festnahme von Andrej Holm sinnvoll war, wo doch der BGH den Haftbefehl wieder aufgehoben hat (Min. 7:08 – 8:20):
Staatssekretär: Politik ist Psychologie, Herr Danner. Wir brauchen diese Maßnahmen im Kampf gegen den Terror. Da sind wir uns ja wohl alle einig. Die Kunst ist, es den Leuten Stück für Stück nahe zu bringen, und da müssen wir alle an einem Strang ziehen
Danner, BKA: Ja, sicher. Aber wäre es nicht besser, wenn wir da jemanden nehmen, bei dem die Faktenlage einen dringenden Tatverdacht zulässt? Wir wollen doch Aufsehen vermeiden. Wenn die Presse davon Wind kriegt .. Ich meine, das macht mir schon große Sorgen!
Staatssekretär: Im Gegenteil. Wenn die linksliberale Presse den Fall aufgreift, so spielt uns das in die Hände. Aufhalten kann sie uns sowieso nicht. Aber – und das ist das entscheidende – sie erhöht die Frustrationstoleranz. Die Leute gewöhnen sich daran. Das klassische Strafrecht hat ausgedient, Danner. Wir müssen die Bombenleger kaltstellen, bevor sie zuschlagen. Jeder kann zum Terroristen werden. Er muss nicht, aber er kann. Deshalb müssen wir alles über ihn wissen. Die Leute müssen sich an das Prinzip der Präventivmaßnahmen gewöhnen, das waren doch ihre eigenen Worte in Hamburg.
Danner, BKA: Ja, im Prinzip schon.
Staatssekretär: Wir tauschen ein kleines Stück Freiheit gegen ein großes Stück Sicherheit. Anders geht das eben nicht.
(2009)
Frustrationstoleranz…es scheint den meisten Leuten mittlerweile schlichtweg egal zu sein, was hier passiert: http://www.computerbase.de/news/2012-01/berliner-polizei-wertete-4.2-millionen-handy-daten-aus/ Siehe dort den überwiegenden Teil der Kommentare.
Die Frage die sich mir stellt:
Was koennen wir gegen diese Strategie der erhoehung der Frustrationstoleranz tun? Welche Gegenstrategien sind zielfuehrend? Wie kann diese Vorgehensweise u.U. genutzt werden um zu unserer Sache -> der Realisierung individueller Freiheiten zu dienen?