Die Bundesregierung hat eine Kleine Anfrage der Linksfraktion beantwortet (pdf), wie üblich mit einem klaren Ja, aber auch Nein, und ganz ihrer demokratischen Pflicht folgend wie immer mehrheitlich gar nicht. Die Frage war, ob Handys dazu eingesetzt werden, Gespräche mitzuhören. Die Antwort sinngemäß: also wir ja nicht, aber ob die Länderpolizeien…
Mein erklärter Lieblingsabsatz ist die Antwort auf Frage 11:
Sind der Bundesregierung Möglichkeiten des Schutzes vor dieser Art des Handymissbrauchs bekannt, und wenn ja, welche sind dies?
Die Bundesregierung kann zur Beantwortung dieser Frage auf entsprechende Erläuterungen des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik verweisen.
Aus Sicht des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) ist die effektivste Schutzmaßnahme ein Vermeiden des Mitführens von Handys bei Gesprächen mit sensitivem Inhalt, die Detektion jedweder Mobilfunkaktivität im Raum durch den vom BSI entwickelten Mobilfunkdetektor „MDS“ sowie das Deaktivieren sämtlicher drahtloser Schnittstellen von Mobilfunkgeräten.
Heißt das jetzt, dass wir (wir = alle, die Bevölkerung als Ganzes, das große wir) doch konspirative Gespräche führen dürfen? Oder, dass alle minus TerroristInnen konspirative Gespräche führen dürfen? Oder ist es erst konspirativ, wenn es TerroristInnen tun? Und wenn die noch gar nicht wissen, dass sie TerroristInnen sind? Pech gehabt? Oder ist es gar nicht konspirativ, sondern effektiv (siehe oben)?
Oder ruft das BSI zu Straftaten auf?? Und die Bundesregierung unterstützt?
Ich nehme ja an, dass das nicht nur in diesem Verfahren – normalerweise würde ich sagen „unserem“, aber das wäre ja wieder missverständlich. Mit „diesem“ meine ich das §129a-Verfahren, von dem ich insofern betroffen bin, als mein Liebster damit zum Terroristen gemacht wurde und mir am frühen Morgen des 31.7. im Bett liegend von einem bewaffneten Einbrecher mitgeteilt wurde: „Dies ist eine Durchsuchung. Sie sind aber nicht beschuldigt, Sie sind bloss Zeugin!“. Wenn ich also von „unserem“ spreche, meine ich dieses. Ich hoffe, ich langweile nicht, wenn ich so darauf herumreite, aber wir haben viele Aktenordner voll Papier, die sehr schön dokumentieren, dass es besser ist, immer ganz genau zu erklären, was gemeint ist – also, dass nicht nur in diesem Verfahren Leuten ein Strick daraus gedreht wird, dass sie z.B. absichtlich oder aus Vergesslichkeit oder weil sie schlicht keine Lust haben, permanent erreichbar zu sein, ihr Handy nicht dabei haben. Aber eine ziemlich seltsame Methode ist es schon, um zu beweisen, dass hier Staat und Gesellschaft in ihrem Grundfesten erschüttert werden sollen.
Und das ist ja wohl dieses zentrale Merkmal des Terrorismus. Wie sagte die Frau Bundesjustizministerin kürzlich im Spiegel so schön auf die Frage „Welcher Terrorangriff könnte den Bestand unseres Gemeinwesens und der staatlichen Rechts- und Freiheitsordnung bedrohen?“: „Ein Attentat wie am 11. September wäre eine furchtbare Tragödie, aber es bliebe ein krimineller Akt und würde den Bestand unseres Staates nicht in Frage stellen“ (Spiegel Nr. 39/2007, 24.09.2007).
Hochkonspirativ also, das mit den Handys. Macht nur die militante Gruppe. Bzw. im Umkehrschluss, wenn die, die militante Gruppe sein sollen, ihr Handy nicht mitnehmen, ist es konspirativ. Muss ja.
Ich frage mich, ob die den Bereich ‚Logik‘ in ihrer Ausbildung weggekürzt haben.
Ein Apfelbaum ist ein Obstbaum, deswegen ist ein Obstbaum ein Apfelbaum? Hallo?
Dieses Problem gibt es übrigens nicht nur im Bereich Telefonie. Habt Ihr Euch schon mal auf der Straße umgeguckt? Beim Rad abschließen, Schuh zubinden, Spazieren gehen, im Café beim Rausgucken? Macht das nicht. Total konspirativ (glauben BKA und Bundesanwaltschaft, die sowas in den Akten als Hinweis auf Terrorismus vermerken). Klarer Hinweis darauf, dass der nächste Anschlag im Entstehen ist. Mir passiert das auch dauernd, früher war ich sogar absichtlich neugierig, aber jetzt erwische ich mich ständig dabei, mich darüber zu ärgern, dass ich schon wieder unbewusst geguckt habe, und das doch eigentlich nicht mehr machen wollte.
Heise News Bundesregierung: BKA setzt Handys nicht als Abhörwanzen ein
Der Spiegel meint ja immer noch, Artikel verkaufen zu müssen, deswegen kostet 50c, hier weiterlesen zu dürfen: Deutschland: „Nadelstiche gegen die SPD“. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) über das permanente Drängen der Union auf schärfere Sicherheitsgesetze
Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik: GSM-Mobilfunk. Gefährdungen und Sicherheitsmaßnahmen, hier besonders Kap. 3.1 Schutz vor Abhören von Telefonaten
Hm – dann ist es wohl auch konspirativ, als knapp 30-jähriger *kein* Handy zu haben?! Cool… Wenn eure Lage nicht so bescheiden wäre, könnte ich lachen.
Leider muß ich aus den Berichten, die ich der Presse entnehme, immer mehr zu dem schluß kommen, daß wir eine Welt bekommen werden, wie sie von Stefan Spielberg (?) in Minority-Report beschrieben wird… Oder nehmen wir gleich den Klasiker „1984“ von Orvel… Ihr habt das Pech, eines Gedankenverbrechens bezichtigt zu werden.
Und leider ist der Staat wie ein dummes Tier – wenn es einmal angebissen hat, läßt es nicht mehr los. Und die Beamten arbeiten leider nur auf „Gehorsams-Prinzip“ – nur nicht wiedersprechen oder selber denken…
Haltet durch und wehrt euch.
Ich wünsche euch viel Glück!
Mfg
Trax