Das Innenleben von Texten

Kathrin Ganz (I heart Digital Life) hat für die AG Queer Studies einen Podcast veröffentlicht, den ich vor allem all denen empfehlen möchte, die sich hier immer wieder engagiert darüber aufregen, dass ich meine Texte mit feministischem großem I schreibe.

Es dauert ein bisschen, aber es lohnt sich, und gerade jetzt haben ja viele auch die Zeit, sich einen längeren Vortrag anzuhören. Vortrag trifft es gar nicht so richtig – eher ein Erlebnisbericht. Was einem jungen linken, selbsterklärtermaßen sexistischen, Indie-Musikjournalisten auf seinem Weg zum überzeugten Vertreter der feministischen Sprache alles widerfuhr.

Der inzwischen feministische Musikjournalist ist Frank A. Schneider, besser bekannt als Mitglied von Monochrom. Der Titel der Veranstaltung

Die Diktatur des >>man<<. Von der
Schwierigkeit, in linken deutschen Medien geschlechtsneutral zu
sprechen. Bericht aus der weitgehend beschissenen Praxis.

 

http://noblogs.org/flash/mp3player/mp3player.swf
(mp3, 74mb) 1:17 Std.

Erzählt hat er all dies am 18. November im Rahmen der Ringvorlesung "Jenseits der Geschlechtergrenzen" an der Uni Hamburg.

Er selber zu seinem Vortrag:

“Formulierungen wie ‘man/frau’ und das Binnen-I lehnen wir aus
stilistischen und Ästhetischen Gründen ab”. Wer in linken deutschen
Medien in einer nicht-ausschließlich männlichen Form schreiben möchte,
kennt diesen Satz, der scheinbar keiner weiteren Erklärung bedarf.
Welche stilistischen und Ästhetischen Essentials ihm eigentlichen
zugrunde liegen, wird in der Regel nicht gesagt. Frank Apunkt Schneider
versteht sich als Feminist und publiziert regelmäßig in Deutschland und
Österreich. Er berichtet aus seinen eigenen diesbezüglichen
Erfahrungen, und stellt Vermutungen an, warum deutsche Medien mit
geschlechtsneutralen Formen ein Problem haben, Österreichische hingegen
nicht.

(via

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6 Gedanken zu „Das Innenleben von Texten

  1. Lese ich „man“, denke ich nicht an ein bestimmtes Geschlecht (das Wiktionary bestätigt: „man ist der Nominativ Singular einer Vorläuferform von Mann und hat ursprünglich die Bedeutung jeder beliebige Mensch.“) und finde entsprechende Kleinlichkeiten etwas übertrieben, jedoch nicht prinzipiell störend.
    Aus ästhetischen Gesichtspunkten heraus, zöge ich die getrennte/eigenständige Aufzählung einem angeheftetes „Innen“ vor.
    Soviel für die Schubladen…

    Nun eine Frage für MenschInnen, die sich mit der Thematik auseinandergesetzt haben:
    Gibt es statistische Belege für die Annahme, dass „man“ oder eine fehlende weibliche Form in unserem Sprachraum allgemein als negativ (in dem Sinne, dass eine bewusste Hervorhebung der Männlichkeit angestrebt wird) aufgefasst wird?

    …dies erinnert mich an die Simpsons-Episode, in der Marge die Uni besucht: Leuchtturm als Phallussymbol und so weiter.

  2. Ein schöner Beitrag, dessen Ansichten ich nicht generell teile, aber für illustrierend halte. Persönlich kann ich die Frustration Schneiders ob der wenig stichhaltigen Opposition gegen die feministische Sprache einerseits nachvollziehen, bin auf der anderen Seite von den derzeit herrschenden sprachlichen Lösungen (Binnen-I etc.) nicht überzeugt (in Teilen halte aus ästhetischen Gründen).
    Leider habe ich nicht mehr genug Grundlagen in den Sprachwissenschaften und Gender Studies, um mich der geschichtlichen Entwicklung zu erinnern, wie weit das schon vorangeschritten ist, aber ich war immer ein Verfechter geschechtsneutraler Suffixe (anstelle des Binnen-I), Neologismen (anstelle von ‚man‘, auch wenn mich da der Schuh nie drückte, aber was soll’s?) etc., also eines sprachlichen ‚reinen Tisches‘. Damit war theoretisch immer mein ästhetisches Empfinden beruhigt und die Gerechtigkeit erhalten. Leider sind mir – ich habe mich auch nicht intensiv damit beschäftigt – solche Konzepte nicht in Hülle und Fülle untergekommen.

  3. wenn doch ‚man‘ mensch bezeichnen soll, dann kann doch eben dieses wort auch benutzt werden. wiktionary als lexikalisch ethymologischen experten zu zitieren zeugt nicht sonderlich von kritischen selbstreflexion. naja…

    ich mag das binnen-I aber eigentlich auch nicht. nicht aus ästhetischen gründen. ich finde, dass es sich auch gut liest. es ’stoert‘ auf keinen fall. trotzdem bin ich aus gender aspekten eher ein verfechter des binnenunterstrich. das binnen-sternchen (bei den italienern) finde ich auch nicht schlecht. auch deshalb, weil es abhängig von der schriftart gewisse ‚ästhetisch‘ politische konnotationen zuläßt.

    leider gibt es für den binnenunterstrich immer noch keinen guten textbaustein – zumindest ist mir keiner bekannt – der die notwendigkeit dieser geschlechts- / genderneutralen sprache eben nicht nur in zeitungen, sondern auch in wiss. arbeiten betont. oder kennt jemand einen schönen ‚fußnotenhinweis‘ zum binnenunterstrich?

  4. Pingback: Geschlechtsloser Sprachgebrauch – Ein nur schwer durchquerbarer Dschungel? | Momentanaufnahme Blog

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