Die Zeitung in Zeiten der Finanzkrise

Passend zum Thema der morgigen Veranstaltung "Das
Comeback der Überzeugungen. Starker Staat, schwache Banken, politische
Presse: Haben die linken Medien im Krisenjahr 2009 wieder Konjunktur?
" tobt ein kleiner Sturm durchs Wasserglas. Aufgefallen ist mir das gestern über die unterschiedlichen Titelbilder des aktuellen Time Magazine. Links die amerikanische Ausgabe, rechts der Rest der Welt (Europa, Asien, Pazifik):

time cover  time cover 2

Gibt
es eine besser Methode, um das Verhältnis Medien – Finanzkrise zu
illustrieren? Die Welt hat eine Finanzkrise, die Medien haben eine
Printmedienkrise. Die Medienkrise gibt es sowieso, und durch die
Finanzkrise wird sie erheblich dramatischer. Ob das, um der
Fragestellung der Veranstaltung zu folgen, dazu führt, das linke Medien
Morgenluft wittern und wieder ordentlich kritisch werden: ich bezweifle
das.

Stattdessen
haben wir gerade die Diskussion, wie Print finanziert werden kann.
Anstelle der Diskussion, wie Medien sich der Moderne anpassen sollten.
Aufhänger ist die Titelgeschichte
von Walter Isaacson im Time Magazine, in der er vorschlägt, dass
LeserInnen für Online-Inhalte zahlen sollten so wie auch etwa für
einzelne Musikstücke bezahlt wird, die runtergeladen werden. Das hat
der Handelsblatt-Blogger Thomas Knüwer gestern aufgegriffen und schon
im Titel erklärt, was er davon hält: Warum Paid Content für Zeitungen nicht funktioniert. Bei SPON stand Panik ist kein Geschäftsmodell und interessant fand ich, dass dort dann als nächstes explizit zur Diskussion aufgerufen wurde mit Zeitung als Shareware?

Ich
bin zu dieser Diskussion morgen als ‚Bloggerin‘ eingeladen, was als
Definition ausreichend zu sein scheint (während die versammelten
(ex-)ChefredakteurInnen auch mit Medium vorgestellt werden). Als solche
kann ich mich ja vergleichsweise entspannt zurücklehnen, weil ich eh
kein Geld dafür kriege, was ich hier schreibe und von der aufsteigenden
Panik nur insofern betroffen bin, als ich sehr schade fände, wenn meine
Lieblingszeitungen pleite gingen oder nur noch aus Agenturmeldungen
bestünden.

Will sagen: eigentlich interessiert mich die Debatte,
wie Print finanziert werden kann, nicht so sehr. Viel interessanter
fände ich mehr Diskussion darüber, wie sich etablierte Medien verändern
sollten und könnten, um gegenüber dem Internet konkurrenzfähig zu
bleiben. Meine These wäre, dass Internet auch deswegen attraktiver ist
(und also Print verdrängt), weil es partizipativer ist (sein kann).
Weil der Flaschenhals Chefredaktion einfach wegfällt. Nicht bei
<Printmedium>-Online, aber überall sonst. Das macht es nicht
zwangsläufig besser. Die Herausforderung bleibt, Information so zu
organisieren, das es möglich ist, die Sachen zu finden, die interessant
sind (=die ich interessant finde). Das Heise-Forum etwa wäre ein gutes
Gegenbeispiel: meist gute Artikel, mit einem weitgehen unlesbaren
Forum. Hut ab vor der Leidensfähigkeit der ModeratorInnen.

Es
bewegt sich ja auch laaaaaangsam, erst mit dem Unwort
‚Bürgerjournalismus‘, dann mit den Foren, und tatsächlich interessant
ist das Freitag-Experiment. Wobei mir die Website zu chaotisch und unübersichtlich ist. Aber darüber werden wir ja hoffentlich auch morgen diskutieren.

Zum Schuss noch zwei Leckerli für die Video-Fans unter uns:

Charlie Rose: Future of Newspapers, mit Walter Isaacson (Time), Robert Thomson (Wall Street Journal), Mort Zuckerman (The New York Daily News)

http://video.google.com/googleplayer.swf?docId=-3817658677236015969

(Danke für den Tip – bei Googlevideo auch zum Download)

 

The Daily Show with Jon Stewart, auch mit Walter Isaacson (via)

 

 

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4 Gedanken zu „Die Zeitung in Zeiten der Finanzkrise

  1. Ich denke mal, wenn sich gerade „linke“ Medien wieder auf den ursprung besinnen und wieder kritischer werden und wieder informieren statt von der Bildzeitung abzuschreiben, dann löst sich das Finanzierungsproblem von alleine.

    Stellenweise sind die Artikel nur noch übel, was lernen Journalisten eigentlich seit neuestem in der Ausbildung?

  2. Meine Nutzung sieht folgendermaßen aus: Ich lese keine Zeitungen und auch keine Zeitschriften/Magazine, sondern ausschließlich online, sowohl Blogs als auch Nachrichtenseiten. Gedruckte Zeitungen haben sich bei mir disqualifiziert, da sie inaktuell sind („News von gestern“) und nicht langfristig recherchieren. Schon der Bezug auf einen Artikel der Ausgabe in der letzten Woche scheint die meisten Zeitungen zu überfordern. Wenn also der Vorteil – Langsamkeit und Recherche – nicht genutzt wird, so sehe ich keinen Grund zur Nutzung.

    Als Ausnahme sehe ich die ZEIT an, dessen Artikel ich sehr gerne lese. Die gedruckte Zeitung hat allerdings wieder so ein sperriges Format, dass ich es in meinem Leben nicht unterbringen kann. Glücklicherweise werden noch Newsletter und Feeds angeboten. Die ZEIT in einem kleineren Format, dafür täglich, würde meinem Leseverhalten entsprechen.

    Online finde ich vernünftig recherchierte Artikel dagegen maximal (=selten) in Blogs. Niemals auf „richtigen“ Nachrichtenseiten. Wenn fast alle Nachrichtenseiten entweder über Nichtigkeiten berichten oder Agenturmeldungen durchschleifen, so sehe ich auch nur wenig Gründe, diese zu nutzen, außer zur Zersteuerung und einen groben (egalen) Überblick.

    Überhaupt ist die Relevanz von „Nachrichten“ für das tägliche Leben eher gering. Stattdessen interessieren mich Hintergründe zu von mir ausgewählten Themenbereichen. Das bieten wenige Medien. Entweder mangelt es wie gesagt an der Recherche oder das Format passt nicht in mein Leben. Ebenfalls schlimm: Wenn Redakteure keine Fakten verbreiten, sondern bewerten und somit die Aussage des Artikels formen.

    Die Frage, die zu klären ist, ist also eher, wo Zeitschriften, Magazine und Zeitungen inhaltlich hin möchten und in welchem Format zu welchem Preis sie dies tun möchten. Der Weg scheint momentan eher in Richtung Kostenminimierung im Stil von rp-online.de zu gehen, was den Untergang durch steigende Irrelevanz nur beschleunigen wird, sowohl online als auch offline.

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