Nächste Runde mg-Verfahren

Berlin schwitzt im Sommerloch vor sich hin, wir bereiten wie letztes Jahr einen Kindergeburtstag vor und sehen dem Jahrestag des Beginns ‚unseres neuen Lebens‘ am Donnerstag mit Unwohlsein entgegen. Auch letztes Jahr war es ruhig mitten in den Ferien. Und jetzt?

Im Strandbad Weißensee standen gestern direkt hinter uns zwei ältere Herren in Hemden und Khakihosen am Stehtisch und tranken Bier (alle anderen trugen Badehose).
Tüt-tüüüt-tüüt – Andrejs Bürotelefon an der Humboldt-Uni ist "zur Zeit nicht erreichbar". 

Die seit Januar angekündigte Anklageschrift der BAW ist da. Auch das hat sein Weilchen gebraucht, jetzt ist klar: von den sieben ursprünglich Beschuldigten werden drei angeklagt, Bundeswehrfahrzeuge angezündet haben zu wollen und außerdem Mitglieder der ‚militanten gruppe (mg)‘ zu sein. Dass die drei Mitglieder der mg seien, sagt eine unbestätigte Quelle des Verfassungsschutzes.

Update: Auch die BAW hat sich jetzt erklärt (Link direkt zur BAW-Website). Abgesehen davon, dass Frau Generalbundesanwalt eine Führungsrolle der ‚mg‘ herbeifantasiert, an die außer ihr wahrscheinlich niemand glaubt, gibt es sowenig zu sagen, dass nochmal auf den 25 Brandanschläge der ‚mg‘ herumgeritten wird. Dezent verschwiegen wird, dass den drei Angeklagten die Beteiligung an diesen Anschlägen gar nicht vorgeworden wird.

 

Wir freuen uns nicht unbedingt über die Aussicht, dass es dann wohl ab Herbst zu diesem Verfahren kommt, aber wenn es so weiter geht wie bisher, dann verspricht es zumindest unterhaltsam zu werden. Bitte achten Sie unbedingt auf das Kleingedruckte.

Die ganze Presseerklärung des Bündnisses für die Einstellung der §129(a)-Verfahren:

Bündnis für die Einstellung der §129(a)-Verfahren
c/o Haus der Demokratie und Menschenrechte e.V.
Greifswalder Straße 4
D-10405 Berlin
Kontakt: 0157-74 30 06 52

Pressemitteilung

Sabotage an Bundeswehrfahrzeugen – BAW erhebt Klage nach §129 wegen Mitgliedschaft in der militanten gruppe (mg)

Die Bundesanwaltschaft (BAW) hat Anklage gegen Oliver R., Florian L.
und Axel H. erhoben. Den drei Berlinern wird vorgeworfen, Ende Juli
2007 auf dem Gelände der Rüstungsfirma MAN in Brandenburg (Havel)
Brandsätze unter Bundeswehrfahrzeuge gelegt zu haben. Außerdem werden
sie angeklagt, Mitglieder der militanten gruppe zu sein.

Die Zerstörung von Bundeswehrfahrzeugen sei eine konkrete
Abrüstungsinitiative und diene dazu, Kriegshandlungen – also
Schlimmeres – zu verhindern, so Arthur Schüler, Sprecher des
Bündnisses. In verschiedenen europäischen Ländern seien
AntimilitaristInnen mit dieser Begründung freigesprochen worden.
„Deshalb fordern wir auch einen Freispruch”, betont Schüler.

Die Anklage wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung
stützt sich auf verschiedene Indizien, weitere konkrete
Tatbeteiligungen werden den Dreien nicht vorgeworfen. Die
Bundesanwaltschaft wertet als Indiz für eine Mitgliedschaft, dass sich
die Angeklagten beim Spazierengehen umgeschaut hätten, dass sich die
militante gruppe nicht zu dem Brandanschlag geäußert habe oder einer
der Angeklagten sich Einweghandschuhe gekauft habe.

Um diese Indizien zu untermauern, bemüht die BAW zudem einen Spitzel
des Bundesamts für Verfassungsschutzes (VS). Nach dessen Aussagen – die
der VS selbst als „nachrichtenrelevant, aber nicht bestätigt” einstuft
– sollen die Angeschuldigten der mg angehören. „Die Anklage wegen
Mitgliedschaft ist extrem schwach begründet und an den Haaren
herbeigezogen”, so Rechtsanwalt Thomas Herzog, einer der Anwälte der
Angeklagten. Deshalb habe der Verfassungsschutz wohl auch noch den
Spitzel aus dem Hut gezaubert.

Die Zusammenarbeit des Verfassungsschutzes und der Polizei sowie die
Aussagen des Spitzels werden im weiteren Verlauf des Verfahrens ein
zentrales Thema sein. „Das Trennungsgebot von Polizei und
Geheimdiensten ist eine der Lehren aus dem Faschismus in Deutschland”,
so Schüler. „Deshalb werden wir die ständigen Verstöße gegen diesen
Grundsatz thematisieren.”

Der Erste Strafsenat des Berliner Kammergerichts muss nun über die
Zulassung der Anklage entscheiden. Prozessbeginn wird Herbst 2008 sein.

Bündnis für die Einstellung der 129(a)-Verfahren, 28.07.2008

6 Gedanken zu „Nächste Runde mg-Verfahren

  1. „beim Spazierengehen umgeschaut hätten“

    Tja, daraus folgere ich, das ab sofort niemand mehr spazieren gehen darf ohne sich verdächtig zu machen.

  2. ist natürlich besonders verdächtig, da ist ein Zusammenhang nicht von der Hand zu weisen. Da sich die militante gruppe auch nicht zu den Anschlägen in Bagdad äußert, ist davon auszugehen, dass auch hier die Täter Mitglieder der militante gruppe sind…

    Das ist alles so absurd… man mag es kaum glauben, dass das die höchstbezahlten Ermittlungsbeamten in diesem unserem Land hervorgebracht haben. Wehe uns, wenn sich mal wirklich ein paar Terroristen hierherverirren…

  3. abwarten, ich mir sicher, da kommt noch mehr und die jungs wandern ins kittchen – achja, die npd wird ganz nebenbei auch verboten

  4. Das mit dem „nicht freuen“ wundert mich etwas, ich dachte, ihr wärt froh, dass der ganze Mist hoffentlich endlich ein Ende findet. Denn wenn das Verfahren zu Ende ist, enden vielleicht auch endlich die ganzen Überwachungsmaßnahmen, oder?

  5. Diese Anklage hat mit uns nur indirekt zu tun bzw. mir ja gar nicht, sondern Andrej. Es richtet sich gegen die drei, die in Brandenburg vor einem Jahr festgenommen wurden, nachdem sie versucht haben sollen, Bundeswehr-LKW anzuzünden. Das bedeutet aber nicht, dass die Ermittlungen gegen Andrej eingestellt wären und wenn es der BAW beliebt, dann ermittelt sich auch noch weiter, wenn das Verfahren gegen die drei beendet ist.

    Insofern könnte uns das also an sich völlig kalt lassen. Trotzdem werden wir es natürlich beobachten, weil allen (sieben) ja ursprünglich vorgeworfen wurde, zur selben Vereinigung zu gehören. Formal ist das auch immer noch so, nur werden sie jetzt nicht im selben Verfahren angeklagt. Und weil die BAW die Dinge sicherlich weiter in ihrer sehr eigenartigen Weise interpretieren wird, wird uns auch das eine Weile beschäftigen. Z.B. stützt sich die Aussage, dass die drei Mitglieder der „militanten gruppe“ seien, auf die unbestätigte Aussage eines VS-Manns. Und vielleicht erfahren wir im Prozess ja dann noch mehr..

    Aber Freude bereitet das alles nicht, auch wenn es interessant und wichtig ist.

  6. Die Tatsache, dass die BAW die Anklageerhebung ins Sommerloch verlegt hat zeigt, dass sie nicht an einer grossen Öfentlichkeit interessiert ist – die Angelegenheit ist bei einer solch dünnen Beweislage ja auch zu peinlich.

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