Schengener Abkommen & Handy-Autonomie in Italien

Zwei "Kleinigkeiten", die wir in Italien erlebt haben, hätte ich fast vergessen:

Reisepass Quelle: http://www.flickr.com/photos/basel/9388112/Bei der Rückreise mit dem Nachtzug sammelte die (deutsche) Schaffnerin nicht nur unsere Fahrkarten ein (das ist die Regel in Nachtzügen), sondern auch unsere Ausweise. Auf unsere perplexe Frage, warum das denn nötig sei, kam erstmal ein vages Geschwafel, in dem die Vokabel "Sicherheit" eine Rolle spielte. Wir haben dann gefragt, ob uns irgendwie entgangen sei, dass das Schengener Abkommen zwischen Italien und Österreich oder Österreich und Deutschland aktuell ausgesetzt sei. Reaktion: wir wüssten doch, dass aktuell soviele Flüchtlinge in Italien ankämen und da müsse doch verhindert werden, dass die dann weiter nach Norden kommen.

Dazu fiel mir nicht mehr viel ein.

Kommt das öfter vor? Gibt es irgendwelche Änderungen am Schengener Abkommen wegen der Flüchtlinge, die in Italien ankommen? Folgt die Bahn ihrem Drang nach mehr Kontrolle? Oder war das die große Ausnahme?

 

Beim zweiten Erlebnis geht es mal wieder um eigenartiges Verhalten meines Handys.

An einem Nachmittag im April waren wir in der Toskana zum Kaffee mit einem italienischen Bekannten verabredet. Wir kennenn uns, seit wir gemeinsam beim G8-Gipfel in Genua aus dem gegenüberliegenden Medienzentrum die Räumung der Diaz-Schule erlebt haben. Das verbindet. Wir haben uns jetzt per SMS verabredet, haben ein paar nette Stunden verbracht, über Berlusconi und sonstige Ekligkeiten in Italien geschwatzt, und uns dann wieder getrennt.

Ungelogen keine fünf Minuten später machte mein Handy "pling" und deutete an, dass eine SMS angekommen sei. Und teilte mir freundlich mit, dass ich frisch in Italien angekommen sei, die SMS so-und-so-viel kostet etc. 

Allerdings waren wir schon seit einer Woche da und hatten solche Nachrichten auch schon bekommen, als wir tatsächlich über die Grenze nach Italien gefahren waren.

Wo war also mein Handy gewesen, als wir da Kaffee tranken? Was dachte es, wo es sei?

Noch vor einem Jahr kam sowas öfter vor, inzwischen ist es eher selten geworden. 

Ich
bin ausgesprochen interessiert an Meinungen von Leuten, die sich mit
sowas besser auskennen, wie sowas kommt. Kann das auch passieren, wenn
einfach das (italienische) Netz gewechselt wird?

 

Bild: (klaus), CC-Lizenz

21 Gedanken zu „Schengener Abkommen & Handy-Autonomie in Italien

  1. Kommt mir beides bekannt vor. Den Nachtzug von Bologna nach München habe ich in den letzten 4 Jahren ein paarmal benutzt. Immer das gleiche Spiel: an den beiden Grenzen kommen die Grenzer durch, wecken und kontrollieren alle, ohne daß mir ein besonderer Anlaß bewußt gewesen sei. Da ist das vorherige Einsammeln sicherlich komfortabler (wenn die Bahn nicht selber kopiert etc.)

    Und dass solche SMS manchmal mehrfach, manchmal gar nicht kommen, kann ich als regelmäßig nach GB Reisender bestätigen. Allerdings fehlen mir da Hintergründe weshalb…

  2. Scheint nach wie vor so zu sein, als hätten die Spezialexperten ihre Technik nicht im Griff. Letztes Jahr im August in Irland: Meine Liebste hat täglich mindestens zwei solche Nachrichten (manchmal auch deutlich mehr) vom immer gleichen irischen Provider bekommen, ich keine einzige. Sie hierzulande bei Base, ich bei den Telekomikern.

    Hier ausnahmsweise mal keinen Grund für die sonst gerechtfertigte Paranoia vermutend,

    Jo.

  3. das sms-zeugs passierte mir auch schon im ausland. dann, wenn unterschiedliche roaming-partner zur verfügung stehen und sich das handy in ein neues, anderes netzt einbucht. hatte ich öfter im polnisch-deutschem grenzgebiet.

  4. das sms-zeugs passierte mir auch schon im ausland. dann, wenn unterschiedliche roaming-partner zur verfügung stehen und sich das handy in ein neues, anderes netzt einbucht. hatte ich öfter im polnisch-deutschen grenzgebiet.

  5. Nix Neues, wegen sowas (weil zeitweise alle paar Minuten so ’ne Willkommen-SMS kam und ich das Handgerät auf dem Weg zum Strand auf ein festes Netz einstellen wollte) hab’ ich mir vor ein paar Jahren auf Mallorca den Knöchel gebrochen. Also paß bloß auf! 😉

    Rund um den Bodensee kannste sowas aber auch haben — da funken deutsche, schweizer und österreichische Netze um die Wette.

  6. Also das mit den Willkommens-SMS hatte ich in den Niederlanden andauernd. Da würde ich mir nicht allzu viel bei denken. Ich kenne das aber, wie eklig das sein kann, wenn sich Handies plötzlich komisch benehmen (dabei habe ich „nur“ einen Hintergrund im Aktivismus, bei Weitem nicht das, was Du so erlebt hast). Mein altes Siemens starb auf die spektakuläre Weise, dass es anfing, mir willkürlich Gespräche zu „killen“… manchmal waren die direkt nach dem Anrufen weg, manchmal nach ein paar Minuten, dann ging es wieder eine halbe Stunde ohne. Und niemand sonst hatte Probleme mit dem E-Netz. Da habe ich mich durchaus auch was gefragt. Zum Glück hat sich das ganze mit dem neuen Gerät dann sofort erledigt…

    Das Verhalten der Bahn finde ich ziemlich dreist. Ich glaube, ich schreibe die morgen mal an und bitte um Stellungnahme, vielleicht wird ja eine News draus…

  7. Das kenne ich beides zur genüge. ich bin einige Jahre international LKW gefahren. Fahrzeugüberführungen nach Italien, Frankreich, Spanien und Portugal hauptsächlich. Ich habe also einen LKW irgendwo abgeholt und dann zum Ziel gebracht und machte mich dann mit Zug oder Flieger wieder auf den Weg nach D-Land.
    Du glaubst nicht wie viele SMS dieser Art zusammen kommen wenn du meherer Länder durchquerst und in diesen auch noch häufig das Netz wechselst.
    Die Passkontrollen in den Zügen kenne ich allerdings nur, wenn man von Milano nach München fährt. Dort wurden immer Ausweis und Fahrkarte vom Schaffner eingesammelt, da man sonst gleich 2 mal geweckt worden wäre. Da diese Strecke aber durch die Schweiz führt, war das damals gerechtfertigt. Duch Östereich bin ich aus Kostengründen nie gefahren.

    Nun kommt aber der Knackpunkt:
    Ich habe 2001 aufgehöhrt zu Fahren. Dies ist also nichts neues. Nur der rechtliche Rahmen für die Ausweiskontrolle im Schengenraum will mir nicht klar werden. Das Italien aber recht eigenwillige Wege hat mit geltendem Recht umzugehen, weiss jeder der schon mit den Behörden oder der Polizei dort zu tun hatte. 😉

  8. Mein altes Siemens starb auf die spektakuläre Weise, dass es anfing, mir willkürlich Gespräche zu „killen“… manchmal waren die direkt nach dem Anrufen weg, manchmal nach ein paar Minuten, dann ging es wieder eine halbe Stunde ohne. Und niemand sonst hatte Probleme mit dem E-Netz.

    Wenn es alt war, kann das auch am Akku gelegen haben. Gerade die alten NiMH-Akkus haben gerne noch angezeigt sie wären halb voll, unter Last (Gespräch) ist dann aber die Spannung eingebrochen. Je nach tatsächlichem Ladezustand war das Gespräch dann sehr schnell beendet.

  9. Das mit dem Pass einsammeln ist mir auch am Ostermontag im Nachtzug von Wien nach Zürich passiert.

  10. Das mit dem Ausweise einsammeln gibt es nicht nur von Italien nach Oestereich/Deutschland.

    Meine Frau und ich haben im Rahmen einer Weltreise 5 Nachtzuege in Europa genutzt und in allen 5 (Rom-Genf, Genf-Berlin, Hamburg-Paris, Paris-Madrid, Madrid-Lissabon) wurden wir aufgefordert die Ausweise abzugeben.

    Fuer Rom-Genf und Genf-Berlin ist es ja noch evtl. verstaendlich (da Schweiz), fuer die Kontrollen zwischen Deutschland, Frankreich, Spanien und Portugal kann aber noch nicht mal mehr die Flüchtlingargumentation herhalten.

    Und von Genf nach Berlin hat das mit dem Ausweis abgeben nichts geholfen, wir wurden mitten in der Nacht durch sehr ungeduldiges und lautes pochen and der Tuer aus dem Bett geschreckt da der deutsche Beamte das Foto im (australischen)Ausweis meiner Frau (asiatischer Abstammung) mit Ihr vergleichen wollte.

  11. Das mit dem Ausweise einsammeln wird aber auch auf Nachtzügen innerhalb Deutschlands gemacht.
    Warum: keine Ahnung.

  12. @Elmi: Wieso soll es für die Schweiz verständlich sein? Seit Dezember 2008 ist auch die Schweiz dem Schengen-Raum beigetreten.
    Es gibt also überhaupt keinen Grund irgendwelche Pässe einzusammeln oder zu kontrollieren. Das wären eindeutige Verstöße gegen das Schengener Abkommen, das nur Ausnahmen bei echten Bedrohungen für ein Land vorsieht.
    Auch die Wiedereinführung von Grenzkontrollen zum Nato-Gipfel in Baden-Baden war ein echter Rechtsverstoß. Wird Zeit, daß da mal jemand klagt.

  13. @LeSpocky: Das mit dem Akku glaube ich nicht, da es sich dabei schon um einen Li-Ion handelte. Die können sowas doch normal ab. Und sooo schlecht war der auch ansonsten noch nicht. Möglich, aber ich halte es eher für unwahrscheinlich. Vor allem war das Handy ja nicht aus, sondern nur das Gespräch weg. Wäre der Akku eingebrochen, hätte es sich doch eher ausgeschaltet, oder?

  14. Verstärkte Kontrollen sind mir auch an der Grenze zwischen Deutschland und Österreich aufgefallen. Da haben aber keine Schaffner Ausweise eingesammelt (geht’s noch?) sondern Polizeibeamte vor Ort im Abteil geprüft und wieder ausgehändigt.

    Und das mit dem Handy kenne ich generell, wenn man im Ausland ist. Ich vermute mal das hängt mit dem Roaming in fremde Netze zusammen. Was nicht ausschließt, dass es einen Zusammenhang mit IMSI-Catcher oder anderen Überwachungsmaßnahmen geben kann.

  15. (Sry, Kommentare nicht gelesen… Falls was schon gesagt worden ist.)

    Also ich glaube das mit den Ausweisen ist ganz normal und wahrscheinlich auch berechtigt. Wird wohl gemacht damit der nächstes Schaffner (im nächsten Land) nochmal die Reservierungen mit den Ausweisen vergleichen kann. Um zu sehen ob wohl die richtigen Leute reisen, ohne diese aufwecken zu müssen.

    @Italien: Möglicherweise ein stinknormaler Netzwechsel im Ausland. Könnte aber genauso eine Abhöraktion per Handy gewesen sein. Schwer zu sagen… Wohl nur zu umgehen wenn man den Akku rausnimmt…

  16. War vor einigen Wochen in Österreich. Habe dort auch mehrmals die Willkommens-SMS bekommen. Manchmal konnte ich einen Zusammenhang zwischen Netzverlust (z.B. in Tunneln) und den SMS danach feststellen…

  17. Beide Phänomene halte ich für Zeichen der Zeit:

    1) Willkommens-SMS

    Seit die Mobilfunkbetreiber immer mehr internationale Roaming-Verträge abschließen, kommt es häufig vor, dass mitten im Land der Netzbetreiber wechselt. Beim erstmaligen Einloggen bei einem neuen Betreiber kommt die besagte SMS. Aber auch bei späteren Betreiberwechseln kann es vorkommen, dass man die SMS erneut bekommt. Vermutlich liegt es daran, dass die SIM-Kartennummer nicht beim Betreiber gespeichert wurde, sodass der Netzwechsel für diesen wie ein erstmaliges Einloggen erscheint. Das ging mir bei meinem Polen-Urlaub vor ein paar Tagen ähnlich. Sogar als ich auf der Rückfahrt im Grenzgebiet schonmal kurz im deutschen und dann doch wieder im polnischen Netz war, kam so eine SMS.

    2) Ausweis-Kontrolle im Zug

    Das Phänomen, dass immer häufiger irgendwelche Personendaten erfasst werden, scheint mir ebenfalls „im Trend“ zu liegen. Dies dient unterschiedlichsten Gründen: neue „Anti-Terror“-Gesetze schreiben strengere Kontrollen ebenso vor wie Dienstanweisungen der lokalen Polizei oder die Angst vor illegalen Einwanderern. Wenn man in Deutschland in Freizeitkleidung (Jeans, Turnschuhe) in der Nähe eines Fußballspiels Zug fährt,wird man auch kontrolliert. Wenn man kein potentieller Islamist ist, dann ist man ja vielleicht potentieller Hooligan. Die Paranoia kennt keine Grenzen. Auch die Unternehmen (z.B. die Bahngesellschaften) werden bei der Erhebung der Daten ihrer Kunden immer dreister (z.B. kann es sein, dass die Bahnbeamten Strichlisten führen, wie viele ausländische Kunden mit der italienischen Bahn fahren) — es dient aber alles nur „zum Wohl des Kunden“.

    In einem Polizeistaat wie Berlusconi-Italien oder in den Terror-paranoiden USA würde es mich nicht mal wundern, wenn man bei Kontrollen plötzlich ohne Grund mitgenommen und für ein paar Stunden festgehalten wird. Ein Bekannter von mir „verschwand“ auf diese Weise an einem Flughafen in den Staaten für ca. 30 Minuten, während die anderen Mitglieder der Reisegruppe durchgelassen wurden. Der Grund? Da kann man nur spekulieren. Aber auf den ersten Blick sieht der Deutsche mit ungarischen Vorfahren irgendwie orientalisch aus (dunkle Haare, dunkler Teint, dunkle Augen, nach US-Logik: potentieller Moslem, also: potentieller Massenmörder).

  18. Ausweise und Pässe sind Bundesdokumente. Sie „gehören“ dem Staat und nicht dem Bürger. Sie aus der Hand zu geben ist daher vielleicht sogar verboten – zumindest aber unverantwortlich. Das Dokument könnte ja wegkommen und für Fälschungen oder Betrügereien verwendet werden. Aus *Sicherheitsgründen* kann man es also nicht abgeben. 😉 Ich würde es da auf einen Streit ankommen lassen, insbesondere in südländischen Hotels kommt eine Abgabe des Passes gar nicht in Frage. „Machen wir immer so“ oder „müssen wir aber, weil…“ sind keine Gründe. Solange nichts anderes im Gesetz steht, ist ein Bundesdokument vom Bundesbürger zu schützen. Punkt.

  19. Das mit den Ausweisen hat den Sinn, dass die Reisende nicht mitten in der Nacht geweckt werden müssen und zusätzlich die Reservierungen überprüft werden können.

    Bei Nachtzügen zwischen beispielsweise der Schweiz und Deutschland schaut sich der Zoll die eingesammelten Ausweise an und entscheidet an Hand der Ausweise, welche Personen evtl. zusätzlich überprüft werden.

  20. Hallo Anne,

    beim erstmaligen Einbuchen in ein Roaming-Netz bekommt man üblicherweise eine Begrüßungs-SMS. Im Heimatland kann man sich in der Regel nur ins eigene Netz einbuchen. Im Nicht-Heimatland gehen alle Netze, mit denen der eigene Provider ein Abkommen hat; das sind in der Regel mehr als nur eines. Bei automatischer Einbuchung wird die Priorität vom eigenen Provider vorgegeben; ist das Netz höchster Priorität nicht erreichbar so wird das nächste Netz der Prioritätsliste angewählt. Wenn in dieses noch nicht eingebucht wurde gibt es eine Begrüßungs-SMS. Dieser Umstand allein sollte somit nicht beunruhigen.

    Hope it helps,
    JLloyd

  21. Bei einer Reise nach Großbritannien hatte meine nicht EU-ausländische Ehefrau große Schwierigkeiten. Als Teil einer “ routine procedure“ wurde bei der Ausreise sofort das Telefon bemüht und die Flughafenmitarbeiterin behauptete, sie habe ja gar kein Visum für Deutschland. Die deutsche unbefristete Aufenthaltserlaubnis sagte ihr scheinbar nichts. Nachdem ich das übersetzt hatte( wie dämlich, die Sicherheit hing also an meiner Übersetzung), durfte sie passieren. Der Sicherheitswahn greift so um sich, daß er das Normalleben zerstört. Es ist eingetreten, was Überwachungsgegener immer schon behauptet haben und was inzwischen auch viele Normalos bemerken: der Staat mißtraut einem so sehr, daß die Lebensqualität erheblich sinkt.Um überhaupt das Visum für England zu bekommenm, mußte meine Frau übrigens 88 Fragen beantworten,alles wird übers Internet abgewickelt, Internetausdrucker hätten gar keine Chance. Da sind dann so fragen bei wie: welche Leute wohnen noch an ihrem Wohnhaus in England( meine Antowort: weiß ich nicht, denn die anderen hotelgäste haben sich bei mir nicht vorgestellt). Dann wird auch explizit gefragt, ob meine Frau oder ich vorhätten, in England einen terroristischen Anschlag zu begehen. Ich konnte das verneinen, und nach „nur“ 4 Wochen wurde das Visum erteilt.

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