Netzpolitik und Frauen passen einfach nicht zusammen

The internet is a series of tubesDer Eindruck drängt sich jedenfalls ziemlich auf, nachdem bei netzpolitik.org zu lesen stand, dass nur 8% der LeserInnen dort Frauen sind. Die Redaktion fragte sich dann:

Wie kann der Anteil weiblicher Leserinnen gesteigert werden? Netzpolitik sollte keine Männersache sein und geht alle an.

In den Kommentaren entspann sich ein buntes Treiben, um dessen Moderation ich niemanden beneide. Mein Verdacht war, dass die Frage dort das richtige Publikum gar nicht erreicht, denn erklärtermaßen lesen die Frauen, die nicht netzpolitik.org lesen, netzpolitik.org ja nicht. Über den Umweg einer Facebook-Gruppe, die leider das derzeit größte mir bekannte Forum von Bloggerinnen und sonst netzaffinen Frauen ist, das ich kenne, entstand ein Blogpost von Claudia Kilian: Netzpolitik ist weiblich. Auch dort wurde viel diskutiert.

Für mich riecht das Blog Netzpolitik männlich. – Ich bin nicht gut im erklären, aber für mich ist der vorherige Satz, genau die Erklärung, die ich mir selbst geben würde. Das ganze Blog besitzt eine durch und durch männliche Ausstrahlung und wenn ich die Zahl der Mitschreiberinnen hätte schätzen sollen, dann hätte ich sie bei der Prozentzahl geschätzt, bei denen die Leserinnen liegen: jedenfalls eindeutig im einstelligen Bereich. (Claudia Kilian, Sammelmappe)

Und ungefähr hier fangen dann die kulturellen Differenzen an, die vielleicht mit zu den Ursachen gehören, warum sowenig Frauen netzpolitik.org lesen. Im Text und in den Kommentaren ging es um:

Bunter, kreativer, abwechslungsreicher, nicht immer zu ernst – muss ja nicht gleich in Klamauk ausarten – und ganz wichtig: einen Bezug zum Alltag herstellen.

Zu viel Technik, Gesetz und Recht, Staatsmacht, zu wenig Reflektion über Beziehungen, Kultur, Was kann ich machen? Und auch zu viel klare Positionierung, mich interessiert eher das Diskutieren von offenen Fragestellungen.

Ich kann das “Stallgeruch” Phänomen spontan gut nachempfinden. Die Erklärungen hinsichtlich mangelnder soz. Reflexion/ pers. Bezugs finde ich insofern plausibel, als sie sich schon darin zeigen, dass hier darüber diskutiert wird, statt auf Netzpolitik.org (die ja explizit Kommentare dazu wollten).

Ich empfand die Diskussionskultur dort als wenig inspirierend, besserwisserisch, teilweise arg trollig. Die Netzpolitik-Diskussionen führe ich (bisher) fast ausschließlich offline unter Freund*innen und Kolleg*innen.

Ich stehe meist mit einem Bein in der netzpolitisch-hacktivistischem Community mit den gefühlt 92% Männern und mit dem anderen in der feministischen Community, die manchmal, aber selten, netzpolitisch und häufig sehr netzaffin ist. Und das seit gut zehn Jahren. Beide leben unabhängig und in weitgehender Ignoranz voneinander. Etwas von der einen in die anderen zu übertragen hat große Ähnlichkeiten mit dem Übersetzen von Sprachen. Es ist nicht bloß das Vokabular, das unterschiedlich ist, sondern auch die Art und Weise, wie Phänomene wahrgenommen und beschrieben werden.

Im Grunde eigne ich mich schlecht dafür, hier Ursachenforschung zu betreiben, weil ich selber gern und viel netzpolitik.org lese und auch andere Nachrichten-Websites mit netzpolitischen Inhalten. Warum andere Frauen das nicht machen, kann ich also auch nur raten. Ich habe trotzdem versucht zu übersetzen:

Ich glaube, dass mit dem Bezug zum Alltag, zum eigenen Leben, der ‘Reflektion zum eigenen Leben’ gemeint ist, offene Fragen auch mal offen stehen lassen zu können. Lasse ich mir beim Schreiben in die Karten gucken? Lasse ich erkennbar werden, wo ich selbst nicht genau weiß, was ich politisch für richtig halte? Will ich dazu eine Diskussion mit den LeserInnen? Das ist unter Männern, oder in männlich geprägten Umgebungen schwieriger, weil da jede gezeigte Schwäche für einen Angriff gut ist. Die Kommentare lassen da keinen Zweifel. Wenn ich so schreibe, dass keine Frage offen bleibt und ich deutlich signalisiere, dass ich genau weiß, wo es lang geht, puste ich ordentlich die Backen auf, oder die Schultern, je nachdem. Ein typisch männliches Bild, nicht umsonst. Das, was als deutsche Blogosphäre gilt und ja sehr männlich ist (allein der Personen wegen, die da als relevant gelten), lässt wenig Alternativen zu: gut ist, wer cool ist, wer erfolgreich ist, wer die Backen ordentlich aufpustet. Und sagt, wo’s lang geht.

Bei Sammelmappe habe ich versucht, ein bisschen genauer zu beschreiben, was den Zugang zu netzpolitischen Themen vielleicht attraktiver machen könnte:

Viel vom bis hier Gesagten würde erklären, warum sich Frauen ™ nicht für Nachrichten, Zeitungen, Themen interessieren. Das kommt mir ein bisschen zu einfach vor. Dass das vielen Frauen so geht, kann ich nicht von der Hand weisen, aber wenn das der Hauptgrund wäre, dann müsste viel weniger Journalistinnen geben (zum Beispiel). Und da ist der Unterschied ja nicht annähernd so eklatant. Nun gehört zum guten Journalismus in der Regel auch ein bisschen Story, also die eine oder andere Person, deren Geschichte verdeutlicht, warum XY ein Problem ist.

Helga Hansen hat gleich zweimal gebloggt und noch andere Aspekte genannt:

Immer wieder habe ich bisher die Angst gehört „nachher sage ich was falsches und alle halten mich für blöd“ (im schlimmsten Fall wird daraus die Sippenhaft „alle Frauen sind so blöd“). Auch hier greift das alte Problem, dass Frauen ihre Kenntnisse oft deutlich unterschätzen und im schlimmsten Fall die Brötchen für die Demo schmieren, statt eine Rede zu halten.

Warum sollte es im Netz anders sein als im sonstigen Leben: das jeweilige Redeverhalten spielt eine Rolle. Männer neigen dazu, alles zu kommentieren, Argumente anderer als die eigenen darzustellen und dabei schon Gesagtes zigmal zu wiederholen. Und sich immer wieder aufeinander zu beziehen – die berühmten Seilschaften. In der Blogosphäre wird genau das belohnt: je mehr Bezüge untereinander, desto wichtiger (Code is law, und wer macht den?). Frauen finden das entweder langweilig und uninspirierend oder aber lassen sich von dem Bluff so beeindrucken, dass sie den Eindruck haben, nichts Wichtiges zum Thema sagen zu können. Und gehen.

Nochmal Helga, ein paar Tage später:

Außerdem reizt alleine die Aussicht, netzpolitik.org könne sich ändern, die Kommentatoren. Da wird dem Blog zusgeschrieben, nüchtern, sachlich, themenbezogen und unaufgeregt zu sein. Und all das in Gefahr gesehen. Denn Frauen sind anscheinend das Gegenteil von Männern und damit unvernünftig, emotional, aufgeregt und bestimmt auch irgendwie unsachlich.

Dass illustriert vielleicht am besten, was Claudia Kilian mit dem „männlichen Stallgeruch“ meint. Frauen müssen beweisen, dass sie entgegen dem Stereotyp unaufgeregt und sachlich sind, um mitreden zu können und ernst genommen zu werden. Am besten jede einzeln für sich, während jedes „Versagen“ für das ganze Geschlecht gezählt wird. Eine im Zweifelsfall unlösbare Aufgabe. Es gibt kein Diplom in Sachlichkeit, keinen Messbecher für Aufregung.

Sie hat auch ein paar ganz praktische Veränderungsvorschläge gemacht, nachzulesen bei den Femgeeks.

Ich glaube, eine Rubrik Feuilleton täte netzpolitik.org gut. Die Möglichkeit, etwa die Frage auch mal im Raum stehen lassen zu können, ob Anonymität wirklich immer für alle das Beste ist, wäre ein Gewinn. Ich verstehe die Vorbehalte, warum die Frage unmöglich öffentlich gestellt werden kann. Die Headline „Beckedahl jetzt für Klarnamenzwang“ will auch niemand. Andererseits ist Anonymität ein Problem für Frauen, die von Stalkern bedroht werden. Eng verwandt ist z.B. die Impressumspflicht mit Wohnadresse: ein Riesenproblem vor allem für Frauen, die von gewalttätigen Ex-Männern bedroht werden oder anonyme Vergewaltigungsdrohungen bekommen (aber nicht nur für die). Leider ein völlig vernachlässigtes netzpolitisches Thema. Sowas könnte im „Feuilleton“ aber ganz in Ruhe besprochen werden, ohne gleich die (absolut nötige) politische Klarheit ins Wanken zu bringen.

Da könnte dann auch gleich mal wieder die Frage gestellt werden, wie die Kommentare zu moderieren sind: alles stehen lassen, was nicht strafbar ist, führt dazu, dass ganz viele nicht mehr mitlesen, denen die Schlammschlachten der Couchpotatoes den letzten Spaß verderben. Müssen Kommentare ein pädagogisches Projekt werden, oder müssen sie „zensiert“ werden, oder gehört eine große Warnung oben drüber, dass ab hier das Heise-Forum beginnt, weil alles stehen bleibt?

So, wie es jetzt ist, kommen viele Frauen (und sicher Männer) einmal vorbei und danach nie wieder. Da kann man dann 5x sagen, dass das doch nur die Kommentare sind, aber wer im Netz nicht des Jobs oder der Reputation wegen unterwegs ist, hat wenig Motivation, Websites öfters zu besuchen, die ein unangenehmes Klima verbreiten. Aus „Offen für alle“ wird so klammheimlich „Offen für Nervbacken“ – wieviel psychologisches Gespür dafür nötig ist, wissen inzwischen Millionen von Community-ManagerInnen.

Für andere ist das Problem nicht der aggressive Tonfall, sondern vielleicht der Insider-Jargon. Wenn viel Wissen vorausgesetzt wird, ist es für ‚Neue‘ nicht einfach, einen Zugang zu finden.

Bei netzpolitik.org gab es dann einen Folge-Artikel: Wie kann Netzpolitik für Frauen interessanter werden? – Vorläufiges Resümee. Andrea Jonjic versucht ein bisschen zusammenzufassen, was es für Reaktionen gab. Sie teilt das in Layout, Inhaltliches, Kommentarkultur, Sichtbarkeit der Autorinnen und Kooperationen mit anderen Blogs ein und schreibt: Es

.. handelt sich hier nicht um einen Austausch a la “Was ist das Problem? Aha. Ok, gefixt” (auch wenn das so rübergekommen sein mag), sondern um einen Prozess.

Gut, dass es ihn gibt. Ich bin sehr neugierig, wie sich das weiter entwickelt.

Letzten Samstag habe ich dazu kurz was bei Radio Trackback gesagt (mp3, 56mb, ab Minute 21:45), leider war die Zeit echt ein bisschen zu knapp – einer der Gründe, warum ich mich jetzt hier nochmal so ausbreite.

Im übrigen hat das Thema noch zwei Grundprobleme: die Umfrage war nicht repräsentativ, d.h. niemand weiß, wie hoch der Prozentsatz wirklich ist – kann ja auch sein, dass sich prozentual viel mehr Männer an der Umfrage beteiligt haben. Und: weil wir nicht wissen, wer nicht liest, können wir nur vermuten, warum das so ist. Und natürlich haben alle unterschiedliche Vermutungen.

Insofern sind also die Kommentatorinnen bei Sammelmappe eine Goldgrube, weil sie erklären, warum sie nicht lesen bzw. sich nicht für Netzpolitik interessieren. Und mich würde weiterhin sehr interessieren, warum Ihr

  • netzpolitik.org nicht lest oder
  • Euch nicht für Netzpolitik interessiert

Vor allem, wenn Ihr Frauen seid. Erklärungen von anderen, warum Frauen Netzpolitik nicht mögen, gibt es ja schon genug.

 

 

Disclaimer: Wie immer sind mit „Männern“ nicht alle, sondern die meisten Männer und mit „Frauen“ nicht alle, sondern die meisten Frauen gemeint. Inklusive aller, die sich mit den jeweiligen Beschreibungen am besten getroffen fühlen.

Disclaimer 2: Ich bin theoretisch auch netzpolitik.org-Autorin, habe bisher vor allem aus Zeitmangel aber nur einen einzigen Artikel geschafft.

Das Bild ist von Yarnivore / Flickr und hat eine CC-BY-NC-SA-Lizenz

29 Gedanken zu „Netzpolitik und Frauen passen einfach nicht zusammen

  1. Sachlich, vernünftig, aufgeklärt – das Selbstbild der Männer. Und dann ein Blick in die Kommentare dieser rationalen Blase, die gefährdet ist durch das Auftauchen des emotionalen Geschlechts.

    (Es ist nur ein Aspekt, aber mir kommt die Argumentation so irrwitzig vor. Weil sie sich ja wirklich so sehen. Und viele Frauen wären heilfroh, wenn es dort tatsächlich rational vorginge.)

  2. Ich glaube das es sich nicht um ein männlich / weiblich Problem handelt sondern das Frauen ein sehr viel besseres Gespür haben. Der Blog netzpolitik.org ist nichts anderes als eine Bühne für Herrn Beckedahl und seine Adlati, die sich selbst zu einer Art Elite und als einzig vertretungsberechtigt für die deutsche Internetszene erklärt haben.

    Während viele Männer lieber zusammen mit einem Leitwolf heulen, haben Frauen genau dieses Verhalten nicht nötig und lesen deshalb die Selbstbeweihräucherung nicht. Frauen sind eben schlau.

  3. Fast hätte der Mechanismus auch hier funktioniert: Nachdem ich den Kommentar von Jochen Hoff las, wäre ich eigentlich beigedreht und hätte meinen geplanten Kommentar hier nicht hinterlassen – weil mir allein schon eine unsachliche und unbelegte Schmähung wie „ist nichts anderes als eine Bühne für Herrn Beckedahl und seine Adlati…“ die Lust am Kommentieren verdirbt (weswegen ich ja auf netzpolitik.org nie die Kommentare lese). Wie belegte Kathrin Passig so deutlich: Sobald die Kommentarkultur eines Blogs oder sonstigen Online-Mediums in unsachlichen Sumpf geraten sind, kommt sie daraus nie wieder raus („Sümpfe und Salons“ http://www.eurozine.com/articles/2011-05-03-passig-de.html).

    Vielleicht hülfe es, woanders loszudenken. Mir fiel nämlich ein, wie einmal ein Wirtschaftsmagazin jahrelang zu meiner Lieblingszeitschrift wurde, obwohl mich davor Wirtschaftsthemen fast überhaupt nicht interessiert hatten. Das Magazin ist brandeins, und ich weiß von vielen Frauen, denen es ähnlich ging. Bis heute nenne ich brandeins (provokativ) meine liebste Frauenzeitschrift auf dem deutschsprachigen Markt. Der feuilletonistische Stil war ganz sicher ein Grund dafür, außerdem gefielen mir die Gründlichkeit der Recherche (zu Zeiten, als die Lehrmeinung auf Bildchen, Bildchen, Bildchen setzte, kam brandeins mit endlosen Textseiten inklusive Marginalien und Fußnoten daher) und die gleichzeitig spielerischen Verdeutlichungen (auch die ohne Bildchen). Hülfe netzpolitik.org vielleicht eine Analyse des brandeins-Phänomens?

  4. Da stimmt ich kaltmamsell zu. Mir geht es mit der brandeins ähnlich. Die brandeins hat eine Chefredakteurin, in der dennoch überwiegend Autoren schreiben. Inhaltlich und stilistisch merkt man das jedoch kaum. Was die brandeins gut kann, ist Lebensnähe bei komplexen wirtschaftlichen Themen herstellen, das täte der netzpolitischen Berichterstattung vielleicht auch ganz gut. Das ist auch mein Ansatz für politische Kommunikation: denn bislang sind viele Dinge zu abstrakt, um sie greifbar zu machen. Eine Aufbereitung, in der man erklärt, welche konkreten Auswirkungen politische Konzepte im Alltag haben, hilft den Draht zu Bürgerinnen und Bürgern, Leserinnen und Lesern wieder zu finden.

  5. Netzpolitik. org wird von sehr vielen in diesem Land, die das Blog eigentlich lesen sollten, nicht gelesen. Das ist vielleicht weniger ein Problem der Geschlechter, eher ein thematisches.

    Ansonsten sind Frauen meiner Erfahrung nach grundsätzlich in der Masse deutlich unpolitischer unterwegs. Wäre das anderes, hätten Frauen in diesem Land heute schon ein ganz anderes Standing. Ich vermisse da generell Interesse, Aktivität. Von uns paar interessierten online laut aktiven Frauen ist kaum auf eine gesamte deutsche Frauenwelt zu schließen.

    Einige Argumentationen von Frauen, warum sie dort nicht kommentieren, kann ich nicht für mich nachvollziehen. Wenn mich etwas interessiert, habe ich immer kommentiert und ggf. in der Diskussion mal mehr, mal weniger ehrenhaft versucht meine Stellung zu vertreten. Fast hätte ich hier geschrieben „zu verteidigen”. Womöglich liegt es grundsätzlich in unserer Diskussionskultur. Diskutiert wird mit dem Zweck den anderen überzeugen zu müssen, Darlegung eigener Ansichten wird gerne als persönlicher Angriff gewertet. Das macht es nicht immer angenehm. Stimmt. Das ist aber kein Problem, dass Netzpolitik lösen kann, da müsste man früher in der kulturellen Kommunikationserziehung mit beginnen.

    Was Kaltmamsell schreibt ist natürlich völlig richtig: Ein Blog muss sich heutzutage hinsichtlich seiner Zielgruppen ausrichten. In allem. In der Gestaltung, im Inhalt, in der Kommunikation, in der Moderation. Pures Marketing. Aber: es ist nicht Aufgabe von Netzpolitik Leute hinter dem Ofen hervorzuholen, die per se aus den unterschiedlichen Gründen nicht trauen sich im Web eine Stimme zu geben. Das wäre dann eher etwas für eine Verhaltenstherapie.

    Der Hauptgrund, warum Blogs für die einen oder anderen keinen Stellenwert haben, ist die Ansprache. Hier also vorrangig im Text. Warum lese ich z. b. keine oder kaum Blog von jungen deutschen Feministinnen? Weil sie (meist) eine derartig hochintellektuelle abgehobene Sprache pflegen, die dem Inhalt meist weniger zugute kommt. Das ist keine Kritik, wer bloggt soll schreiben, wie er es für richtig hält. Aber wer mit seinem Blog auch bewegen möchte, muss sich natürlich schon auch überlegen: werde ich eigentlich verstanden? Und wenn ja, von wem werde ich verstanden? Nur von denen, die eh mit mir in meinem Thema drinnen sind, die wie ich sprechen? Oder hole ich auch die mit ins Boot, die es eigentlich von meinem Anliegen zu überzeugen gilt? Bleiben wir beim Beispiel feministische Blogs: wer für seine feministischen Leser ausschließlich bloggt, der wird eher nicht Menschen, die sich mit dem Thema nicht auseinander setzen oder gar kontra zum Thema eingestellt sind, überzeugen können – meist bekommen diese Menschen nicht einmal die Chance gegeben, verstehen zu dürfen.

    Das ist bei netzpolitik.org nicht anders, wer dort den ersten Zugang zum politischen Netzgeschehen sucht, ist vielleicht einfach sehr schnell überfordert. Vielleicht ist das Problem am ehesten lösbar, wenn man sich davon lösen würde, primär für die intellektuelle Online-Elite schreiben zu wollen?

  6. Ich kann nicht sagen, dass ich netzpolitik.org mag. Ich lese es, um mich zu informieren. Ich erspare mir aber, die Kommentare zu lesen. Weil diese jedesmal bereits nach kurzer Zeit in eine Stimmung abdriften, als ginge es um Glaubensfragen.

  7. netzpolitik.org war für mich eigentlich immer nur eine Informationsseite. Ich habe dort vielleicht mal ein-zwei Kommentare hinterlassen, aber nie diskutiert. Das war mir immer zu blöd, weil die Diskussion letztendlich null Effekt hatte.
    Ich glaube, dass das der Hauptgrund für die geringe Beteiligung von Frauen ist: Nämlich das dort viele von den „Diskutierenden“ keine große Lust haben, sich ernsthaft mit den Diskussionsbeiträgen anderer zu befassen. Wenn dann noch, wie kaltmamsell schreibt, Unsachlichkeit hinzukommt, warum soll ich dann dafür meine Lebenszeit opfern?

    Ein ähnliches Problem hat übrigens die Wikipedia. Streits (und sogar Streitschlichtungen) enden dort oft damit, dass sich einer der Streitenden genervt zurückzieht, weil kaum jemand gezielt auf einen Kompromiss hinarbeitet. Und da ist das Problem insofern noch gravierender, weil es dort oft um von einem selbst erstellte, gut öffentlich sichtbare Inhalte geht. Da ist man, denke ich, sowieso etwas empfindlicher.

  8. Gute Zusammenfassung, danke.

    Generell: Ich habe Netzpolitik früher sehr gerne gelesen und auch ziemlich lange, hatte jedoch immer das Problem, dass ich mit dem Lesen nicht hin hinterhergekommen bin, weil dort verdammt viel geschrieben wird (gefühlt um die 5-6 Artikel am Tag, sicher mal mehr, mal weniger). Damals hatte ich das Blog auch abonniert, aber wenn ich mal ein paar Tage nicht zum Lesen kam, erwartete mich mein FeedReader mit 50+ ungelesenen Artikeln – das fand ich auf Dauer zu anstrengend, selbst wenn ich meist nur Überschriften überflogen habe.

    Zeit zum Kommentieren blieb mir da nicht (meist war ich zudem mehrere Tage hinter dem aktuellsten Thema), aber wenn ich die Kommentare mal gelesen habe, klang das meiste das lackaffiger Besserwisserei. Musste ich mir nicht geben, zumal ich NP.org bald nur noch als Nachrichten-Portal genutzt habe, da mich die Artikel von ihrer Art her nicht zum Diskutieren einluden, sondern eher informeller Natur waren.

    Grundsätzlich aufgehört zu Lesen habe ich aber, weil ich a) die Sicht der Artikel oft als sehr einseitig und aus privilegierter Sicht geschrieben empfinde (z.B. die Post-Privacy-Debatten) und vor allem, weil ich die Assange-Beiträge als zu krass auf seiner Seite stehend empfand. Ist schon ’ne Weile her, aber das klang immer so, als wären das „natürlich wilde Anschuldigungen“ eines guten Kumpels – wenn ich das Wort „Vergewaltigung“ in dem Blog suche, spuckt es z. B. so gut wie nix aus, und das finde ich schon bezeichnend.

    Und apropos „Kumpels“: ein wenig anstrengend fand ich auch das konstante „Name-Dropping“ – mensch musste oft bereits wissen, wer diese ganzen netzpolitisch aktiven Leute sind, von denen geredet wird, ODER halt alle Einträge lesen (bzw. Google/Wikipedia bemühen), sonst wurde nicht immer klar, wer Person XY jetzt eigentlich ist, die wieder das und das gesagt/gemacht/geschrieben hat. Weiß nicht, ob das später anders wurde, weiß auch nicht, ob ich Lust habe, dem Blog noch mal eine Chance zu geben, da ich mir meine netzpolitischen Infos auch an anderer Stelle holen kann.

  9. wow. erstmal guter Artikel. Und ich habe mich selbst dabei erwischt, wie ich im Verlauf des Artikels mir gedacht habe, dass die obigen Zitate (exemplarisch um den Bezug herzustellen „Bunter, kreativer, abwechslungsreicher, nicht immer zu ernst – muss ja nicht gleich in Klamauk ausarten – und ganz wichtig: einen Bezug zum Alltag herstellen.“) wie weiter im Artikel beschrieben „unseriös“ wirken (ohne die sachliche Kompetenz in Frage gestellt zu haben). Dann kam der Vorschlag mit dem Feuilleton, was ich persönlich für eine sehr gute Idee halte. Und danach ist mit im Endspurt des Artikels klar geworden, dass es sich bei weiblicher und männlicher Herangehensweise nur um zwei verschiedene Methoden handelt um zu einem Ergebnis zu kommen. Jedoch sind diese Methoden aus meiner bescheidenen Sicht so konträr, dass sie nicht im gleichen Kommentarverlauf existieren können. Was mich wieder auf ein Feuilleton (oder auch eine andere Rubrik) bringt, als Plattform für Artikel und Kommentare die sich einer anderen Methodik bedienen.

  10. Lustig, ich hatte eigentlich, als die Diskussion aufging, vorgehabt, genau die Idee „Feuilleton“ bei Netzpolitik zu kommentieren, aber dann kam was dazwischen und ich verlor es aus den Augen. Umso schöner, dass die Idee hier nun prominent auftaucht.

    Für mich (als relativ regelmäßige netzpolitik.org-Leserin) ist es die meinem Empfinden nach häufig quasi abgeschlossene, ausschließlich auf spezifisch-thematische Informationsweitergabe reduzierte Form vieler Artikel, die mich die Seite eher „nur“ als Info-Medium denn als Beteiligungsblog ansehen lässt. Die Seite ist so für mich durchaus sehr nützlich, lädt mich aber eben nicht zu großartiger persönlicher Beteiligung ein.
    Warum? Nun, wenn ein Thema nur in sich mehr oder weniger abgeschlossen vorgestellt wird, lohnt es sich für mich oft nicht, zu kommentieren – das tue ich z.B. auch bei Online-Zeitungen fast nie, außer, es stößt mir wirklich etwas übel auf.
    Gerne begebe ich mich aber in echte Diskussionen, ob zum „Kernthema“ eines Blogs oder zu abseitigeren, aber nicht minder interessanten Themen, die vom Kernthema berührt werden und zu denen es nicht nur eine „Informationswahrheit“ gibt, sondern Meinungsvielfalt und Bedarf zu echtem Austausch.

  11. @puzzlestuecke
    Ich glaube, Du verwechselt da Blogs, dass unsere Post-Privacy-Auffassungen zu privilegiert waren und wir Assange immer als unseren Kumpel in der Schweden-Frage in Schutz genommen haben. Zumindest wundere ich mich, weil wir andere Positionen haben.

    Wie man sicher bei uns generell rauslesen kann: Wir haben dasselbe Kommentarproblem wie Heise. Wir haben aber auch keine Ressourcen, groß mit dem Rasenmäher durch zu gehen und groß Communitymanagement zu machen. Würden wir aber gerne. Die Kommentatoren haben wir uns nicht ausgesucht und am liebsten würden wir die Kommentare abschalten oder uns andere Kommentatoren wünschen. Wir schalten sie aber nicht ab, weil mindestens jeder fünfte oder zehnte Beitrag einen echten Mehrwert bringt. Aber dafür muss ich mir die anderen antun.

    Leserinnen und Leser brauchen das nicht. Die Kommentare sind echt das unrelevanteste bei netzpolitik.org, leider. Unser Leserinnenumfrage hat auch gezeigt, dass nur ein kleinerer Teil die Kommentare überhaupt liest. (Bei SpOn, Zeit.de oder Heise liest doch hier wahrscheinlich auch niemand die Kommentare).

  12. Was sicher auch eine Rolle spielt: Wir sind einfach zu groß für den Wunsch, ein Beteiligungsblog zu sein, wo alle schön miteinander diskutieren können. Und unser Anspruch ist nun mal, ein möglichst umfassendes Info-Medium zu sein, weil uns bewusst ist, dass wir nicht alles sein können und uns daher konzentrieren müssen.

  13. Wenn man „die meisten Männer“ statt „Männer“ meint, bedeutet das ja nicht, dass man nicht dasselbe Brett vorm Kopf hat – wobei in Anbetracht der ersten Kommentare hier ganz unterschiedliche Bretter im Umlauf sind.

    Wenn eine soziale Gruppe nicht erreicht wird, fehlt es an geeigneten Vermittlern. Und netzpolitik.org hat halt den Verlust von Jörg-Olaf Schäfers redaktionell nie verkraftet.

  14. Netzpolitik.org war mal gut.
    Inzwischen hauptsächlich Eigenwerbung für Newthinking und die DigiGes, außerdem reposts von Fefe und anderen Leuten die wirklich etwas neues schreiben.
    Und in letzter Zeit lauter Beweihräucherung des eigenen Blogs unter dem Titel „unser Blog soll schöner werden“.

    Davon abgesehen sei mal in den Raum gestellt, warum man wert auf eine Leserinnenquote legt. Man kann auch einfach schreiben wie einem die Schnautze gewachsen ist, und wem es gefällt der liest es. Ob männlich/weiblich sieht man dann ja, und wenn die Frauen andere Blogs zum Thema Netzpolitik lesen ist das ja auch kein Beinbruch. Bevor man sich verdreht sollte man lieber auf die Leser verzichten die nicht mit dem wie man ist umgehen können.

  15. Ein sehr schöner Artikel. Was ich zu bedenken geben würde: Es ist zu befürchten, dass Feuilletons oder offene Fragen zu viel deutlicheren Grabenkämpfen in den Kommentaren führen würde.

    Ansonsten würde ich mich dem Artikel und den Meinungen hier in den Kommentaren anschließen.

    Eine Sache würde mich noch interessieren:

    tessa :
    bislang sind viele Dinge zu abstrakt, um sie greifbar zu machen. Eine Aufbereitung, in der man erklärt, welche konkreten Auswirkungen politische Konzepte im Alltag haben, hilft den Draht zu Bürgerinnen und Bürgern, Leserinnen und Lesern wieder zu finden.

    Ist ein konkreter Alltagsbezug wirklich etwas, was Frauen brauchen, um sich für ein Thema zu interessieren? Selbst wenn man davon ausgeht, netzpolitik.org wäre abstrakt und nicht alltagsbezogen, die männliche Leserschaft scheint das ja nicht zu stören.

  16. „guten Kumpels – wenn ich das Wort “Vergewaltigung” in dem Blog suche, spuckt es z. B. so gut wie nix aus, und das finde ich schon bezeichnend.“

    Also bei mir spuckt es zumindest zwei Artikel aus, in denen es über Assange geht. Reicht das nicht, bei bisher unbewiesenen Anschuldigungen? So weit ich weiß wurde er nicht verurteilt, oder?

  17. Klasse Artikel, Dankeschön. Ich selber les auch gern Netzpolitik. Kommentare allerdings nur wenn ich Bauchweh haben will. Ich kann mir vorstellen dass sehr viel mehr Frauen Netzpolitik lesen, aber genauso wie ich nie einen Kommentar posten würden. Noch nicht mal aus Angst für dumm gehalten zu werden oder so, sondern einfach weil es wie Zeitverschwendung aussieht, die einen höchstwahrscheinlich auch noch böse aufregen würde. (Puzzelstueck’s Anmerkungen zum Thema Assange kann ich auch noch zustimmen)

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  20. Sowas könnte im “Feuilleton” aber ganz in Ruhe besprochen werden, ohne gleich die (absolut nötige) politische Klarheit ins Wanken zu bringen.

    Nein, könnte es nicht. Es würde trotzdem die politische Ausrichtung des jeweiligen Mediums in Frage stellen.

    Aus “Offen für alle” wird so klammheimlich “Offen für Nervbacken” – wieviel psychologisches Gespür dafür nötig ist, wissen inzwischen Millionen von Community-ManagerInnen[sic].

    Wenn man erst einmal mit einer strengen Zensurpolitik (ja ZENSUR!, nicht euphemistisch: „Moderation“) angefangen hat, schließt man ebenfalls viele Leute aus der Diskussion aus. Spätestens dann, wenn beim ersten womöglich geringsten Anlass der eigene Beitrag hopps geht…

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  22. Ich lese netzpolitik.org recht regelmäßig, als Infoportal finde ich es super. Allerdings keine Kommentare (mein Kommentar dazu bei sammelmappe wird oben im Text auch zitiert).

    Brand eins ist eine andere Nummer, wie die Kaltmamsell sagt, das finde ich teilweise richtig fesselnd. Die Artikel regen bei mir oft Gedanken an, sie sind Diskussionsgrundlage & häufig inspirierend für mich. Brand eins transferiert das Thema Wirtschaft in den Alltag – wo es eigentlich ja auch hingehört und praktiziert wird. So etwas vom Stil her zu Netzpolitik fände ich klasse (muss ja nicht netzpolitik.org sein).

  23. Pingback: Netzpolitik und Frauen passen einfach nicht zusammen — Carta

  24. Grundsätzlich ist Netzpolitik org keine schlechte Seite.
    Sie bietet viel Information über Abläufe die Man(n)/Frau nicht überall erfährt.
    Leider, und da muss ich „Jochen Hoff“ recht geben, steht sie sehr unter dem Einfluss von Herrn Beckedahl, der ihm nicht genehme Tendenzen oder gegenteilige Meinungen nicht immer gelten lässt und im Zweifel sie eben einfach löscht.
    Man darf eben nicht vergessen, das der Herr mit den „Grünen“ klüngelt und z.B die „EU Kommission“ immernoch as den Nabel der Welt betrachtet und deren Entscheidungen, die in den seltensten Fällen zum Vorteil der Bürger ausfallen einfach zu viel toleriert.
    Auch, weil er m.E einfach nicht in der Lage ist die Systemfrage zu stellen.

  25. Pingback: Stilblüten | Totschka – Auf den Punkt

  26. Ich habe netzpolitik noch nie gelesen ausser wenn Texte irgendwo verlinkt waren. Ich lese viel im Netz und habe ein Liste von Sites, die ich regelmässig abklappere.

    Heute war ich also das erste Mal direkt da und mein Eindruck war folgender:
    – sehr technisch.
    – Ich bin Softwarespezialistin und schon deutlich technikaffin, der Detaillevel schreckt mich aber ab
    – keiner der Texte, die ich auf dem ersten Blick gesehen habe, hat mich zur mehr als der Hälfte interessiert. Folglich habe ich auch nicht weiter gelesen
    – ich vermisse einen Abstract oder sonst irgendeine Layout-Massnahme, die dem Ganzen mehr Struktur geben würde (ähnlich wie z.B bei Carta)

    Hoffe, das war jetzt nicht ZU ehrlich und eventuell hilfreich

  27. Pingback: Linkspam aus der Backlash-Woche

  28. Biologisch bin ich männlich; und Netzpolitik.org les ich selten.

    Warum sollte eine Website vorsätzlich „femistischer“ gestaltet oder moderiert werden, wenn das meiste, was dort geschrieben oder kommentiert wird, mich kaum interessiert. Warum nicht stattdessen stärker „maskuliner“?

    Trotzdem noch mehr weniger selten lesen würde ich Netzpolitik dennoch nicht.

    Mir unverständlich ist, warum (m)ein Desinteresse an Netzpolitik(.org) durch Muschi- oder Schwanzträgereigenschaft bestimmt sein soll.

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