Reading the Riots – Guardian und LSE erforschen britische Krawalle

Hierzulande etwas anderes über Krawalle zu sagen, als dass die Beteiligten Chaoten ohne Sinn und Verstand seien und alle Gewalt frei von politischem Inhalt, führt automatisch zur öffentlichen Kreuzigung.

Anders in Großbritannien. Der Guardian hat, zusammen mit der London School of Economics, 270 Leute befragt, die dabei waren. Das ganze medial sehr hübsch aufbereitet. Sagte ich schon, dass ich einiges an Lebenszeit dafür gäbe, wenn es hier irgendwas entstünde, das dem Guardian auch nur nahe kommt?

Reading the Riots. Investigating England’s summer of disorder

http://www.youtube.com/watch?v=foTFwsb2l2M

Dasselbe ausführlicher, 18 Min.

Herausgekommen ist ziemlich viel Material. Ja, es waren Leute beteiligt, bei denen das politische Motiv ziemlich gründlich gesucht werden müsste. Bei anderen ist es deutlicher. Ich finde allein schon die Fragestellung spektakulär. Einen Überblick gibt David Cameron, the Queen and the rioters‘ sense of injustice. Letzte Woche fand die Reading the Riots Konferenz statt.

Vollends hat mein medienaktivistisches Herz die graphische Darstellung der Gerüchte bewegt, die sich per Twitter entwickelt haben: Riot rumours: how misinformation spread on Twitter during a time of crisis

Die Entwicklung des Gerüchts, der Londoner Zoo sei angegriffen und die Tiere seien befreit worden

Außerdem gibt es eine sehr fesch gemachte Timeline der Riots, jede Menge Interviews mit Beteiligten, aber auch 40 Seiten Text. Es waren übrigens gar nicht so wenig Frauen dabei.

Das Ergebnis: Auslöser der Krawalle waren die Arroganz der Eliten, Armut und Polizeigewalt.

3 Gedanken zu „Reading the Riots – Guardian und LSE erforschen britische Krawalle

  1. Die Britische Medienlandschaft hat die Aufklärung pervertiert. Dem Briten wird vorgegaukelt dass sich der Staat für den Bürger interessiert, man operiert mit Fragebögen, das Verständnis für die Anliegen der Bevölkerung ist eine Zeremonie, Skandale werden als Blitzableiter von sämtlichen ach so renommierten Britischen Medienanstalten zelebriert. Britannien kann sich diese pseudohafte Offenheit ohne weiteres leisten, denn der gewöhnliche Bürger hat trotz der sprichwörtlichen Redefreiheit der Briten nichts zu sagen. Britannien ist zu einem oppositionslosem System geworden. „In Wirklichkeit ist die (Britische) parlamentarische Demokratie nicht viel mehr als eine Art und Weise, von Zeit zu Zeit das Management-Team auszuwechseln, das ein System verwalten darf, welches unverändert bleibt“ (Tony Benn: Out of the Wilderness: Diaries 1963-67. Arrow 1988).
    Der Brite hat ein feines Sensorium für den Bildungsstand seines Gegenübers und weiss mit viel Respekt damit umzugehen, auch gegenüber dem Bildungsfernen. In der Schweiz wird derjenige belächelt, welcher immer nur den einen Song singt und scheinbar nichts anderes kann. Der Brite erhebt diesen, er singt eben diesen einen Song und erfährt dafür eine dankbare Erhöhung. Die Britische Oberklasse nutzt diesen Umstand perfid aus.
    Ich halte nicht viel von Guardian, BBC, Independent & Co. Stecken mit dem Londoner Finanzestablishment unter selber Decke.

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