Fragen zu Auto-Brandstiftungen

Es gibt Geschichten, die könnte das Leben nicht besser schreiben.

Andre H. aus Berlin-Moabit also hat die Autos angezündet. Dass bei uns heute noch nicht das Telefon geklingelt hat, liegt wohl nur daran, dass er kein Soziologie-Student, sondern Hartz IV-Empfänger ist. James Braun hat ihn gefangen.

Seit der Erfolg der Berliner Polizei gemeldet wurde, frage ich mich, wann denn ein bisschen Demut seitens der verbalen Brandstifter zu sehen sein wird? Noch in der Aktuellen Stunde zu linksextremistisch motivierter Gewalt letzten Donnerstag im Bundestag wurden wieder die linksextremen TäterInnen beschworen. Das ist an sich schon eine demagogische Schweinerei, weil ja selbst die Polizei sagt, dass sie in der Regel nicht wissen können, wer die Autos anzündet. Und dann eben ab einer bestimmten Preisklasse davon ausgeht, dass es wohl ein politisches Motiv sei, ergo: Linksextremisten.

Für die Fahnder bestätigt sich mit der Festnahme die oft geäußerte Vermutung, dass der Großteil der Brandstiftungen nicht von extremistischen Tätern begangen wurde. (Berliner Morgenpost)

Wird dann jetzt eigentlich die Statistik korrigiert, die mit den Prozentzahlen zu linken TäterInnen??

Andererseits: der Sprecher der Gewerkschaft der Polizei ist pflegt, von Fakten unbeeindruckt, das Stereotyp:

Brandanschläge bleiben ein Mittel der öffentlichen Aufmerksamkeit auch für extremistische Kräfte. (Focus)

Das Motiv, der Sozialneid des Hartz-IV-Empfängers, der mit seiner kranken Mutter in einer Wohnung lebt, könnte natürlich auch politisch interpretiert werden. So weit zu gehen, den Ärger der Armen als linksextrem zu definieren, sind wir allerdings noch nicht.

Und dann lese ich, dass der Täter seit dem 23. August bekannt war. Seit Ende August dann wurden die 150 Berliner FahnderInnen von der Bundespolizei unterstützt (Handelsblatt). Einen Monat vor der Abgeordnetenhaus-Wahl in Berlin. Hallo?

Die verschiedenen mit großer Fanfare präsentierten ‚echten‘ Linksextremen wurden doch immer gleich auf der Straße festgenommen, ohne sich weiter groß mit Beweisen aufzuhalten – und jetzt wird zwei Monate gewartet? Wie erklärt sich das denn?

Zugegeben hat der die Taten „nach beharrlichen Befragungen“ (Berliner Zeitung, Print).  Hat den ein Arzt gesehen hinterher?

Und schließlich: Im Spiegel ist von insgesamt 470 beschädigten Fahrzeugen in Berlin in diesem Jahr die Rede, in Brand gesteckt worden seien 341. In der Berliner Zeitung ist im selben Artikel von 550 beschädigten Fahrzeugen  und dann in einem zusätzlichen Kasten von 470 angezündeten plus 183 beschädigten Autos die Rede (macht 653). Der schon zitierte GdP-Sprecher der Festgenommene behauptet, der Festgenommene sei nicht mal für ein Zehntel der Brandstiftungen verantwortlich. Damit wäre wir bei mindestens 700-1000 Autos dieses Jahr, je nach Zählweise.

Mal sehen, wie das bis zur Ernennung des neuen Berliner Innensenators weitergeht.

9 Gedanken zu „Fragen zu Auto-Brandstiftungen

  1. Pingback: Berliner Autobrandstifter war frustriert

  2. ja, der kollege andre ist nach seriösen medienzahlen für ein fünftel der brandanschläge auf privat-pkw im laufenden jahr verantwortlich. wann findet die berliner polizei endlich die anderen vier?

    mal ganz ehrlich: wegen fünf aus verständlichen gründen sozialneidischen menschen so ein aufwand, so eine propaganda, so viel forderungen nach gesetzesverschärfungen und mehr personal bei der polizei – das ist doch schamlos übertrieben.

  3. Ich hätte da auch noch ein paar Fragen hinzuzufügen: Ganz spannend finde ich auch, das sie auf den Täter gekommen sind, weil er wohl mehrmals mit dem ÖPNV hin und zurück gefahren ist und auf den Videos entdeckt/wiedererkannt wurde. Wenn ich jetzt die Zahl der Brandstiftungen mit der Zahl der ÖPNV-Verbindungen in Berlin und die wieder mit der Zahl der Menschen die diese benutzen multipliziere und nochmal bedenke wieviel Kameras und dementsprechend Videos da anfallen, frage ich mich doch, wem auffällt, wenn jemand mehrmals dort auftaucht. Haben sie dort einen Menschen mit Asperger-Syndrom sitzen, der in der Lage ist sich eine qudtrillionen Gesichter zu merken? Oder läuft über die ganze Kameraüberwachung eine biometrische Gesichtserkennung? Gäbe es für sowas (rein hypothetisch gesprochen) eine Rechtsgrundlage? Wenn ja, fänden wir das gut? Fänden wir das gut nur gegen Terror oder auch bei schwerer Sachbeschädigung. Wie siehts aus bei schwerer Sachbeschädigung mit vermutetem politischen Hintergrund?

  4. Wenn die BVG damals die Videos nur 24 Stunden gespeichert hat (soll ja jetzt auf 48 Stunden erhöht werden), wie konnte die Polizei dann im nachhinein so viele Videos auswerten? Oder verstehe ich da was falsch?

  5. Die Überwachungsfrage ist wirklich sehr spannend. Alle Artikel die ich dazu las sind sehr unscharf, was die Ermittlung angeht.

    Wo hast du denn das mit dem 23. August gelesen? Ich konnte das nirgendwo finden.

  6. a) Die Aufbewahrungszeit von 24h/48h gilt nur, wenn nichts passiert ist.

    b) Im Extremfall hat man 2 Aufzeichnungen genommen, die zeitlich und räumlich ähnlich schienen (sagen wir Fr. 23:20 und zwei Wochen später, Fr. 23:40 Uhr, beide Male in Wedding/Moabit), hat die verglichen, und dabei eine Person gesehen, die ähnlich aussah. Davon ausgehend dann weitere Videos untersucht, ob man diese Person wiedererkennt – beginnend mit Berlin-Nord und Tatzeiten Fr. nachts.

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