Polizei Sachsen: Because we can!

By Cepheiden (Own work) [GFDL (www.gnu.org/copyleft/fdl.html) or CC-BY-SA-3.0 (www.creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons, http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Dresden_-_Polizeipraesidium_--_Haupteingang.jpgUpdate: Der sächsische Daten-Gau weitet sich zum Super-GAU aus: Nach Recherchen des MDR ist die massenhafte Datenspeicherung mind. seit 2009 in Sachsen Usus. Für die Handy-Daten-Überwachung ist ein Sonderbericht des Innenministeriums bis Freitag angekündigt.

Selbstbewusst verkündet heute die Polizeidirektion Dresden die „rechtmäßige“ Auswertung von 138.000 Handyverbindungs-Datensätzen, erhoben am 19. Februar 2011. Das sehen nicht alle so: „Der massive Verstoß gegen geltendes Datenschutzrecht verblüfft sogar die Staatsanwaltschaft.“ (Süddeutsche). Auch der Sächsische Datenschutzbeauftragte ist nicht amüsiert, immerhin hat er erst aus der taz von der Angelegenheit erfahren, und hat der Dresdner Staatsanwaltschaft bis Donnerstag Zeit gegeben, sich zur Sache zu äußern.

Das Ganze lässt sich ziemlich einfach zusammenfassen: In Sachsen gibt es ein Nazi-Problem, nicht erst seit gestern und tatsächlich ernst. Einige mutige Menschen versuchen, dort die Demokratie zu retten und Sachsen wieder zu einem Land zu machen, in dem alle (über-)leben können. Viele versuchen das regelmäßig im Februar, wenn es jedes Jahr einen Nazi-Aufmarsch gibt, der sich mit meiner Vorstellung von Demokratie jedenfalls nur schlecht vereinbaren lässt. Und wer wird mit Verfahren überzogen, zuletzt knapp 40 Personen wegen angeblicher Bildung einer kriminellen Vereinigung nach §129 StGB? Jedenfalls nicht die Nazis. Das alles spricht Bände über das Rechtsstaatsverständnis der sächsischen Innenbehörden.

Und nun das: Bei Protesten gegen Neonazis wurden in Dresden zehntausende Handydaten erfasst, schrieb die taz.de gestern. Konnte die PD Dresden nicht auf sich sitzen lassen und korrigierte: 138.000!

Da durch die Provider ausschließlich die Verbindungsdaten der gesamten Funkzelle mitgeteilt werden, kann nicht vorab unterschieden werden, ob es sich bei dem Anschlussinhaber um Anwohner, Gäste oder aber Zeugen oder gar Beschuldigte handelt. Dies ergibt sich erst im Verlauf der weiteren Ermittlungen.

Unser aller Regierung findet, dass das jetzt rechtlich untermauert gehört und plant gerade die gesetzliche Grundlage für die nächste Fassung der Vorratsdatenspeicherung. Und voran schreiten singend die Post-Privacy-Jünger und fordern: Vorratsdaten für alle! Stellt Euch nicht so an!

Die parlamentarische oppositionelle Empörung bricht sich  Bahn: Handy-Überwachung hat Nachspiel.

Ich frage mich, wann Sachsen als solches im Verfassungsschutzbericht auftaucht.

Die Berichte vom Tage:

Bild: By Cepheiden (Own work) [GFDL or CC-BY-SA-3.0 , via Wikimedia Commons

22 Gedanken zu „Polizei Sachsen: Because we can!

  1. So sehr ich deinem Artikel auch zustimme, bei dem Seitenhieb auf die Spackeria musste ich dann doch mal innehalten.

    Die Post-Privacy-Bewegung unterscheidet ganz klar zwischen freiwilliger Post-Privacy und aufgezwungener Post-Privacy. Und aufgezwungene Post-Privacy ist auch unter den Spackos ein No-Go. Jedermann (ja, ich lasse das jetzt ungegendert) sollte selbst entscheiden können, was er mit seiner Privacy macht. Diese Entscheidung wurde ihm hier von der Polizei abgenommen. Das ist kein bisschen mehr Post-Privacy.

    Zeig mir doch mal den Spacko, der gerade über dieses Thema jubelt, und aufgrund der Botschaften, die heute aus Baden-Württemberg einen Sekt aufmacht, und ich lasse mich eines besseren belehren. 😉

  2. @Simon
    Mag ja sein, dass ich das alles falsch verstanden habe, aber bisher hatte ich den Eindruck, als ob z.B. die Google Street View-Geschichte ein Kristallisationspunkt für post-private Aktivitäten waren, und da war die freiwillige Entscheidung derjenigen, die ihre Häuser da nicht drin haben wollten, doch genau der Stein des Anstoßes.

  3. @anne Nur das eine Fassade keine Personenschutzrechte hat. Wer nicht möchte, dass man sein Haus anschaut (egal über welches Medium) muss es verhüllen.

    Und ich finde es ist immer eine andere Qualität, ob man selbst entscheidet, was man von sich preisgeben will – oder, ob jemand anderer für mich entscheidet.

    Aber was ja schön ist an der Geschichte:
    Ich muss bald nicht mehr zum Demonstrieren gehen. Es reicht, wenn ich mein Handy hinschicke.

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  6. @anne
    Ja, da scheint ein Mißverständnis vorzuliegen. Hausfassaden sind keine schützenswerten persönlichen Daten, die perrsönliche Kommunikation ist es sehr wohl. Und es macht einen Riesenunterschied ob ich jeden gesetzten Haufen auch für die Polizei readable twitpic-ke oder ob man einfach mal nachschaut mit wem ich denn so telefoniert hab, und mich erwischt, weil ich halt grad in der Gegend wohne, wo der braune Mob sein Unwesen treibt. Simon hat das schon schön gesagt. Ich als „Post-Privacy-Spacko“ kritisiere, das sich Datenschützer mit sinnlosen Nebenkriegsschauplätzen wie IP-Adressen in AdSense auseinandersetzen, die Erfolge in der eigentlich notwendigen Agenda aber dan doch recht überschaubar sind. Staatliche Überwachungsmaßnahmen, denen man sich nicht entziehen *kann*, lehne ich ab.

  7. @Lioman
    StreetView filmt die Straßen in einer Höhe, die kein Passant erreicht. StreetView ermöglicht es quantitativ so viel abzudecken, was nie ein Passant selber erreichen könnte. Ein Mensch kann nicht mal eben nach San Francisco springen oder Berlin oder sonst wo hin. Deshalb zieht das Argument so gar nicht, dass man ja auch durch die Straßen gehen kann und die Fassaden entsprechend öffentlich sind. @anne: Entschuldige, dass ich auf das StreetView Thema eingehe. Tatsächlich tue ich es zum ersten mal.

  8. @Lioman
    Noch einen Zusatz, damit der Bogen klar wird. Es geht nicht um Fassaden. Das bezieht sich lediglich auf Städte, bei denen nur Fassaden zu sehen sind. In Dörfern werden ganze Einfahrten, vorgärten usw. gezeigt. Wo ist dann die Grenze zum privaten?

  9. Das was hier geschehen ist, ist doch mehr als die VDS ursprünglich machen sollte, nicht?
    Gespräche, SMS … alles wurde ausgewertet, eine Abhöraktion die auch nicht betroffene traf, 130000 mehr?
    Die ursprüngliche VDS hätte „lediglich“ das „Wann mit Wem“, also IP zu IP, Telefonnummer zu Telefonnummer und die Zeiten dazu, aber ohne Dateninhalt gespeichert, nicht?
    Gut soweit! Ich mein‘, so habe ich die VDS verstanden, den restlichen Brimborium lasse ich mal wech!
    … und genau diese VDS hat das Bundesverfassungsgericht als Verfassungswidrig erklärt, nicht?
    … das PD Dresden hat aber noch eines Drauf gesetzt … sie hat die Datenströme (Audio, Video, Text) mit Aufzeichen lassen!

    Was sagt denn eigentlich das Bundesverfassungsgericht dazu?
    Hat schon Jemand diese Leute gefragt?
    Wissen die Richter denn schon von diesem Verfassungsbruch?
    Ich mein‘ … diese Leute haben ein rechtskräftiges Urteil gesprochen … und wenn ein Normalbürger wissentlich so massiv dagegen verstoßen würde, dann wären diese Hüter der Verfassung doch genötigt gegen das vorsätzliche missachten des Grundgesetzurteils dieses Bürger vorzugehen, nicht?
    … oder muss man erst als Geschädigter bei der Polizeidirektion Dresden eine Anzeige einreichen?

    Ich meine, hier geht es nicht um eine gerade kleine Gesetzesübertretung des Zivil-oder Strafrechts … es geht hier um die Verletzung unserer Grundrechte … und ein massiver Verfassungsbruch kommt noch dazu!

    Ich sehe das so, Ihr nicht?

    Ich lasse mich gern belehren … nur zu!

  10. @Felix
    Auch Einfahrten, Vorgärten usw. haben keine Privatsphäre und ihre Abbildung gehört nicht zu den vom Datenschutz befassten Bereichen.
    Wenn Du Deine Auffahrt aus dem von der Panoramafreiheit betroffenen, öffentlichen Raum entfernen möchtest, dann errichte nen Sichtschutz. Dann macht das böse Googleauto auch kein Foto Deiner Hauswand.
    Wenn Du hingegen nackt rumstehen willst, aber nicht willst, dass das wer sieht, dann ist Deine Auffahrt und Dein Vorgarten sicherlich nicht der richtige Ort.

  11. Vielen Dank für den Artikel – vor allem für die Belege per Link (die richtigen 🙂 Journalisten schaffen das nur selten) und die Sammlung der Berichte.

    BTW: So sehr ich die Dresden-Proteste unterstütze, so wenig muss man diese hier so positiv heraus heben. Der Witz an den Bürgerrechten ist ja gerade, dass sie nicht nur für die Guten gelten. Die Verletzung der Rechte derjenigen, die an diesem 19.02. eventuell auf der Gegenseite demonstriert haben oder sogar nur in ihrer Wohnung saßen ist nicht weniger gravierend. Just sayin‘

  12. Ich teile die Empörung über die retrograde Erfassung der Verbindungsdaten, allerdings finde ich die Darstellung des Auslösers der Aktion nicht genügend gewürdigt. Für mich gehört in diese Diskussion neben der notwendigen Betonung des ernsthaften Dresdner Naziproblems nämlich auch das Problem der militanten Demonstranten, die da in großen Gruppen ohne Not Straßenschlachten provoziert haben.

    Da hätte ich mir von Anne hier mehr erwartet. Nämlich wenigstens ein kurzer Hinweis darauf, dass die Mädels und Jungs, die da bewaffnet mit Stangen und Knüppeln zu Scharen aus ihren Bussen sprangen um ganze Straßenzüge zu demolieren, sich da ganz eindeutig mal ordentlich daneben benommen haben (wer nicht dabei war, kann das übrigens in epischer Breite auf youtube nachvollziehen). Und zwar nicht vereinzelt und ausversehen, sondern mutwillig und zu hunderten. Ergo: Strafverfolgung finde ich auch hier notwendig und angezeigt, die sichtbaren Mittel (die Razzia beim Roten Baum zähle ich dazu) sind natürlich völlig daneben.

  13. also scharen von demoteilnehmenden, die schon bewaffnet aus den bussen kamen, habe ich in dresden nicht gesehen. dass es zu sachbeschädigungen und angriffen auf polizisten kam, schon, aber das war nicht die mehrheit der immerhin um die 20.000 menschen, die da waren. alles andere ist eine verzerrung der tatsächlichen geschehnisse, die mensch lieber dem sachsenspiegel und anderen boulevard-medien überlassen sollte.
    die frage ist ja inwiefern diese sachverhalte eine maßnahme wie funkzellenüberwachung rechtfertigen und ob die polizei nicht vielleicht andere – grundrechkonformere – mittel hätte nutzen können.

  14. Francis :
    Der Witz an den Bürgerrechten ist ja gerade, dass sie nicht nur für die Guten gelten. Die Verletzung der Rechte derjenigen, die an diesem 19.02. eventuell auf der Gegenseite demonstriert haben oder sogar nur in ihrer Wohnung saßen ist nicht weniger gravierend. Just sayin’

    immer wieder dasselbe durchgekaute zeug^^.

    wenn die einen das recht auf eine demo haben, hat eine eventuelle gegenseite auch das recht zu einer gegendemo. schlicht und einfach. durch eine gegendemo wird das grundrecht keiner seite verletzt, denn das beinhaltet nicht die geplante marschroute zu 100% ablaufen zu können – demonstrieren durften beide seiten.

  15. @tante
    Kein Mensch behauptet, daß Hausfassaden, Einfahrten, Vorgärten usw. eine Privatsphäre hätten.
    Die Menschen, die dort leben, haben hingegen eine.

    Und daß die Panoramafreiheit einer Zeit entstammt, als mal ab und an ein Foto gemacht wurde und das ein qualitativer Unterschied zwischen einem solchen gelegentlichen Foto zu einer vollindizierten Datenbank besteht, bestreitet von den „Aluhüten“ keiner.
    Aber die haben ja auch nicht die rosa Spacko-Brille auf…

  16. @mechko
    Ich hätte es schön gefunden, wenn Du Dich wenigstens zu meinem Hinweis auf die Belege bei youtube nochmal kurz positioniert hättest.

    So bleibt der Eindruck, dass Du zwar zur Teilnahme einer Demonstration aufrufst, dann jedoch selbst nicht teilnimmst, dann in Deiner Nachbetrachtung einen wichtigen Aspekt unterschlägst, und dann meine belegbare Beurteilung als Teilnehmer als „Strangen Kommentar“ abwertest. Schade.

  17. Narf. Ich kann mit dem Blogdings hier nicht umgehen, der letzte Kommentar war natürlich nicht als Replik auf mich selbst gedacht, sondern an Anne gerichtet.

  18. Pingback: news 23.6.2011 « Botchjob

  19. @Sempralon
    Es geht um mehr als wie um Vorratsdaten, aber nicht weil sie die Inhalte der Gespräche ausgewertet haben. Denn die werden nicht aufgezeichnet, dass wäre wohl sonst illegal. Sonder weil zusätzlich zu den Verbindungsdaten (Wer telefoniert mit wem von welcher Zelle, wer simst wem von welcher Zelle) auch die technischen Daten der lokalen Verbindungsverwaltung gespeichert wurden. Durch die technischen Daten für die Herstellung eines Telefongespräches lässt sich der Standort innerhalb der Funkzelle relativ genau bestimmen. Zudem sind auch noch die Daten von den Personen erfasst, welche nur ihr Handy angeschaltet hatten, aber keine Gespräche geführt hatten. Denn jedesmal wenn ein Handy in eine neue Funkzelle kommt, sagt es quasi Bescheid. Zusätzlich meldet sich das Handy je nach Mobilfunkbetreiber noch alle 1-4 Stunden auch wenn es die Funkzelle nicht verlässt.
    Bei dem OBI-Markt haben sie dann anscheinend alle in der Funkzelle des OBI-Marktes sich befindlichen eingeschalteten Handys genommen wenn gerade nach Kassendatenbank die ominöse OBI-Kiste gekauft wurde. Ob dann geschaut wurde, ob irgendjemand davon antimilitaristisch politisch aktiv ist und wenn ja ob er dann näher überprüft wurde oder ob die Daten mit den Handy-Daten bei der Kaseren abgeglichen wurden, ist nicht bekannt.
    Auf jedenfall auch demnächst beim Baumarkteinkauf das Handy lieber zu Huase lassen !

  20. @Felix
    Doch das ist möglich! du kannst dich schnell in einen Flieger setzen und hinfliegen, und dir das ganze anschauen. Das kostet Geld und Zeit, aber es ist möglich – keiner hindert dich daran. Der Faktor Internet vermindert nur den Aufwand (hinkender Vergleich an) Das Flugzeug ist ja auch gein Datenschutzhindernis, nur weil man ja jetzt mit viel weniger Zeit und Aufwand Reisen kann als mit dem Schiff (Hinkender Vergleich Ende) Du kannst dir sogar ein Stativ besorgen und Bilder aus einer Höhe machen, die über der deiner Augen ist.

    @tante
    Stimmt
    @michauch
    Mag sein, dass es ein Qualitativer Unterschied, es ist aber eher ein Quantitativer und ganz sicher kein rechtlicher.
    Google verknüpft ja nicht mit personenrelevanten Daten. (Im Gegensatz zu dem hier: http://www.lioman.de/google-ist-boese-die-telekom-nicht/ )
    Ich finde es extrem wichtig, dass öffentliches öffentlich bleibt (Allgemeingut) Nutzbar für jeden egal mit welchem Medium und Privates muss Privat bleiben, da darf auch kein Staat einfach mal so Bewegungsprofile von ganzen Stadtbevölkerungen machen

    @all
    Die Diskussion führt hier aber zu nichts, denn es geht wirklich um etwas komplett anderes.
    StreetView und SachsenView haben nichts mit einander zu tun.
    Die einen fotographieren kommerziell öffentliche Gebäude = legal
    Die anderen holen sich ohne jegliche rechtsstaatliche Scheu Daten von Personen, die in keinster Weise an einem Verbrechen beteiligt sind. Aus 800000 Datensätzen lassen sich sehr genaue Bewegungsprofile erstellen – das finde ich mehr als Bedenklich und als Bewohner der Region würde ich mir überlegen ob es nicht Sinn macht einfach mal zu klagen.
    (Schade, dass es bei uns nicht das Instrument der Sammelklage gibt)

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