Der gemeine Linksextremist (in NRW)

Julia Seeliger hat was gefunden, das ist so schön, dass ich mal ganz unkreativ vollständig kopiere:

Schwarz-gelber Antifaschismus

Schon stark, wie Schwarz-Gelb in NRW “Antifaschismus” definiert. Aus
dem vom Innenministerium des Landes NRW (unter den Fittichen von Ingo
Wolf, FDP) herausgegebenen “Andi“-Comic (Band 3
Extremismus).

www.andi.nrw.de/andi3/Comic/andi3_comic.htm, Comic des Innenministerium NRW

"Aufklärung über die Hitler-Diktatur und die Bekämpfung
des Rechtsextremismus sind in der Bundesrepublik auch eine staatliche
Aufgabe und eine wesentliche Grundlage für die politische Arbeit
demokratischer Parteien und Organisationen. Klar ist: Alle Demokraten
sind gegen Extremismus, von “rechts”, “links” oder sonstwoher."

Antifaschismus

"Was hat es denn zu bedeuten, wenn Linksextremisten sich
als “Antifaschisten” bezeichnen? Linksextremisten verstehen sich nicht
einfach als Gegenpol zu den Rechtsextremisten. Mit dem Begriff
“Antifaschismus” verfolgen sie weitergehende Ziele. Im Zentrum ihrer
Ideologie steht die Bekämpfung des Staates und des Kapitalismus, in dem
sie die eigentliche Ursache oder Wurzel des Faschismus sehen. In
diesem Sinne beteiligen sie sich oft an Demonstrationen gegen
Rechtsextremisten oder veranstalten diese selbst: nicht, um die
bestehende demokratische Ordnung zu stärken, sondern um zu beweisen,
dass ihre Ideen besser als die jetzige Staats- und Wirtschaftsform sind.

Vor allem sprechen Linksextremisten mit dem Slogan “Faschismus ist
keine Meinung, sondern ein Verbrechen” ihrem politischen Gegner alle
demokratischen Rechte ab, zu denen natürlich auch das Recht zu
demonstrieren gehört.

Die autonome Antifa wendet sogar unter der Parole “Antifa heißt Angriff”
bei ihren Aktionen häufig Gewalt an. Diese richtet sich dann sowohl
gegen tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten als auch gegen
die Polizei, die das demokratische Recht aller Bürger – also auch von
Rechtsextremisten – auf friedliche Demonstrationen schützen muss."

(Quelle: Zeitrafferin, die Zitate unter dem Bild sind der Originaltext des Comics)

Soweit die Propaganda des Innenministeriums Nordrhein-Westfalen. Der Band 3 ist der Band zu Linksextremismus, es gibt auch noch Bände zu Rechtsextremismus und Islamismus, die sicher genauso tiefschürfende Analysen enthalten.

Ein bisschen überraschend finde ich schon, dass ein (Innen-)Ministerium in diesem Land offenbar Faschismus nicht für ein Verbrechen hält und auch kein Problem damit hat, diese Haltung in einem Comic zu verbreiten, der sich an Jugendliche richtet. 

Die Interpretation, dass Antifa-Demos gar nicht das Ziel hätten, Nazis zu bekämpfen, sondern die Antifas bloss ihre eigenen Ziele durchsetzen wollten, kommt mir ein bisschen weit hergeholt vor. Ich würde denken, dass es für sowas angenehmere Methoden gibt, und auch für "Staatsfeinde" nachvollziehbarere, als stressige Auseinandersetzungen mit Nazis und Polizei, die sich der unbeteiligten Umgebung eh in der Regel nicht wirklich vermitteln. Und deswegen eher ungeeignet sind, um politische Ziele zu erreichen.

Die Idee, dass die tatsächlich beweisen wollen, dass ihre eigenen "Ideen besser als die jetzige Staats- und Wirtschaftsform sind", kommt mir auch nicht besonders verwerflich vor. Ist das nicht das Ziel jeglicher politischer Aktivität? Will nicht selbst Herr Westerwelles FDP beständig erreichen, dass die aktuelle Staats- und Wirtschaftsform dahingehend geändert wird, dass endlich der lästige Sozialstaat soweit abgeschafft wird, dass man sich nicht immerzu um die Folgen der (Neo-)Liberalisierung kümmern muss?

Angenehme Lektüre. Die Comics können, wie alle anderen Broschüren des Verfassungsschutzes NRW, hier bestellt werden. Für die politische Bildung sehr empfehlenswert.

20 Gedanken zu „Der gemeine Linksextremist (in NRW)

  1. Sorry, aber ganz unrecht haben die nicht mit dieser Darstellung des schwarzen Blocks/Antifa-Anhängern. Man muss nicht immer davon ausgehen, dass alle Rechtsgegner intelligente Menschen sind. Viele von ihnen sind profillose Dummschwätzer, die sich nur nach einem Gruppengefühl sehnen. Natürlich gilt das nicht für die Mehrheit, aber doch schon für eine nicht kleine Minderheit.

  2. Ich für meinen Teil bin froh das sich jemand, auch grenzwertig, für meine Rechte einsetzt, denn ich sitze ja hier und schreibe nur doofe Kommentare in Blogs und bin schon ein bischen Scared wenn ich so höre was passieren kann wenn man mal nach draussen geht (z.B. demonstieren). Alles was radikal Anders ist, also ganz anders, wird hier im Land unterdrückt, zur Not auch mit Gewalt.
    Ich für meinen Teil kann gut damit leben wenn ein paar Irre mit No-Nato Schildern rumlaufen oder dagegen sind wenn Großkonzerne sich Wohnviertel mit durchaus zu kritisierenden Methoden aneignen.
    Leider gibt es seit ein paar Jahren da schon so was wie eine kritische Presse leider nicht mehr wirklich, was so Bewegungen wie dem schwarzen Block natürlich Menschen zuführt. Qualitätsjournalismus my Ass btw. Wenn nicht Blätter wie der Spiegel einen aum abseits der „Mitte“ komplett frei lassen würden wäre die Situation nicht so wie sie ist. Ich für meinen Teil bin vor kurzem darauf gekommen das ich als Leser von „Konkret“ auch schon ganz schön weit Links angekommen bin.
    Ins selbe Horn wird a auch beim Thema Islamismus gestossen. Beinahe 10 Jahre gezielte desinformation durch die Medien haben einen wahrscheinlich nicht wiedergutzumachenden Schaden hinterlassen. Wer kann den noch zwischen Islam und Islamismus unterscheiden?
    Aber schön as es Blogs gibt, wo man sich noch recht gut informieren kann. Die gleichgeschaltete Presse tut es nicht.

  3. Gerade nochmal durchgelesen. Wahnsinn, da wird ja so einiges, was es an radikal linken Verlautbarungen in den letzten 100 Jahren gab, durch den Wolf gedreht und neu zusammengesetzt. Respekt. Da war „The Treasure Chest“ ja noch seriöser:
    http://www.archive.org/…ils/ThisGodlessCommunism

    Schön finde ich allerdings, das „Autonome Zentrum“ direkt neben einem Buchladen zu postieren, hihi! Sitzt da ein U-Boot im Innenministerium?

  4. @ attica: Natürlich ist die Linke und die Antifa nicht vor Deppen geschützt. Aber die Gleichsetzung von Linsextremismus mit Rechtsextremismus unter dem gemeinsamen Extremismuslabel ist schon relativ bedenklich. Wenn die Tendenz dann noch in die Richtung geht, dass Nazis als Menschen mit einer Meinung dargestellt werden, die durch das Grundgesetz geschützt ist und andererseits diejenigen, die diese „Meinung“ nicht tolerieren wollen als Verfassungsfeinde, dann ist aus einer mehr als fragwürdigen Gleichsetzung, eine Schieflage zugunsten von Ausländerhass und Völkermord geworden. Mal eben so unter dem Deckmantel der „Aufklärung“.

  5. Zugegeben, aber macht ja nichts, oder? Es gibt bestimmt auch sonst noch ganz viel, was nicht mehr frisch ist und trotzdem wert, nochmal aufgewärmt zu werden.

  6. Aus dem Satz

    „Vor allem sprechen Linksextremisten mit dem Slogan “Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen” ihrem politischen Gegner alle demokratischen Rechte ab, zu denen natürlich auch das Recht zu demonstrieren gehört.“

    schließt du,

    „dass ein (Innen-)Ministerium in diesem Land offenbar Faschismus nicht für ein Verbrechen hält“

    Wie machst Du das?

  7. viele menschen sind den aktiven antifaschisten, die echt bei jedem wetter sich auf demos mit polizei und rechten abgeben, dankbar. ich auch. lustig, dass das innenministerium so undankbar ist und sich gleichzeitig beschwert, dass die jugend so politisch-apatisch ist.
    diejenigen, die ernsthaft die brd zersetzen wollen, lassen sich von dem ollen comic sowieso nich abbringen, aber die evtl. demokratiemittragenden und -kritischen jugendlichen werden abgeschreckt.
    der comic verstaubt sowieso neben flyern in behördengängen.

  8. „viele menschen sind den aktiven antifaschisten, die echt bei jedem wetter sich auf demos mit polizei und rechten abgeben, dankbar.“

    Es kommt darauf an, welche Antifaschisten nun gemeint sind. Ich selbst ärgere mich über Linksautonome und Punks, die es immer wieder schaffen, die Schlagzeilen zu bestimmen – als „Chaoten“. Das schadet der Sache erheblich.

    Ich selber habe auch so meine Zeit in der linken Szene zugebracht. Mich stört deren Militanz, ihre nervtötend selbstgerechte und rechthaberische Art, ihr pseudotheoretisches Gehabe und nicht zuletzt dieser Anti-Polizei-Reflex. Die Polizei zu bekämpfen ist idiotisch, weil völlig uneffektiv. Aber das sitzt so tief, dass schon der Anblick von Polizei gewisse Reaktionen hervorruft.

    Dumm ist allerdings die einseitige Darstellung durch das NRW-Ministerium. Da wird einfach ein Pauschalurteil gefällt. Das ist ziemlich geistlos.

  9. ja leider scheinst auch du nicht ganz frei von pauschalurteilen zu sein. ich bin weder militant, noch halte ich mich für rechthaberisch. die normative zuschreibung als chaot lässt ahnen aus welchem blickwinkel du die sache betrachtest. dann glaube doch weiter daran, dass eine menschenkette in dresden am 13. februar nazis daran gehindert hat, durch die stadt zu laufen, doch überlasse das stigmatisieren bitte den profis. verzeih mir den etwas rauen ton, doch ich werde langsam wütend darüber, dass ich mich immer öfter für eine antifaschistische haltung rechtfertigen muss, weil hinz und kunz zu wissen meinen, dass in den besagten kreisen wildgewordene horden den staatsaufstand proben.
    und als antithese doch noch was besserwisserisches: linksautonome und punks in einen topf zu werfen, gibt ganz tolles agitprop-gulasch!

  10. „Ein bisschen überraschend finde ich schon, dass ein (Innen-)Ministerium in diesem Land offenbar Faschismus nicht für ein Verbrechen hält“

    Faschismus ist eine Ideologie und was ein Verbrechen ist, werde ich dir wohl nicht erklären müssen. Dass „Faschismus keine Meinung, sondern ein Verbrechen ist“ ist nur eine langweilige Parole aus der DKP-Ecke.

  11. Ich verstehe ja, wenn Dich Pauschalurteile nerven. So habe ich das auch nicht gemeint. Ich sprach von meinen eigenen Erfahrungen mit diversen Leuten. Da ich nicht alle kenne, kann ich auch nur begrenzt urteilen. Über den Antifaschismus möchte ich auch nicht den Stab brechen. Das steht mir nicht zu.

    Diejenigen jedoch, die vorrangig sich Scharmützel mit der Polizei liefern, finde ich dennoch nicht sachdienlich. Die öffentliche Meinung dreht sich dann leider in genau die Richtung, die Dich ärgert. Diese Auseinandersetzungen mit der Polizei sind zudem strategisch völlig unklug. Sicher sind sie ja nicht immer von Demonstrantenseite her verursacht. Aber es gibt schon Leute, die einen eingefleischten Polizistenhaß in sich tragen. Da fragt man sich manchmal, ob sie noch wissen, was sie politisch mal wollten.

  12. Viel skandalöser als das Comic ist meiner Meinung nach der Verfassungsschutzbericht 2008 des Landes NRW.
    Der weist einen extremistisch theoretischen Quantensprung gegenüber dem Bericht von 2007 auf.
    Dort wird die Rote Hilfe mit einer Neonazi-Hilfsorganisation gleichgesetzt, im Jahr vorher tauchte die Rote Hilfe garnicht im Verfassungsschutzbericht auf.
    Dazu wurde die antifaschistische Zeitung Lotta, welche sogar von ver.di empfohlen wurde, auf einmal im Verfassungsschutzbreicht erwähnt. Letztere hat erfolgreich gegen die Erwähnung geklagt, insbesondere da beim Prozess deutlich wurde, dass diese nur auf Druck von Schwarz-Gelb im Verfassungsschutzbericht erwähnt wurden.
    @Antifa-KritikerInnen
    Es gibt einige Autonome Antifas denen es nur um Konfrontation mit Polizei und Nazis geht, aber so denkt nur ein Teil.

  13. Von einem Kollegen hörte ich mal den Spruch: Erkläre in der Politik nichts mit Verschwörung, was sich nicht auch mit Unfähigkeit erklären ließe.

    Angewandt auf das Comic, heißt das: Da sitzen halt Leute in der Behörde, die nicht wirklich viel wissen über die Szene bzw. die Vielfalt an Szenen. Sie basteln sich dann die Informationen irgendwie zusammen. Wahrscheinlich googeln sie auch. Es sind ja keine Sozialforscher, die über Jugendszenen oder Soziale Bewegungen wirklich viel wissen.

    Das Problem ist dann weniger Propaganda, sondern Unwissenheit. Vielleicht könnte man mal den Versuch machen und die Schreiber aufklären. Die wären eventuell dankbar für echtes Wissen.

    Das ändert freilich nichts an der Propagandaabsicht der politischen Auftraggeber. Nur: wenn ihr Apparat differenziert denkt, wird es mit der Propaganda nicht mehr so leicht.

  14. Dem Slogan “Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen” kann ich auch nichts abgewinnen.

    „Faschismus ist eine Herrschaftsform“ würde ich sagen, die „mit Verbrechen einhergeht“ aber nicht ein Verbrechen ist.

    Die Verwendung des Slogans zielt ja darauf ab, eine Kritik für die Meinungsfreiheit der unter Faschismusvorwurf Stehenden damit zu kontern, daß diese keine Meinungen verbreiten wollen, sondern faschistisches Gedankengut, welches keine Meinung sei (deswegen aber noch nicht Faschismus ist). Solch ein plumper Slogan fällt einem dann auf die Füße: Ein faschistischer Gedanke ist noch kein Faschismus – so ist das halt.

    Wer aus einer Nazidemo Volksverhetzung betreibt begeht eine Straftat, aber die Volksverhetzung ist dann die Straftat, nicht die Demo.

    Von Links eine Gesinnungsjustiz einzufordern ist in etwa das Dümmste, was man überhaupt tun kann – der politische Feind wird die Argumentation umkehren, und nämliches behaupten, um Linke Demos zu verbieten.

    „Sozialismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen“ – funktioniert genauso schlecht, ist aber so doof, daß es sicher bald die Runde machen wird.

  15. @stefan: Der Slogan “Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen” trifft zu, denn Faschismus ist eben nicht nur eine „Herrschaftsform“, sondern in erster Linie eine Ideologie, deren Form und Inhalt erst einmal nichts damit zu tun hat, ob deren Anhänger an der Macht sind oder nicht. Die italienischen Faschisten unter Mussolinis waren schon Faschisten, bevor sie die Macht im Lande übernahmen und wären auch welche geblieben, wenn das nicht erfolgt wäre. Was m.E. wichtiger ist: Faschismus ist eine grundlegende Herangehens- und Sichtweise aufs Leben, ein spezieller „Habitus“. Und mit dem sind untrennbar Vorstellungen von der Ungleichheit von Menschen, von Rassismus, Antifeminismus und der uneingeschränkten Befürwortung von Gewalt zur Durchsetzung seiner Positionen verbunden.

    Was ich eigentlich hier anmerken wollte: Der Comic wurde übrigens auch in den Blockaden in Dresden am 13. Febr. verteilt. Da kam ein „alternativ“ aussehender junger Mann mit einem Stapel davon im Arm bei meiner Frau vorbei und drückte ihr ein Exemplar in die Hand …

  16. „Angenehme Lektüre. Die Comics können, wie alle anderen Broschüren des Verfassungsschutzes NRW, hier bestellt werden. Für die politische Bildung sehr empfehlenswert.“

    ich les‘ leider die ironie nicht stark genug heraus.

  17. Verstehe ich nicht: wenn Du erkennst, dass es sichum Ironie handelt, was fehlt dann?

    Ansonsten glaube ich aber auch tatsächlich, dass es politisch bildet, Dinge zur Kenntnis zu nehmen, die der eigenen Meinung nicht annähernd entsprechen.

    Und ironisch war es natürlich trotzdem.

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