Das mg-Verfahren in den Medien

Plakat Wir sind alle militantMit den Festnahmen von Andrej und drei der anderen sieben Beschuldigten (Axel, Oliver und Florian) im Juli 2007 gründete sich das Bündnis für die Einstellung der §129(a)-Verfahren. Es bestand und besteht aus Freunden und Freundinnen, Verwandten, Aktivisten und Aktivistinnen, Kolleginnen und Kollegen und anderen. Das Bündnis hat enorm viel geleistet in den letzten 2,5 Jahren – praktische Unterstützung für die, die in U-Haft waren und ihre Familien, Öffentlichkeitsarbeit, Spenden sammeln und von Spätsommer 2008 bis Herbst 2009 die Begleitung des Prozesses gegen die drei, denen der Brandanschlag gegen die Bundeswehr vorgeworfen wurde.

Jetzt hat in ungeheurer Fleißarbeit eine, die die ganze Zeit dabei war, mal ausgewertet, wie die Medien auf das Verfahren reagiert haben (nicht ich). Ich denke, dass das für die hilfreich sein könnte, die Ähnliches erleben – leider sind das nicht so wenige. Und interessant für viele andere.

Presseauswertung

Diese Auswertung beruht auf den von Einstellungsbündnis gesammelten Artikeln, Interviews, Kommentaren und anderen Beiträgen, nicht jeder Beitrag wurde eingeordnet, insgesamt gab es knapp 800 Presseberichte, die den Seiten des Bündnisses dokumentiert sind. Der Schwerpunkt liegt eher auf Auswertung und den Fragen: Was wurde berichtet? Wie? Welche Themen wurden aufgenommen?

Zusammenfassung

Bis auf die taz, die Junge Welt und das Neue Deutschland (ND), die über den gesamten Zeitraum berichtet haben, gilt für die restliche Tagespresse (einschließlich Spiegel online), sie berichteten nur, wenn es was „Größeres“ gab. Zu den drei regelmäßig berichtenden Zeitungen fällt auf, dass die taz direkt nach den Verhaftungen sehr berichtet hat, im Verlauf der Zeit lässt das arg nach. Dafür kommentiert sie am Häufigsten den Verlauf des Prozesses. Die Kontakte zur taz haben aber über die Zeit auch nachgelassen, darüber gab es einmal wohl auch von Seiten eines Redakteurs das Bedauern, dass wir den Kontakt nicht pflegen. Allerdings haben sich zu Beginn auch einige Grüne und auch Attac zu Wort gemeldet, so dass es hier für die taz eine größere Nähe gab, zu berichten. Später gab es öfter Stellungnahmen von der Linkspartei, die tauchen in der taz nicht auf. Bei der Jungen Welt und auch beim ND ist das eher umgekehrt, sie berichten im Verlauf immer öfter.

Die Junge Welt hat als einzige Zeitung sehr regelmäßig über den Stand des Prozesses bzw. immer mal von einzelnen Prozesstagen berichtet. Die meisten Texte finden sich in der Jungen Welt, im ND und von den bürgerlichen Zeitungen schreibt die taz am Häufigsten. Diese drei greifen auch in erster Linie auf die Möglichkeit zurück, Interviews zu veröffentlichen, vor allem mit den AnwältInnen, aber auch mit den Beschuldigten und dem Solibündnis.

Regelmäßig, aber seltener berichteten auch Frankfurter Rundschau, Telepolis, mehrere Agenturen, Berliner Zeitung, Welt, Tagesspiegel und Spiegel (online). Vor Prozessbeginn und Urteilsverkündung gab es in den meisten dieser Zeitungen Vorberichterstattung. Themen des Prozesses wurden nur vereinzelt aufgenommen. Am ehesten trifft das noch für das weite Feld der Überwachung (dazu gehören auch Ermittlungsmethoden und die Debatte über §129) zu. Im Vergleich mit anderen Prozessen ist unsere Pressearbeit nicht schlechter oder besser weggekommen, inwieweit so ein Prozess allerdings tatsächlich geeignet ist, Themen auf die Agenda zu setzen, hängt ja auch von der „Bewegung“ drumherum ab.

Auch Zeitschriften und Wochenzeitungen (Focus, Freitag, Stern, Spiegel) haben den Prozess aufgenommen, entsprechend mit weniger Nachrichten, sondern zu Themenkomplexen. So berichtet der Freitag über am 17.08.2007: „Ein kritischer Wissenschaftler steht in Berlin wegen seiner Publikationen und seines gesellschaftlichen Engagements unter Terrorverdacht. Geheimcode Gentrification.“ Der Spiegel berichtet mehrmals über die mg1-Verfahren. Von den Internetportalen berichten vor allem Schattenblick, ein Portal aus Schleswig-Holstein, Telepolis und Heise online. International berichten El Pais, der Standard, Dagbladet (Norwegen), WOZ und Le Monde.

Eine besondere Rolle spielten für uns die Freien Radios. Sie haben regelmäßig berichtet und Interviews zum Stand des Verfahrens gesendet. Vor allem FSK Hamburg und Radio Corax aus Halle haben von den Festnahmen bis zum Urteil intensiv berichtet. Dabei wurden auch Themen aufgegriffen wie §129(a), Gentrifizierung, Überwachung, Antimilitarismus. Außerdem haben sie teilweise Veranstaltungen und Pressekonferenzen mitgeschnitten und sie so vielen Leuten zugänglich gemacht.

Über die Soliarbeit und die Veranstaltungen des Bündnisses berichteten regelmäßig taz, Junge Welt und Neues Deutschland. Während der Veranstaltungsreihe berichtet auch die Elbe-Jetzel-Zeitung, die Badische Zeitung und die Westfälischen Nachrichten. Die Terror-Ausstellung wird im ND und in der taz besprochen. Über die Antimilitaristische Tatortinspektion im November 2008 berichtet die Junge Welt.

Die Junge Welt berichtet darüber hinaus über verschiedene Demos und nimmt auch Soli-Aktionen z.B. auf der Antikriegsdemo auf. Über die Veranstaltungen in der Volksbühne berichten auch die Süddeutsche Zeitung und Radio eins. In der taz wird im November die „fehlende Solidarität der DDR-Opposition thematisiert, nachdem bekannt wurde, dass das BKA auch auf Stasiakten zurückgegriffen hatte.

In Berlin, aber vor allem in Hamburg wird über die Demos zum Aktionstag im Dezember 2008 berichtet: Die Morgenpost schreibt: „Rund 3000 Demonstranten haben am Sonnabend in Hamburg zunächst friedlich gegen Ermittlungen der Bundesanwaltschaft in der linken Szene protestiert. Die Veranstalter lösten die Demonstration vorzeitig auf, teilweise randalierten versprengte Demonstranten.“ Und die Junge Welt schreibt: „Protest gegen Terror-Paragraphen: Polizei macht Demo zur Schnecke.“ Sie hatten den Aktionstag als einzige Zeitung mit einem Bericht angekündigt. Die Berliner Zeitung titelte anschließend: „Randale nach linker Demo. Autonome schleuderten Brandsätze und Steine“. Und die Jungle World fragt in ihrer Reportage über den Aktionstag: „Welche Suppe?“

Über den so genannten „Aufkleber-Prozess“ berichten taz, Neues Deutschland und Junge Welt.

Im Januar 2008 gab es einige Berichte zur Aktion „Da bliebt mir doch die Spucke weg“ zur DNA-Abgabe der Beschuldigten. Über Andrejs öffentliche DNA-Abgabe berichten Neues Deutschland, telepolis und die taz. Die Junge Welt nimmt das Thema im Juli wieder auf: „Die im Januar 2008 entnommenen DNA-Proben von Beschuldigten im Ermittlungsverfahren gegen angebliche Mitglieder der »militanten gruppe« (mg) sind noch immer nicht ausgewertet.“

Über die Demonstration im Juli 2008 in Stuttgart gegen die §§ 129 usw. berichtet die Junge Welt. Die ortsansässige Bietigheimer Zeitung schreibt dazu: „Vor der Zusammenarbeit deutscher und türkischer Linksextremisten warnt Baden-Württembergs neue Verfassungsschutzpräsidentin Beate Bube.“

Die Junge Welt kündigt die Proteste am »Tag X« an. In mehreren Zeitungen erscheinen Rezensionen des Soli-Samplers „Out of Control“ und es gibt mehrere Radiointerviews dazu.

Größere Ereignisse

Wie beschreiben, gab es einige „größere Ereignisse“, über die in fast allen Medien berichtet wurde. Dazu zählen die Festnahmen, die Haftentlassungen, die Anklage und Prozessbeginn und das Prozessende. Breite Berichterstattung gab es während des Prozessverlaufs zur BKA-Panne.

1. Festnahmen

Über die Festnahmen am 31. Juli 2007 berichten alle großen und kleinen Zeitungen (Tagesspiegel, FAZ, Welt, Frankfurter Rundschau, jw, taz, Zeit) und andere Medien wie n-tv oder Radiosender. „Wer ist die militante gruppe?“ wird oft in Kästen erklärt. Das Lieblingswort der bürgerlichen Presse ist das „Phantom mg“. Die Festnahmen werden hier als „Schlag gegen den Linksextremismus“ gefeiert. Doch selbst die Welt schreibt kurze Zeit später: „Nur wenige Tage nach der Festnahme von vier mutmaßlichen Berliner Mitgliedern der Militanten Gruppe (MG) ist die erste Euphorie der Ermittler über den erhofften Durchbruch im Kampf gegen die terroristische Gruppierung bereits verflogen.“ Das Bild des zu Beginn noch als „Kopf der Terroristen“ gehandelte Wissenschafters ändert sich zum „kritischen, aber unschuldigen“ Wissenschaftler (Spiegel). In der Jungen Welt werden die Haftbedingungen als „Isolationshaft“ und der §129a thematisiert, in der taz und bei telepolis die Solikundgebungen vor dem Knast. Die taz schreibt auch über Trennscheiben und Anwaltshindernisse.

2. Haftentlassungen und BGH-Entscheidung

Andrejs Entlassung wird breit berichtet, auch die späteren Entlassungen finden sich in Berichten fast aller Zeitungen. Die Entscheidung des BGH zum Terrorismusvorwurf schafft es auch in die Tagesschau. Im Zusammenhang mit der Haftprüfung von Andrej und dem Komplex „kritische Wissenschaft“ wird über alle Haftentlassungen diskutiert. Auch die rbb Abendschau berichtet zum zweiten mal über den Fall. Als der Haftbefehl aufgehoben wird, berichten taz, Spiegel online, die Welt, die Zeit, die Berliner Zeitung, Telepolis, die Welt und der Tagesspiegel, überwiegend mit dem Kommentaren: „Terrorverdacht bleibt bestehen“ und „Wissenschaftler überraschend freigelassen“. In der Tagespresse berichten nur Junge Welt und Neues Deutschland mit anderem Tenor. Mehrere Zeitungen berichten auch über die zweite Kundgebung und die Forderung, jetzt auch die anderen Beschuldigten aus der Haft zu entlassen.

Schon im November – im Zusammenhang mit der BGH-Entscheidung – wird öffentlich gezweifelt, ob der „Fahndungserfolg“ wirklich so groß ist. Frankfurter Rundschau: „Im Frühsommer 2007 häuften sich die Erfolgsmeldungen aus dem Hause von Generalbundesanwältin Monika Harms. Nach sechs frustrierenden Jahren verhafteten die Ermittler erstmals vermeintliche Mitglieder der vermeintlich linksextremistischen "militanten gruppe" (mg). Ihnen allen glaubt die Bundesanwaltschaft die Bildung einer terroristischen Vereinigung nach Paragraf 129a nachweisen zu können. Gut möglich, dass davon nun wenig übrig bleiben wird.“

Die Entscheidung des BGH im November wird das nächste „größere“ Thema sein. So schreibt der Tagesspiegel Ende August: „In einem Verfahren muss der BGH entscheiden, ob die Linksradikalen der "Militanten Gruppe" den Staat als Ganzes bedrohen.“ Und auch die Frankfurter Rundschau thematisiert: „Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe steht vor der Grundsatzentscheidung, ob die "Militante Gruppe (mg)" eine terroristische Vereinigung ist.“ Die Ankündigung des BGH, über den Terrorismusparagraphen grundsätzlich zu entscheiden, berichten mehrere Tageszeitungen. Und auch die Deutsche Welle (TV) stellt sich im September 2007 die Frage, ob gegenwärtig der deutsche Staat "Terroristen" bekämpft oder soziale Bewegungen und kritische Wissenschaft kriminalisiert. Die Berliner Zeitung nimmt die Haftentlassung und die anstehende Entscheidung des BGH zum Anlass, Gerhart-Rudolf Baum, Ex-Innenminister und linker Liberaler, über seinen Kampf gegen die RAF und die schwierige Balance zwischen Sicherheit und Freiheit zu interviewen.

Die Zeit und n-tv sehen anlässlich der BGH Entscheidung eine „neue Diskussion über Terrorismus. Wo endet ziviler Widerstand und wo beginnt Terrorismus?“ Die Entscheidung des BGH und die endgültige Aufhebung des Haftbefehls wird in der Presse als "Eine Ohrfeige für die Bundesanwaltschaft" interpretiert. Die RBB Abendschau berichtet, außerdem die Welt, Berliner Zeitung, Tagesspiegel, 3sat, Berliner Umschau, Spiegel Online, die Netzeitung und stern.de, taz, Junge Welt, die Zeit, Frankfurter Rundschau, Süddeutsche Zeitung. Die Frankfurter Rundschau kommentiert: „Jetzt ist es so gekommen, wie es schon häufiger war: Erst lässt die Bundesanwaltschaft mit Getöse vermeintliche Schurken verhaften, buchtet sie ein unter harschen Bedingungen und präsentiert der Öffentlichkeit ein bedrohliches Terror-Leporello. Dann kommt die Sache vor den Bundesgerichtshof – und hernach stehen die Ermittler halbnackt da.“ Die taz schreibt nach der Entscheidung: „Brandanschläge als Terrorismus zu werten, untergräbt das Vertrauen in den Staat.“ Und im November schreibt die taz: „Die Vereinigung wird nach taz-Informationen wohl nicht als Terrorbande eingestuft.“

Da waren sie wohl gut informiert, denn der BGH entschied am 28. November 2007, die militante gruppe nicht als „terroristisch“ einzustufen. Auch Axel. Oliver und Florian kamen gegen Kaution frei. In den Medien gab es ein großes Echo, es wurde breit berichtet: Radiosender, Agenturen, Tagesschau, alle waren dabei. Es ist eine Nachricht des Tages: „Politisch motivierte Brandanschläge gelten künftig nur bei einer erheblichen Gefährdung des Staates als Terrorismus. Nach einer Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) wird die linksextreme "Militante Gruppe" (MG) nicht mehr als terroristische Vereinigung eingestuft. Zugleich setzte das Karlsruher Gericht die Haftbefehle gegen drei mutmaßliche MG-Mitglieder außer Vollzug.“ Der Stern spricht bereits am Tag der Verkündung von einer „Ohrfeige für Generalbundesanwältin Monika Harms“. Diese Bewertung wird allgemein geteilt. Berichte gibt es im Tagesspiegel, taz, die Zeit, n-tv, telepolis, Neues Deutschland, Junge Welt, Welt, Frankfurter Rundschau, FAZ, Kölner Stadtanzeiger, Spiegel Online, Telepolis, Der Westen, Stern, Abendschau, Süddeutsche Zeitung, Jungle World, Berliner Zeitung.

Ausführlich mit Kommentar und Stimmen zur Entscheidung berichtet die taz. In einem Kommentar heißt es: „Der Karlsruher Beschluss kommt auch nicht überraschend. Er wendet nur eine Gesetzesänderung der rot-grünen Bundesregierung von 2003 an. Das Terror-Stigma soll wieder auf Fälle echten Terrors beschränkt werden, war das Ziel der damaligen Reform. (…) Das Urteil ist also alles andere als ein Freibrief für politisch motivierte Zündler. Aber es zeigt, dass der Staat mit seinen Vorwürfen zuletzt das Maß verloren – und jetzt wiedergefunden hat.“

Mit der Haftentlassung tauchen auch Axel, Florian und Oliver erstmals in den Medien auf. In einigen Tageszeitungen (Tagesspiegel, taz) wird auch über die zweite Wohnungsdurchsuchung bei Andrej berichtet. Dass das BKA ihre „eigenen Akten beschlagnahmt“ schafft es sogar zu 3sat.

3. Zeugenvorladungen

Die Junge Welt berichtet über die Kundgebung gegen Aussageerpressung im Oktober 2007. Und das Neue Deutschland berichtet: „In der autonomen Szene wird wieder über die Folgen von Aussageverweigerung debattiert.“ Die taz thematisiert, dass im Rahmen der Ermittlungen ZeugInnen vorgeladen werden „- darunter den Soziologen Hartmut Häußermann“. Auch n-tv berichtet über die Proteste gegen die Vorladungen.

Als im März 2008 ZeugInnen nach Karlsruhe vorgeladen werden, berichten ND, taz und Junge Welt.

4. Anklageerhebung und Prozessbeginn

Ende Juli 2008 kommt es zur Anklage. Hierüber wird sehr breit berichtet, meist im Nachrichtenstil: „’mg‘-Verfahren: Bundesanwalt erhebt Anklage“ wie beim Tagesspiegel, Welt, den Agenturen, Frankfurter Rundschau, Berliner Morgenpost, Tagesschau, Der Westen und der taz. Die Süddeutsche Zeitung bringt im Vorspann den Begriff des Bündnisses: „Die "Militante Gruppe" versteht brennende Bundeswehr-LKWs als Abrüstung. Die Bundesanwaltschaft sieht das anders – und hat drei Mitglieder der Vereinigung nun angeklagt.“ Die Junge Welt thematisiert gleich zu Beginn, dass sich die Anklage „auf anonymen Spitzelbericht des Verfassungsschutzes“ stützt. Und auch die taz zitiert das Bündnis, „der versuchte Brandanschlag sei eine "Abrüstungsinitiative" gewesen und sollte Kriegshandlungen, "also Schlimmeres", verhindern. Das Bündnis forderte Freispruch.“ Zum Prozessauftakt spielt auch die Sicherheitsverfügung des Gerichtes in einigen Medien eine Rolle.

Der Tagesspiegel nimmt den Prozessbeginn zum Anlass, ein Portrait über Andrej zu schreiben: „Vor einem Jahr wurde der Berliner Soziologe Andrej Holm festgenommen. Wochenlang saß er unter Terrorverdacht in U-Haft. Längst arbeitet er wieder an der Humboldt-Uni – und bei den Studenten hat sich herumgesprochen, wer da vor ihnen sitzt.“

Die Junge Welt macht weiterhin auch Vorberichterstattung und kündigt zwei Wochen vor Prozessbeginn an: „Antimilitaristen nach Paragraph 129 angeklagt. Kritik an übertriebenen Sicherheitsauflagen des Kammergerichts.“ Auch die taz, der Tagesspiegel und Agenturen schreiben bereits vor Beginn über den anstehenden Prozess. Zum Prozessbeginn wird in der Morgenpost über „Farbflaschen auf Amtsgericht Tiergarten“ berichtet. Im WDR erklärt Oliver Tolmein in einem Beitrag zum Prozessbeginn, „Wie die Bundesanwaltschaft mit Hilfe des Verfassungsschutzes vor dem Kammergericht Berlin die Bundesrepublik Deutschland retten will.“

Am ersten Prozesstag im September ist das Medieninteresse noch groß, viele Zeitungen berichten über die Erklärung der Angeklagten, die vom Bündnis und den AnwältInnen kritisierten Sicherheitsvorkehrungen und die Kundgebung vor dem Gericht. Agenturen, Fernsehen und Tageszeitungen sind vor Ort, Berichte erscheinen in: Wetterauer Zeitung, Die Zeit, Berliner Zeitung, B.Z. („Erster Prozess gegen die Feuer-Chaoten“), Abendschau, taz, Berliner Morgenpost, Bild online, Junge Welt, Neues Deutschland, Spiegel online. Die taz kommentiert den Prozessauftakt: „Mag sein, die drei Angeklagten, die in Moabit vor Gericht stehen, sind nicht, was man in Szenekreisen etwas verächtlich Müslis nennt. Mag auch sein, sie sind nicht nur Gegner des Kriegs in Afghanistan, sondern wollen auch die Bundesrepublik, die an diesem Krieg beteiligt ist, zum Sturz bringen. Mag sein. Aber sind sie deshalb zwingend Mitglieder der "militanten gruppe"?“

Dass die Anwälte gefordert hatten, den Prozess auszusetzen, berichten Anfang Oktober die Agenturen: „Der Berliner Prozess gegen drei mutmaßliche Linksextremisten wird nicht ausgesetzt. Das Kammergericht wies Anträge der Verteidigung auf Stopp des Verfahrens am Mittwoch zurück. Verstöße gegen ein faires Verfahren lägen nicht vor, urteilte das Gericht.“

Nach dem ersten „Hype“ berichten nur wenige Medien über den Verlauf des Prozesses. Die Junge Welt davon besonders regelmäßig. So schreibt sie im Oktober 2008: „»mg«-Verfahren mit Unterhaltungswert“ über „Observationslücken und Gefrierbeutel, die man eben »kauft, wenn man Brandsätze bauen will«“ Sie thematisiert auch die Überwachung der BesucherInnen: „Im Prozeß gegen drei Kriegsgegner läßt das Bundeskriminalamt die Zuschauer im Gerichtssaal beobachten. Im November schreibt sie: „Keine Beweise trotz intensiver Schnüffelei“ und „Kein faires Verfahren.“ Im Juli 2009 berichtet sie: „Bundesanwaltschaft konzentriert sich nun auf linke Debattenbeiträge. Verteidigung bezweifelt deren Beweiskraft.“ Im September bringt sie einen Rückblick auf „Ein Jahr »mg«-Prozeß“. Die Zeitung thematisiert auch den Antimilitarismus (sie schreibt als einzige konsequent von den „drei Antimilitaristen“. So heißt es am 24. September 2009: „Verteidigung beruft sich im »mg«-Prozeß auf Notwehrrecht gegen illegalen Krieg: Ladung von Ex-Kanzler Schröder beantragt.“ Und einen Tag später: „Staatsschutzsenat des Berliner Kammergerichts lehnt Ladung von Militärs und Politikern ab.“

Das Neue Deutschland schreibt ebenfalls im November „Vermummt im Zeugenstand“: „Nach elf Prozesstagen ist die Beweislage noch dürftig.“ Die taz nimmt die ZeugInnenaussagen der BKA-Ermittlerin zum Anlass, auch im Oktober 2008 zu berichten: „Erstmals berichtet eine Ermittlerin des BKA, wie die Polizei die drei Angeklagten im Prozess um die "militante gruppe" festnahm und so angeblich einen Brandanschlag verhinderte. Auf ihre Spur kam sie durch die Überwachung des Soziologen Andrej Holm.“ Im Dezember erscheint ein längerer Bericht im ND. Die darin getroffene Einschätzung „Der Prozess wird sich noch bis Februar 2009 hinziehen“ hat sich allerdings als zu optimistisch erwiesen. 2009 erscheinen mehrere Berichte im ND über den Verlauf des Prozesses.

Die Rolle des Verfassungsschutzes wird im Februar 2009 von einigen Zeitungen aufgenommen, mit sehr unterschiedlichem Tenor. Die Junge Welt schreibt: „Vizechef des Verfassungsschutzes beruft sich auf dubiosen V-Mann“ und die taz titelt: „Der Verfassungsschützer schweigt“. Die restliche Presse nimmt den VS beim Wort. So schreibt die Berliner Morgenpost: „Noch immer ist der Fall einer versuchten Brandstiftung an drei Bundeswehrfahrzeugen nicht geklärt. Jetzt hat der Verfassungsschutz Hinweise darauf, dass die drei Angeklagten doch Mitglieder der linksextremen „militanten gruppe" sein sollen.“ Auch die Welt hält sich den den Geheimdienst: „Der Verfassungsschutz hält die Angeklagten im Berliner Brandstifter-Prozess für Mitglieder der linksextremen «militanten gruppe».“ Die Süddeutsche ist da etwas vorsichtiger: „Im Berliner Prozess gegen mutmaßliche Mitglieder der Militanten Gruppe hat die Bundesanwaltschaft nur wenige Beweise in der Hand.“ Im April 2009 nimmt die Berliner Zeitung den Faden auf und schreibt vom „Hörensagen als Beweis“: „Im Prozess wird immer offenkundiger, dass die Sicherheitsbehörden so gut wie nichts über die Struktur der Gruppe wissen.“

Die Behinderung der AnwältInnen wird in der Jungen Welt mehrfach thematisiert: Im Januar 2009 heißt es: „Karneval im Gericht. Im Berliner mg-Verfahren glänzen kostümierte Polizeizeugen vor allem durch Erinnerungslücken“ und „Im »mg«-Verfahren klagen Verteidiger über die Behinderung ihrer Arbeit“. Im Februar: „Prozeßakten noch immer unvollständig“ Und im März: „Konstruierte Realität. Bei Ermittlungen gegen »militante gruppe« bedienten sich Polizei und Staatsanwaltschaft fragwürdiger Methoden.“ Auch das ND berichtet ausführlich über die Situation der AnwältInnen und macht Interviews dazu.

Im März/April nehmen mehrere Zeitungen (Jungle World, Focus, Spiegel) die Debattenbeiträge des BKA in der Interim als Thema auf. Der Focus titelt: „Peinliche Muppetshow der Polizei“. Die Junge Welt wählt als Titelblatt: „Fälscherwerkstatt BKA“ und das ND schreibt: „mg-Verfahren: BKA-Zeuge belügt Gericht.“

In der Jungen Welt und dem ND spielen auch die Ermittlungsmethoden immer wieder eine Rolle. So schreibt das ND im Juni 2009: „In politischen Strafverfahren verweigern Behörden oft die Akteneinsicht, um fragwürdige Ermittlungsmethoden zu vertuschen.“ Vor allem die Junge Welt beschäftigt sich mit dem Verfassungsschutz. Im Juni 2009 heißt es: „Im Verfahren gegen die »militante gruppe« kann der Verfassungsschutz keine neuen Erkenntnisse präsentieren. Geheimdienstzeuge macht widersprüchliche Aussagen.“ und im August: „Im Verfahren gegen die »militante gruppe« lehnt Gericht Vernehmung von Mitarbeitern des Verfassungsschutzes ab.“

5. Auflösung mg

Im Prozessverlauf hat neben der BKA-Panne vor allem die Auflösungserklärung der mg und die möglichen Folgen für das Verfahren zu überregionalen Veröffentlichungen geführt. Neben Neues Deutschland, taz, Junge Welt und Jungle World berichten auch Frankfurter Rundschau, Potsdamer Neueste Nachrichten, Tagesspiegel, Berliner Zeitung und die Welt. Letztere stellt die Forderung des Bündnisses nach Einstellung an den Anfang des Textes: „Bündnis fordert Einstellung des Verfahrens. Mit der «mg»- Auflösung sei ein Anklagepunkt der Bundesanwaltschaft zerfallen.“


6. Anwälte verzichten auf Plädoyer

Kurz vor Ende des Prozesses können die Anwälte durch ihr Nicht-Plädoyer nochmal breite Aufmerksamkeit für den Prozess erreichen. Die Morgenpost schreibt: „Sie werfen der Staatsanwaltschaft vor, ihre Anklage unter dem Druck des Verfassungsschutzes zuzuspitzen.“ Auch Agenturen berichten und stellen das Zitat der Anwälte ganz nach Vorne: «Wir kapitulieren damit vor den politischen Vorgaben, die diesen Prozess bestimmen». Bild und Märkische Allgemeine übernehmen größtenteils die Agenturmeldung mit diesem Zitat. Die Berliner Zeitung spricht von einem „Eklat bei Prozess um Linksextreme“ und die taz schreibt: „Nicht-Plädoyer ist auch ein Plädoyer“. Neues Deutschland und Junge Welt berichten ausführlich.

7. Prozessende und Urteil

Das Urteil findet sich wieder in fast allen Zeitungen, online-Medien und auch in der rbb-Abendschau. Kurz vor Ende thematisieren Berliner Morgenpost und Berliner Zeitung die von den Anwälten gestellten Anträge. Einhelliger Tenor: „Verteidiger von Linksextremen blockieren Prozess-Ende“. Die Forderung der BAW nach langjährigen Haftstrafen wird breit berichtet: Agenturen, Berliner Morgenpost, Junge Welt, Tagesspiegel und taz.
Vom Urteil und von den Protesten wird überregional berichtet, in der Berliner Morgenpost heißt es „Sympatisanten protestierten lautstark“ und die Abendschau berichtet am Tag darauf: „In der Berliner Innenstadt sind in der Nacht zum Samstag erneut mehrere Autos und Müllcontainer angezündet worden. Die Brandanschläge waren vermutlich eine Reaktion auf die Verurteilung von drei links-autonomen Männern zu mehrjährigen Haftstrafen.“ Der Tagesspiegel zeigt da mehr Augenmaß und spricht von „Gedämpfte Kampfstimmung“. Von verschiedenen Anschlägen als Reaktion auf das Urteil berichten auch der Tagesspiegel und die Morgenpost.
Das Urteil selbst wird in den Medien als wenig überraschend aufgenommen. Taz, Berliner Morgenpost, Märkische Allgemeine, rbb, Agenturen, Berliner Kurier, Frankfurter Rundschau, Spiegel TV, Welt, Freitag, Tagesspiegel, Berliner Zeitung, telepolis, Neues Deutschland, Junge Welt und Jungle World berichten. Und die Bild-LeserInnen können wieder beruhigt schlafen: „…Feuer-Terroristen weggesperrt!“ Die Welt kommentiert das Urteil als „konsequente Entscheidung“. Der Tagesspiegel blickt über den Tellerrand und schreibt zum Urteil: „Die Prozesse gegen Linksradikale häufen sich – doch manchmal mangelt es an Beweisen.“

Themen rund um den Prozess und die Ermittlungen

Neben den chronologischen Ereignissen, die von alleine Anlass geboten haben, darüber zu berichten, gab es mehrere Themen – von uns eingebracht oder durch den Verlauf der Dinge-, die während des Prozesses auch in den Medien eine mehr oder weniger große Rolle spielten.

Thema „Kritische Wissenschaft“

Zum Komplex „Verfolgung kritischer Wissenschaft“ schreiben vor allem die bürgerlichen Zeitungen, allen voran mit viel Eigeninitiative die taz. Sie berichtet ausführlich über „abstruse Vorwürfe“ gegen kritische Wissenschaftler. Die Süddeutsche schreibt: „Wie ein Berliner Soziologe unter Terrorverdacht geriet – Macht sich jemand des Terrorismus verdächtig, weil er von Berufs wegen oft in Bibliotheken geht? Weil er als Wissenschaftler kritische Texte verfasst? Und weil er in diesen Texten Schlagworte wie Globalisierung oder Gentrifizierung benutzt?“ Die Proteste gegen „Gesinnungsschnüffelei“ finden Eingang in die Presse.

Ab Mitte August finden sich viele Berichte über die Proteste der Wissenschaftscommunity. Der Spiegel schreibt: „Die Bundesanwaltschaft steht wegen ihres Vorgehens gegen linke Wissenschaftler in der Kritik. Die Ermittlungen werden zum Präzedenzfall: Was ist heute Terrorismus?“ Die Junge Welt sieht die „Freiheit von Forschung und Lehre in Gefahr: Wissenschaftler fordern Ende der 129-a-Verfahren.“ Darüber berichten auch der österreichische Standard, die Welt, die Frankfurter Rundschau, die Berliner Morgenpost, die BZ, die Zeit, die Berliner Zeitung, der ak, der Tagesspiegel, Neue Rheinische Zeitung, die Süddeutsche Zeitung und die taz. Auch El País und Le Monde berichten über die Proteste der Wissenschaftler: „Die Gedanken sind Freiwild.“ Das norwegische Dagbladet schreibt: „Die Sprache von Forschungsartikeln ähnelt derjenigen von einer Terrorgruppe, behauptet die Polizei. Akademiker in der ganzen Welt verzweifeln.“ Und Le Monde Diplomatique titelt im September 2007: „Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Das gilt in Deutschland ganz offensichtlich auch für den Bereich der Wissenschafts- und Pressefreiheit. Dabei sieht sich die Bundesrepublik selbst als Hort freiheitlicher Grundrechte.“

Die Kritik an der Bundesanwaltschaft, namentlich Monika Harms nimmt auch in der bürgerlichen Presse zu. Ende August berichtet die Frankfurter Rundschau: „Die Verhaftung des Berliner Wissenschaftlers Andrej H. vor vier Wochen basiert offenbar auf dünneren Beweisen als bislang bekannt. Nach FR-Informationen begründet das Bundeskriminalamt (BKA) den Vorwurf des Linksterrorismus gegen H. und drei seiner Kollegen unter anderem damit, dass sie in einem fast zehn Jahre alten Artikel Begriffe wie "drakonisch" und "marxistisch-leninistisch" verwandten.“ Die FAZ legt erst im November nach: „’Guantánamo in Germany.‘ So lautete der Vorwurf internationaler Wissenschaftler, als ein Berliner Soziologe kürzlich unter Terrorverdacht verhaftet wurde.“ Das Thema erschöpfte sich allerdings, als Andrej entlassen wurde. Er und die anderen beschuldigten Wissenschaftler spielen jedoch in den Texten zum Thema Überwachung eine wichtige Rolle, die sich in erster Linie mit der Überwachung so genannter Unschuldiger befassen.

Thema: Militante Gruppe – Was ist Terrorismus? – Diskussion §129a

Über diesen Themenkomplex finden sich in sehr vielen – auch bürgerlichen Zeitungen – Berichte. Oft wird die militante gruppe erklärt. Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung fragt sich Ende August 2007 „Wer steckt hinter der "Militanten Gruppe", die seit Jahren in Berlin Menschen bedroht und Autos anzündet? Liegt der Schlüssel in einem soziologischen Begriff?“ In der taz findet sich auch Kritik an der mg: „Für die linke Szene spielt die "militante gruppe" keine Rolle, aber kritisiert wird sie kaum. Dafür kritisiert die mg wahllose Anschläge.“ Das ND berichtet im Januar 2008 über die Texte der Militanzdebatte, die jetzt im Internet auch öffentlich zugänglich sind. Und auch die Bundeszentrale für politische Bildung fühlt sich bemüßigt, die mg zu erklären.

Vor allem die Junge Welt und auch die taz thematisieren den §129a. Zeit Online berichtet über Proteste ehemaliger DDR-Oppositioneller gegen 129a-Verfahren. Der Tagesspiegel berichtet Ende August 2007, der „Fall des unter Terrorismusverdacht stehenden Berliner Soziologen Andrej H. hat im Bundesgerichtshof eine Grundsatzdiskussion über den "Terrorismus-Paragraphen" 129a ausgelöst.“

Im November nimmt sich die Frankfurter Rundschau des Themas an, als die Polizei den 100. Brandanschlag in Berlin meldet. Das ist Anlass zu einem Text über §129a: „Der umstrittene Anti-Terror-Paragraf 129a wird gegen G8-Gegner und Linksextremisten in Stellung gebracht. Militante Gruppe: Sind das wirklich Terroristen?“

Genereller wird die Jungle World. Sie schreibt: „Dass der so genannte Terrorismusparagraf vor Jahren auf Druck der EU präzisiert wurde, spricht sich sowohl bei den Ermittlungsbehörden als auch in der linksradikalen Szene nur langsam herum.“ Die Jungle World thematisiert das Verfahren in erster Linie über den Zugang §129a – Terrorismus. So schreibt sie im August 2007, direkt nach den Verhaftungen: „Die Neuauflage der Verfahren nach Paragraph 129a in Deutschland macht deutlich, wie Antiterrormaßnahmen zur Eindämmung politischer Proteste verwendet werden können.“ Später berichtet die Jungle World über die Haftentlassung von Angrej und die anstehende Entscheidung des BGH. Zur Entscheidung des BGH kommentiert sie: „Der Bundesgerichtshof hat den Terrorismus-Vorwurf gegen G8-Gegner und die Militante Gruppe verworfen. In einem dritten Verfahren laufen die Ermittlungen nach Paragraf 129a jedoch weiter. Die kritische Öffentlichkeit ist beruhigt, der Rechtsstaat ist gerettet.“

Die Entscheidung des BGH, wonach die militante gruppe nicht als terroristisch einzustufen sei (s. oben) führt in den Medien auch zu einer Debatte über Terrorismus. „Was ist Terrorismus?“ fragt Telepolis und die FAZ konstatiert: „Der Rechtsstaat tut sich schwer mit der Bekämpfung des Terrorismus.“ Noch zwei Wochen nach der Entscheidung schreibt Neues Deutschland: „Terrorismus ist eine politische und keine juristische Kategorie. Der Begriff ist deswegen juristisch nicht eindeutig zu fassen, weil er weniger auf objektive, sondern auf politische und auf subjektive Kriterien abstellt.“ Und die Welt sieht sich bestätigt und schreibt ebenfalls am 14. Dezember 2008 zum Thema „Linke Verfassungsfeinde, Kriminell oder terroristisch?“: „Wir sind geneigt, bei der Bekämpfung von Verfassungsfeinden den Fokus vor allem auf Islamisten und Rechtsextremisten zu richten. Das hat triftige sicherheitspolitische Gründe. Es wäre jedoch leichtsinnig, den Linksextremismus zu vernachlässigen.“

Im Januar gibt es jedoch den nächsten Dämpfer für die Generalbundesanwaltschaft. Die Razzien zum G8 werden im Nachhinein als rechtswidrig eingestuft. Die Financial Times Deutschland schreibt: „Späte Genugtuung für deutsche Globalisierungsgegner“. Die Zeit spricht von „Handschellen für die Bundesanwälte“, die Junge Welt von „Willkür und Inkompetenz“. Außerdem berichten: Volksstimme, Links-Zeitung, WDR, Spiegel Online, taz, Frankfurter Rundschau, FAZ, Mannheimer Morgen, Märkische Allgemeine, Oberhessische Presse. Besonders Generalbundesanwältin Monika Harms bleibt in den folgenden Wochen in der medialen Kritik, es kommt zu Rücktrittsforderungen, die aber keine Konsequenzen haben.

Ein Jahr nach den Durchsuchungen machen G8 GegnerInnen öffentlich, dass die Überwachung weitergeht und fordern die Einstellung der Ermittlungen. In diesem Rahmen macht das Bündnis nach langen Diskussionen eine eigene Pressekonferenz, es berichten taz, Frankfurter Rundschau, Berliner Zeitung, Neues Deutschland und Junge Welt. Die Berliner Zeitung schreibt im Juni 2008: „Fast zwei Jahre lang warf die Bundesanwaltschaft elf jungen Leuten vor, Terroristen zu sein. Die Ermittlungen erbrachten keinen einzigen Beweis.“ Der Spiegel schreibt Anfang Juli 2008: „Seit Jahren wird gegen 27 G-8-Gegner und Linksradikale ermittelt, die angeblich Anschläge verübt haben sollen – und zwar mit allen Mitteln: Durchsuchungen, DNA-Analysen, Wanzen im Auto. Obwohl ihnen nichts nachzuweisen war, ziehen sich die Verfahren weiter hin. Im Januar 2010 ist im Deutschlandfunk ein Feature zu hören zum Thema: „Kafka, Kanzler und da knackt nichts: Ein junger Mann erfährt durch eine Panne bei seinem Mobilfunkbetreiber, dass er von Verfassungsschutz und BKA abgehört wird. In einer Zeitung, der Polizisten die Abhörprotokolle verkauft haben, liest er ein Gespräch seiner Freundin im Wortlaut. Die Schlagzeile, seine Verhaftung als angeblicher Gründer der terroristischen Vereinigung "Militante Gruppe" stehe unmittelbar bevor, lässt ihn wochenlang bei jedem Geräusch hochschrecken.“

Im Dezember 2008 berichteten Spiegel, Neues Deutschland und taz über die Einstellungen der mg1-Verfahren. Die taz schreibt: „Seit 2001 überwachten Bundeskriminalamt und Verfassungsschutz drei Männer aus Berlin. Erst waren sie Terroristen, dann Kriminelle und am Ende unschuldig.“ BAW blamiert sich im »mg«-Verfahren. Und Spiegel online: „Bundesanwälte blamieren sich mit überzogener Überwachung.“

Thema Überwachung

Das Thema Überwachung ist in den Medien besonders häufig im Zusammenhang mit den Ermittlungen zu finden. Von allen vom Bündnis angesprochenen Themen ist das eindeutig der Renner, nicht zuletzt, weil hier in den vergangenen Jahren eine Bewegung entstanden ist, die ihr Thema acuh über den Prozess nach Vorne bringt. Oftmals bieten die Ermittlungen Anlass ausführlicher über Methoden (BKA, VS) zu berichten und es finden sich breitere politische Kreise, die das Thema aufnehmen und nutzen.

Eine Kleine Anfrage der FDP am 30. Oktober 2007 brachte zu Tage, dass das Bundeskriminalamt die IP-Adressen von Besuchern einer Fahndungsseite lediglich "anlassbezogen" im Rahmen einer Strafverfolgung speichere. Die Junge Welt hatte bereits im Oktober 2007 berichtet: „Bundeskriminalamt stellt Informationen zur »Militanten Gruppe« auf seine Internetseite. Wer darauf klickt, gerät ins Visier der Ermittler.“ Der Tagesspiegel berichtet Ende September: „Das Bundeskriminalamt registriert und speichert nach einem Bericht des Tagesspiegels seit September 2004 die IP-Adressen aller Besucher ihres eigenen Website zur "Militanten Gruppe"“. Die Zeitung bleibt auch weiterhin an dem Thema „Überwachung des Internets“ dran. Auch die Süddeutsche interessiert sich für den Aspekt Überwachung. Und die Zeit schreibt im November 2007: „Wer Internetseiten von Bundesbehörden besucht, wird gespeichert. Obwohl das gegen ein rechtskräftiges Urteil verstößt. Bundeskriminalamt spähte Tagesspiegel aus.“

Ein größeres Thema war für die Tageszeitungen und für die Gewerkschaftszeitung der JournalistInnen die Postdurchsuchungen durch das BKA. (Welt, taz, Tagesspiegel, Berliner Zeitung, Junge Welt, Agenturen). Auch Telefone von JournalistInnen wurden abgehört. Im November weitet sich die Kritik aus. Der Tagesspiegel schreibt von einem „Schlag gegen die Pressefreiheit“ Auch in der Morgenpost ist der Tenor: „Politiker, Rechtsanwälte sowie Presse- und Journalistenverbände sprachen einhellig von einem Angriff auf die Pressefreiheit.“ Wie die Welt berichtet, protestierten die Chefredakteure der "Berliner Morgenpost", "BZ" und der "Berliner "Zeitung" in gleichlautenden Briefen an Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) gegen die heimlichen Kontrollen. Auch die taz, B.Z., Berliner Zeitung, Berliner Morgenpost, Kölner Stadtanzeiger, Frankfurter Rundschau, Financial Times Deutschland, Spiegel online, die Netzeitung und heise-online schließen sich der Kritik an der heimlichen Briefüberwachung an. Mehrere Agenturen, Inforadio und Tagesschau berichten. Das Thema taucht auch in Berichten über die Vorratsdatenspeicherung auf und ist mehrere Tage in den Medien präsent. Im Juni 2008 rügt der BGH die Postdurchsuchungen im Zusammenhang mit den Bekennerschreiben der mg. Focus, Berliner Zeitung und Agenturen berichten.

Neues Deutschland, Spiegel online, Junge Welt, Frankfurter Rundschau, Telepolis und Berliner Zeitung thematisieren zudem, dass das BKA auf Stasi-Akten zurückgegriffen hat. Das ND nimmt die Recherchen des BKA zum Anlass, eine „alte, fast vergessene Bewegungsgeschichte wieder ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken: Die DDR-weite Aktionswoche gegen die Tagung von IWF und Weltbank, deren Vertreter sich 1988 in Westberlin trafen.“

Das Neue Deutschland thematisiert zudem die Trennung von Polizei und Geheimdienst. Und die Junge Welt schreibt im November 2007 über die „Folgen des »Deutschen Herbstes«: Juristen beklagen Einschränkung der Grundrechte im »Kampf gegen den Terror«“. Und auch die Tagesschau bringt einen Beitrag zu „Online-Durchsuchungen, Vorratsdatenspeicherung, Lauschangriff: Wie weit der Staat in die Privatsphäre, aber auch in das berufliche Umfeld, eingreifen darf, wird derzeit heftig diskutiert.“

Die Berliner Zeitung und Agenturen berichten über den Lauschangriff durch das BKA vor dem G8 Gipfel. Taz und Spiegel schreiben auch über die G8-Durchsuchungen und thematisieren die Abfrage an Autovermietungen. Die Entscheidung des BGH, die Durchsuchungen vor dem G8 Gipfel an rechtswidrig zu erklären, wird in den Medien thematisiert. Die taz und die Junge Welt berichten. Auch Ende November hält das Thema an. Der Spiegel schreibt : „Seit Jahren ermittelt die Bundesanwaltschaft mit aller Härte gegen vermeintliche linke Terroristen. Nun kritisiert der Bundesgerichtshof die Praxis in ungewöhnlicher Schärfe.“ Im Juni 2008 ließ sich selbst die Welt zu einem Kommentar „Gegen den Abhörwahn“ hinreißen. Darin: „Wer etwas über das Privatleben der Berliner wissen möchte, sollte sich an die Polizei wenden. Sage und schreibe eine Million Telefonate hörten die Ermittler im vergangenen Jahr zur Aufklärung von Straftaten ab. Die Zahl stimmt bedenklich, ist sie doch in den vergangenen Jahren geradezu explodiert.“

Heise online thematisiert im Januar 2009 das Thema Verschlüsselung: „Das Bundeskriminalamt (BKA) hat offenbar versucht, eine mit PGP/GnuPG verschlüsselte Datei zu öffnen und sich dabei an verschiedene Wissenschaftler, aber auch an das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik gewandt.“ Sie beziehen sich dabei auf einen Blogeintrag von Anne. Mehrere Zeitungen haben innerhalb der zwei Jahre über diesen Blog berichtet, der sich überwiegend mit Überwachung beschäftigt.

Der „Honeypot“ des BKA ist auch weiterhin in den Medien. So schreibt Heise online im März 2009: „Die Homepage des Bundeskriminalamts hat den Kriminalisten als Honeypot gedient, um Mitglieder der "militanten gruppe" (mg) identifizieren zu können. Dies wurde im Rahmen eines Berliner Prozesses bekannt, der gegen drei Personen geführt wird, die der versuchten Brandstiftung von Bundeswehrfahrzeugen angeklagt sind. Mit der Aufdeckung des Sachverhaltes werden die Hintergründe der kürzlich gestoppten Homepageüberwachung des BKA sichtbar.“ Auch die Zeit und der Focus berichten über die „Leimruten des BKA im Netz“.

Thema: Brennende Autos in Berlin und Anschläge auf die Bundeswehr

Die Brandanschläge in Berlin sind auch ohne den Prozess Thema, manchmal werden sie jedoch zusammen genannt. Etwa wenn in BekennerInnenschreiben solidarische Grüße an die Beschuldigten geschickt werden. Außerdem ist im September 2007 der angeblich vereitelte Brandanschlag auf Vattenfall Thema im Tagesspiegel, der Berliner Morgenpost und Welt.

Als die Polizei den 100. Brandanschlag in Berlin für 2007 meldet, ist das für mehrere Medien Anlass, über die militante Gruppe zu berichten. Die Welt schreibt von der Erfolglosigkeit der Ermittlungen, die Süddeutsche und die Frankfurter Rundschau spekulieren über Brandanschläge und Terrorismus. Auch der Freitag nimmt sich dessen an und titelt im November 2007: „Von der Logik von 129a-Verfahren – statt Straftaten aufzudecken, werden Verdächtige geschaffen. Die gespenstische Brandserie: Schon 101 Anschläge auf Autos.“

Brandanschläge und die militante gruppe sind auch Thema des Zeit-Artikels: „Eine Welt voller Unbehagen“ im August 2007. Darin heißt es: „Eine Serie von Brandanschlägen verstört Berlin. Verdächtigt wird die mysteriöse »militante gruppe«. Das „Gespräch mit einem Insider“ kann leider ohne Zweifel als Beispiel misslungener Pressearbeit herhalten. Der „Insider“ wird als paranoid hingestellt, der Dinge sehe, die andere nicht sehen.“

Die Anschläge auf die Bundeswehrfahrzeuge in Dresden werden in einen direkten Zusammenhang mit der militanten gruppe gebracht. Die Berliner Zeitung schreibt: „Für den Brandanschlag auf Fahrzeuge der Bundeswehr in Dresden kommt nach Ansicht des Brigadegenerals Franz Xaver Pfrengle die linksextremistische "militante gruppe" aus Berlin in Betracht.“ Und die Leipziger Volkszeitung schätzt: „Der Brandanschlag auf Fahrzeuge der Bundeswehr in Dresden war laut Einschätzung eines Generals der bislang schwerste seiner Art auf eine Einrichtung in Deutschland.“

Thema Bundeswehr/Antimilitarismus

Das Thema „Militär und Bundeswehr“ taucht in erster Linie in der linken Presse, bei Interviews mit freien Radios und szeneintern (Indymedia) auf. Die Junge Welt und ND berichten über die Veranstaltung „Kriegsgerät interessiert uns brennend“ und die antimilitaristische Tatortinspektion, teilweise mit eigenen Interviews zum Thema. Und die Junge Welt berichtet von den Zeugenvorladungen im Zusammenhang mit dem Krieg in Afghanistan. Im Gegensatz zum Thema Überwachung, gelingt es uns hier nicht, über die Szene hinaus Kontakte so aufzubauen, dass sie medial genutzt werden können. Innerhalb der linksradikalen Szene hat der Prozess dennoch dazu beigetragen, das Thema Antimilitarismus nach Vorne zu bringen. Die bürgerliche Presse hat aber weder das beeindruckt, noch wollte sie einen Zusammenhang herstellen zwischen der Ablehnung des Einsatzes und antimilitaristischen Aktionen. Zudem war unsere Pressearbeit seit Prozessbeginn arg geschrumpft und wir haben auch als Bündnis nicht besonders aktiv versucht, in Richtung bürgerlicher Medien zu intervenieren.

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Wie gesagt, und um etwaigen Missverständnissen gleich vorzubeugen: der Text ist nicht von mir.

 

 

 

4 Gedanken zu „Das mg-Verfahren in den Medien

  1. „An anderer Stelle“ ist ja sehr wundervoll uneindeutig ;). Da hatte ich den jedenfalls überhaupt nicht gefunden: sehr gut versteckt.

  2. Brautgeschäft für Brautkleider angemessen. Hochzeitskleider individuell geschneidert. Davon müssten diverse Brautkleid inklusive guten Qualitäten Ihnen pläsierlich (veraltet) liebenswürdigkeit.

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