Vor etwa zwei Jahren riefen wir dazu auf, sich am Preisausschreiben "Was ist Terrorismus" zu beteiligen. Es kamen viele wunderbare Einsendungen und ich ärgere mich bis heute enorm, dass wir zu wenige waren und zuviel anderes zu tun hatten, um das ordentlich zu Ende zu bringen. Immerhin gab es eine sehr gute Ausstellung im Tacheles. Ein sehr früher Beitrag, der definitiv Aussichten auf einen Preis gehabt hätte, ist dieser:
Für die Eine ist es nur ein harmloser Fußabdruck im Sand,
für den Anderen der Beginn einer wunderbaren Karriere
Von Twin Towers, Zwillingen und anderem Terror
Sandburgen bauen, Sandburgen …
(Irgendwie hatte Terror in den 80ern immer diesen Gelbstich)
Als ich klein war, da war ich sicher: "Touris" ist die Abkürzung für Terroristen. Und Terroristen sind nur so halb gut – das weiß doch jedes Kind. Vor allem der gemeine Neckermann-Terrorist, der ist irgendwie gar nicht gut.
Und wenn mein Vater sich in den Ferien am Strand räkelte und meinte: "Jetzt sind wir richtige Touris", dann war irgendwie klar, dass wir deutschen UrlauberInnen die ItalienerInnen mindestens genauso terrorisierten, wie meine Schwester und ich den Papa, immer wenn der rief: "Jetzt macht doch nicht so einen Terror!".
Terror war immer dann, wenn es am schönsten war (und wir aufhören mussten). Frühzeitig wurde ich also an meinen Traumberuf herangeführt.
Jetzt hat die Bundesanwaltschaft neben den UrlaubsterroristInnen ein weiteres Betätigungsfeld geschaffen: den Feierabendterroisten. (Und ich habe mich schon immer zu Männerberufen hingezogen gefühlt. Queering terrorism heißt das in den gender studies.)
Der Feierabendterrorist ist Akademiker. Seine frühkindliche Bindung zu Plastikeimern lebt er mit Joghurtbechern aus. Der Feierabendterrorist hat Zugang zu Bibliotheken. "Knapp 30% der BundesbürgerInnen sind Bibliotheksnutzer" (Bertelsmann 2004). Der Feierabendterrorist sagt manchmal "Gentrifizierung". Mein Papa sagt, die sollte man alle abschaffen (nicht die Feierabendterrorist_innen, sondern die Verfassungsschützer, das BKA und den 129a, denn die hätten ja damals schon die RAF gemacht). Aber mein Papa der ist nicht mehr Terrorist, sondern im Ruhestand.
Deutschland überaltert. Vor allem Frauen leben so lange. Alt sein ist unproduktiv. Kapitalismus braucht produktive Menschen. Wir brauchen endlich das Berufsbild der Pensionsterroristin.
(aus: "J_nny S. Memoirs of a Queer Terrorist")
Das Original: Queer terrorism
Danke, Jenny!
Comic Sans MS ist Terror.
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