Es begibt sich hin und wieder, dass ich Anfragen bekomme, ob ich bereit wäre, der Forschung behilflich zu sein und ein paar einfache Fragen zu beantworten.
So auch letzte Woche, gleich zweimal: eine Diplomarbeit zu „Frauen in der Blog-Szene“, und eine von der Uni Augsburg, Institut für Medien und Bildungstechnologie. Letztere stellt sich am besten selbst vor:
als aktive Bloggerin und Medienaktivistin hast Du es sicher schon längst bemerkt: Online-Marketing durchdringt mehr und mehr das Web 2.0. Immer öfter werden Webuser dazu animiert, werbende Inhalte durch Posts und Links zu verbreiten (Viral Marketing).
Und mittendrin – Du, eine von Deutschlands Topbloggern. Was Du bloggst, erreicht Tausende Leser und User. Verlockend für Werber. Aber: Was denkst Du über Viral Marketing?
Bei mir hat noch niemand angefragt, ob ich viral vermarkten will, aber das kommt sicher noch. So als eine von Deutschlands Topbloggern.
Jetzt geht’s mir um was anderes. Es ist nämlich nicht so, dass ich sofort von Glücksgefühlen geflutet werde, wenn annalist erwählt wurde, die Forschung voranzutreiben. Ich habe auch nichts dagegen, jungen Leute dabei zu helfen, ein Papier zu erwerben, dass ihnen beim Weg durch den universitären Dschungel hilft. Allerdings habe ich selber vor längerer Zeit entschieden, diesen Weg zu verlassen, bin mit dieser Entscheidung sehr zufrieden und habe ein paar Kriterien dafür, wann und warum ich sinnvoll finde, Euch Forschenden Fragen zu beantworten. Um mich nicht immer wiederholen zu müssen, gibt’s dazu jetzt ein Blogpost.
Für mich bedeutet das Beantworten von akademischen Fragebögen zuerst, dass ich dafür Zeit verwende, die mir anderswo fehlt. Für die Entscheidung, ob ich das sinnvoll finde, brauche ich ein paar Informationen:
- Was ist das Motiv / die Fragestellung für Dein/Euer/Ihr Projekt?
(Das kann auch gern sein, dass in einem Seminar ein Schein erworben werden muss. Ganz plausibles Motiv, hatte ich früher auch. Führt aber nicht unbedingt dazu, dass ich dabei mithelfe. Da würde ich eher empfehlen, die Antworten selber auszudenken. Geht schneller, bringt weniger Ärger und führt sicher auch zum gewünschten Ergebnis. Ich habe auf diese Frage auch schon die Antwort erhalten, dass das doch aus den Fragen ersichtlich sei: das meine ich nicht. Mich interessiert, warum Ihr Euch für dieses Thema entschieden habt und was das Ziel ist. Welche Fragen Ihr mit den Ergebnissen zu beantworten hofft.) - Wie ist Deine / Ihre / Eure Rolle? Möglichst objektiv / neutral? Wenn nein, was dann?
- Wer finanziert das Projekt?
- Wieso wurde ich oder mein Blog annalist ausgewählt?
- Wo und wie werden die Ergebnisse veröffentlicht werden? Werden sie z.B. mit einer CC-Lizenz frei weiter verwendbar sein?
- Werde ich über die Ergebnisse informiert werden?
- Gibt es ein Interesse, das über das rein akademische hinausreicht? Gibt s eine Verbindung etwa zu sozialen oder politischen Bewegungen oder der Blogosphäre (das finde ich z.B. am interessantesten)?
- Was ist der Nutzen für die Beforschten?
- Gibt es eine Transparenz im Verlauf der Forschung, also etwa die Nutzung von Web2.0-Medien und/oder die Möglichkeit, den Verlauf zu kommentieren oder auf Fragestellungen Einfluss zu nehmen?
- Wird das Forschungsprojekt voraussichtlich zu öffentlicher Diskussion zum Thema beitragen? Wie?
Um nicht missverstanden zu werden (einmal bekam ich auch sinngemäß die Antwort, die anderen hätten sich auch nicht so angestellt und wären froh, ausgesucht worden zu sein und ob ich etwa am Fleiß der Fragerin zweifele): ich habe nichts gegen Forschung, ganz im Gegenteil bin ich froh über alle, die sich ernsthaft Fragen mit Erkenntnisinteresse stellen. Schon, weil ich ja lieber anderes mache, als mich langwierig und theoriegestützt mit Details zu beschäftigen. Ich möchte nur sichergehen, dass es tatsächlich um Erkenntnisinteresse geht. Daran beteilige ich mich gern, wirklich. Für alles andere ist mir meine Zeit zu schade.
Und eine Frage noch an andere potentiell Beforschte: welche Fragen habt ihr an die Forschenden? Wie sind Eure Erfahrungen mit derlei Fragebögen?
Aus den Fragen kann man ja eventuell auf die Antwortalternativen schließen, die von dir positiv bewertet werden. Was mich nur wundert: Gerade aus dem nachhaken „Wenn nein, was dann?“ in Frage 2 meine zu erkennen, das du grundsätzlich objektive und neutrale Forschun besser findest. Aber beißt sich das nicht mit der Frage 7, die für mich suggeriert, dass Verbindungen zu sozialen und politischen Bewegungen – und damit ganz und gar nicht neutralen Interessen – Pluspunkte in deiner Bewertung bringen. Oder interpretiere ich da zu viel rein?
1. Ist eine Zuordnung der ausgefüllten Fragebögen zu identifizierbaren Einzelpersonen möglich?
2. Wenn ja, wer erhält Zugang zu den identifizierbaren Rohdaten?
3. Mit welchen Mitteln werden die Daten – auch auf Wunsch der Befragten – anonymisiert?
Zu empfehlen die Daten zu fälschen finde ich unmöglich. Wozu soll das gut sein?
Das Interesse, den Forschungshintergrund zu kennen und die Motive kenne ich auch von mir. Ich will auch wissen, wofür geforscht wird, aber andererseits widerspricht es meinem Ideal neutraler Forschung. Soll ich entscheiden worüber andere forschen?
Wie ist die Ansprache, habe ich Zeit, wie lange wird es dauern – das wären für mich die Kriterien. Die Ansprache sollte nett sein, aber die Umfrage auch sorgfältig vorbereitet wirken, sprachlich erstklassig, verständlich und eindeutig. Bei Murks will ich nicht mitmachen, sondern kritisieren. 🙂
Bei Marktforschung würde ich nicht mitmachen.
Aber beißt sich das nicht mit der Frage 7, die für mich suggeriert, dass Verbindungen zu sozialen und politischen Bewegungen – und damit ganz und gar nicht neutralen Interessen – Pluspunkte in deiner Bewertung bringen. Oder interpretiere ich da zu viel rein?