Es gibt kein Grundrecht auf innere Sicherheit

Sonst ist doch wirklich noch der blödeste Preis mindestens eine Meldung in ‚Vermischtes‘ wert, aber ich habe heute einen gefunden, den hatten außer der Frankfurter Rundschau und SWR Online nur ein paar regionale Käseblätter. Ein Geheimnis, sozusagen. Am 12.4. bekam Gerhard Baum (FDP, früher Innenminister) den Theodor-Heuss-Preis 2008 verliehen, außerdem gab es noch Medaillen gleichen Namens u.a. für den Grundrechte-Report und Foebud:

Wegen seines unermüdlichen Engagements zur Stärkung und Sicherung der
Bürger- und Freiheitsrechte wurde der frühere Bundesinnenminister
Gerhart Baum mit dem diesjährigen Theodor-Heuss-Preis ausgezeichnet.

Die dem Preis ebenbürtigen Theodor-Heuss-Medaillen 2008 gehen an die
Herausgeber des Grundrechte-Reports zur Lage der Bürger- und
Menschenrechte in Deutschland (www.grundrechte-report.de), an den seit
1999 in Russland arbeitenden Moskauer Focus-Korrespondenten Boris
Reitschuster (www.reitschuster.de), an FoeBuD e.V. als Ausrichter der
deutschen BigBrotherAwards (www.foebud.org; www.bigbrotherawards.de)
und an das jugendpädagogische Fanprojekt Dresden e.V.
(www.fanprojekt-dresden.de).
 

Baums Rede zur Preisverleihung stand heute gekürzt in der FR: Innere Sicherheit: Die bittere Wahrheit. Die ganze Rede ist dort auch als pdf verlinkt.

Ich würde Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble dann
zu folgen versuchen, wenn er in dem Spannungsverhältnis als
Sicherheits- und als Verfassungsminister Antworten auf Gefahren sucht.
Ich kann und will ihm nicht folgen, wenn er grundlegende Prinzipien
unserer bisherigen Rechts- und Verfassungsordnung infrage stellt. Das
sind die politischen und rechtlichen Unterscheidungen zwischen innerer
und äußerer Sicherheit, zwischen Verbrechen und Krieg, zwischen
Prävention und Repression, zwischen Polizei und Geheimdiensten,
zwischen Polizei und Militär.

Unsere Rechts- und Verfassungsordnung ist den Bedrohungen gewachsen.
Ganz entscheidend ist, dass ein neues Sicherheitsrecht kein dem
heutigen Strafrecht vergleichbares Schutzniveau garantieren würde.
Niemand hat bisher genau beschreiben können, wie ein dritter Weg
zwischen Straf- und Kriegsrecht aussehen könnte.

Der
Weg hin zu einer neuen Sicherheitsarchitektur wird vorbereitet durch
Angst einflößende Bedrohungsszenarien. Sie haben den Verfassungsrichter
Udo Di Fabio zu der Feststellung veranlasst, dass die "intellektuelle
Lust am antizipierten Ausnahmezustand kein guter Ratgeber" sei.

und, eigentlich der beste Satz darin:
 Es gibt kein Grundrecht auf innere Sicherheit.
Schön wäre, wenn dass auch die amtierenden InnenpolitikerInnen verstehen würden. Deren Verständnis von Sicherheit erinnert mich an den (ich glaube es war Kanther?), der sich nicht zu blöde war, öffentlich zu erklären, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung habe mit der Möglichkeit zu tun, sich zu informieren. 
 
Auch noch passend zum Thema hat es heute abend auf rbb die Sendung "Belauscht, bespitzelt, beobachtet –
Leben wir schon in einem Überwachungsstaat?
", online leider nur in einem für mich nicht sehbaren Format. Dafür in sehr illustrer Runde: Wolfgang Bosbach, Dieter Wiefelspütz, Konrad Freiberg, Constanze Kurz und Fransziska Drohsel. Hätte ich sehr gern gesehen, wenn jemand das in einem gängigen Format hätte (Nein, ich habe keinen Real Player) und mir irgendwie zukommen lassen könnte, wäre ich dankbar. Bosbach übrigens auf der rbb-Website mit dem großartigen Zitat:
„Niemand hat vor, einen Überwachungsstaat in Deutschland zu errichten.“
 

6 Gedanken zu „Es gibt kein Grundrecht auf innere Sicherheit

  1. Hallo,

    für den Stream versuch doch mal im Terminal
    mplayer rtsp://stream4.rbb-online.de/rbb/klipp/2008-04-15-sdg.rm
    bzw.
    mplayer rtsp://stream4.rbb-online.de/rbb/klipp/2008-04-15-sdg.rm -vf crop=320:176:0:34

    Letzteres, um die schwarzen Balken gleich mal vorsorglich wegzuschneiden.

    Die „Redefinition“ der informatinoellen Selbstbestimmung stammt von Frau Zypries:
    „Aber das Recht auf informationelle Selbstbestimmung heisst ja nur, dass Bürger darüber informiert werden müssen, wer was von ihnen speichert.“

  2. Pingback: Compyblog

  3. OK, es ist wieder einmal eine furchtbare Sendung zum Thema, zudem noch relativ unprofessionell moderiert.
    Ich verstehe auch nicht, wieso etwa beim Thema Videoüberwachung das Beispiel „Kofferbomber“ immer wieder genannt wird, obwohl hier die veröffentlichten Aufnahmen vom Bahnsteig rein gar nichts mit der Identifikation der Verdächtigen zu tun hatten, sondern u. a. der lybanesische Geheimdienst.
    Nie wird diese Lüge^W Falschinformation berichtigt, nicht einmal Constanze Kurz, die es wirklich besser wissen müsste, sagt nach dem Einspieler mit diesem Beispiel kein Wort dazu.

    Ansonsten: ahnungsloses Studiopublikum, das sich wohl noch nie Gedanken um Auswirkungen von Überwachung gemacht hat und auch nach der Sendung nie machen wird, sondern brav alles abnickt, unerträgliche Showdemokraten Wiefelspütz und Bosbach, die herunterbeten, wie punktuell und „immer im Einklang mit dem Rechtsstaat“ Überwachung eingesetzt würde, Freiberg, der offenbar ahnungslos vom bestehenden Rechtsstaat erklärt, es würde z. B. bei Demonstrationen eben einmal präventiv aufgezeichnet, dann ausgewertet, obwohl genau das nicht zulässig ist und die zwei verlorenen Damen, die gegen das Gewäsch der Herren inkl. Moderators nicht ankamen.
    Traurig

  4. „Niemand hat vor, einen Überwachungsstaat in Deutschland zu errichten.“

    Oh mein Gott, ich lach mir grad den Allerwertesten ab – und wenn das Thema nicht so verdammt ernst wäre könnte man die Bemerkung durchaus für eine gelungenen Scherz halten.

    Aber mal im Ernst, hat Herr Bosbach gar keine Ahnung von Geschichte, hat er gerade die Reden Ulbrichts studiert und der Satz ist ihm quasi als Freudscher Versprecher rausgerutscht, oder regt sich sein Gewissen und er möchte uns etwas mitteilen, was er laut seinen Vorgesetzten oder seiner Parteidisziplin nicht sagen darf?

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