Die sicherste Stadt der Welt

Die Biometrie-Firma Global Rainmakers Inc. (GRI) hat am Mittwoch angekündigt, dass sie mit Iris-Scan-Technologie die ’sicherste Stadt der Welt‘ schaffen will.

Dagegen sind Streetview oder Geo-Tagging dann wohl Kinkerlitzchen.

Gemeinsam mit der Stadt Leon – eine der größten Städte Mexikos mit über einer Million EinwohnerInnen – wird GRI Augenscanner über die ganze Stadt verteilen. Das wird die Strafverfolgungsbehörden darin unterstützen, unseren Alltag zu revolutionieren – gar nicht zu reden von den Marketing-Fachleuten. („Iris Scanners Create the Most Secure City in the World. Welcome, Big Brother“, Fast Company)

Dieses Projekt hat weitreichende Auswirkungen für die Iris-Biometrie, die 1,2 Mio. MexikanerInnen und die Welt, sagte Hector Hoyos, CEO von Global Rainmakers. (Pressemitteilung von GRI)

No shit, ja, kein Zweifel.

Der Chef der Entwicklungsabteilung von GRI drückt sich so aus:

In Zukunft, wenn Sie Ihr Haus betreten, Ihr Auto aufschließen, ins Büro gehen, ein Rezept oder sonst Zugang zu ihren medizinischen Daten brauchen, werden sie all das mit einem einmaligen Schlüssel tun: Ihrer Iris.

Wahnsinnig praktisch, und genau das wird auch hier das Problem sein: viele Menschen werden mit einer Mischung aus ’nichts zu verbergen‘ und ’so bequem‘ nichts dagegen haben.

Der Unterschied zu bisherigen Iris-Scan-Anwendungen sind nach Red Herring Geschwindigkeit und Bewegungen. Bisher dauerte ein Iris-Scan 30 Sekunden; GRI braucht weniger als eine Sekunde und scannt auch sich bewegende Menschen. Je nach Gerät bis zu 50 Personen pro Minute.

Zunächst sollen in Leon Datensätze aller verurteilten StraftäterInnen in das System gespeichert werden, dann per Opt-In (also aktiv und freiwillig) von allen anderen. Opting-Out (also nicht freiwillig die Iris-Daten erfassen zu lassen) sei auch kein Problem, so GRI, denn weil die meisten ihre Augen scannen lassen werden, werden die anderen umso mehr auffallen: „Wir glauben, dass alle mitmachen werden“.

Interessantes Argument von Jeff Carter, dem oben zitierten Entwicklungschef von GRI, im Interview mit Fast Company: Mögliche Probleme im Bereich Privatsphäre/Datenschutz sieht er schon deswegen nicht, weil die ja eh durch schon existente Datensammlungen etwa von Banken, aber auch Sozialen Netzwerken wie Facebook, völlig aufgehoben seien.

Mal sehen, wann hier die ersten Begehrlichkeiten entstehen.

Auch dazu: Gizmodo – Keine Privatsphäre – ganze Stadt mit Videoüberwachung

Bild: IRPC/Flickr , CC-Lizenz

20 Gedanken zu „Die sicherste Stadt der Welt

  1. Klingt nach einem Problem, welches sich mit einer simplen Sprühdose leicht aus der Welt schaffen läßt

    Träum weiter.

  2. Warum glaubt man immernoch, dass mit technischem Spielzeug sozialen Problemen beizukommen sei?

  3. Pingback: Quellen-TKÜ und Online-Durchsuchung in RLP? « Infoladen Capuma

  4. Das hat natürlich dieselben beiden Probleme wie alle biometrischen Verfahren: Erstens wird Authentifizierung mit Identifizierung verwechselt (das Auto soll nicht Fritz Müller aufschließen, sondern derjenige, der es gestern zugeschlossen hat (oder sein Bevollmächtigter)); und zweitens hat noch niemand herausgefunden, wie man eine kompromittierte (z.B. durch Datenklau bei GRI) Iris ersetzt (im Unterschied zu Passwörtern oder Chipkarten).

  5. Die Geräte müssten schon eine unglaubliche Auflösung haben, um aus diesem Abstand tatsächlich tausende Menschen unterscheiden zu können. Mir scheint, da ließen sich ein paar Politiker mit Überwachungsphantasien kräftig über den Tisch ziehen.

    Der Absatz von Scherz-Kontaktlinsen wird boomen!

  6. da werden viele nicht mitmachen. und die kriminalität wird explodieren.

    wenns überhaupt wahr is.

    hf;)

  7. Ganz ehrlich: Ich verstehe hier den Unterschied zu der Streetview-Debatte nicht. Meine Häuser stehen in der Öffentlichkeit herum, gut. Genauso laufe ich selbst aber auch für potenziell alle Menschen frei sichtbar auf öffentlichen Plätzen umher. Was ich in der Öffentlichkeit tue, davon kann ich nicht erwarten, dass es niemand mitbekommt und dazu gehört eben auch, mich irgendwo aufzuhalten. Klar: Google veröffentlicht die „öffentlichen“ Daten und die jeweilige Stadtverwaltung/Regierung tut das nicht. Trotzdem verstehe ich noch nicht, warum man bei Streetview strikt in die eine und hier in die andere Richtung argumentiert.

    (soll gar nicht provokant gemeint sein, ich möchte nur, dass es mir jemand erklärt.)

  8. Markus,
    deine Häuser haben weder Grundrechte, noch kann man die per StreetView „überwachen“. Streetview zeigt nur statische (und sehr bald alte) Fotos.
    Oder anders: Jeder könnte dich auf der Straße sehen. Aber niemand kann protokollieren welche 64.571 Individuen an einem (oder jedem) realen Tag am Bahnhof umgestiegen sind.. (Und fängt man mit dem Protokollieren mal an, bleibt es nicht beim Bahnhof.)

  9. Es wird wohl immer Leute geben, die glauben, die Zeit sei reif fuer normierte Monokultur.

    @markus „Trotzdem verstehe ich noch nicht, warum man bei Streetview strikt in die eine und hier in die andere Richtung argumentiert.“
    Nutzen fuer alle vs. Nutzen fuer wenige

    @hagen: Diejenigen werden verdaechtig sein, die nicht die RFID-verkrypteten „Darkhatgoggles“ tragen werden. Muaharhar.

  10. Uhh, tolles system, kommt mir vor wie „DNS-Sperren“ wirkt für 90% der Normalbevölkerung, aber wer Interesse hat es zu umgehen hats leicht (gefärbte kontaktlinsen, Sonnenbrille… fällt nichmal auf weil jeder eine hat).

  11. Pingback: Vorbereitungen: Freiheit statt Angst 2010 « HEARTS at MINDS !?

  12. Pingback: Überwachung total » Europnews

  13. @Ralf Muschall
    Du meinst, Authorisierung wird mit Identifizierung (Authentifizierung) verwechselt, oder?
    Mal sehen, wann die ersten Iris-Extraktoren in ebay gehandelt werden. Auch wenn das nicht funktioniert, irgendjemand wird es probieren.

  14. Ich glaube diese Irisscanner werden sich nie durchsetzen. So schick wie das in den Scince Fiction Filmen auch immer dargestellt wird halte ich es doch für etwas realitätsfremd. Zudem ist auch so ein System nicht vor Missbrauch geschützt. Vom Datenschutz mal ganz zu schweigen.

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