Das Niemöller-Gedicht ist abgelutscht, und ich habe es letztens trotzdem getwittert. Erst Aktivist_innen, dann Hacker_innen, jetzt Journalist_innen, dann..? Die Presse ist einigermaßen erschüttert angesichts der zertrümmerten Guardian-Festplatten, zu recht. Ich gebe zu, ich auch. (Warum hat Rusbridger eigentlich nicht früher darüber geredet?)
Dass wir alle überwacht werden – einige ahnten das. Dass die Mail-Provider zumachen und im Raum steht, dass uns bald die technische Grundlage für das K in Informations- und Kommunikationstechnologien fehlt, hinterlässt ein unwohles Gefühl. Und jetzt wird die Presse zum Staatsfeind. Nicht hier, immerhin nur in Großbritannien – hier würde sowas nie passieren. Oder? Das ist schon eine ziemlich deutliche Machtdemonstration.
Noch nicht ganz wach hörte ich heute morgen bei Radio Eins den Kommentar von Hajo Schumacher, der empört feststellte
Mit dem Totschlagargument Terrorabwehr kann man offenbar alle demokratischen Grund- und Bürgerrechte außer Kraft setzen.
Guten Morgen, dachte ich. Schön, dass das dem Journalisten jetzt auch auffällt. Andererseits – ich wiederhole das in Variationen auch ständig und bemühe mich, nicht allzu abgeklärt daherzukommen. Bei Thadeusz und die Beobachter letzten Dienstag (ca. Min 15-30) wirkte er nicht so, als ob ihm der Gedanke gerade erst gekommen sei. Eine angenehm direkte Sendung, übrigens (thx defa).
Dann spülte mir Daniel Bröckerhoff ein Interview mit Annie Machon in die Timeline. Ehemalige MI5-Agentin, Whistleblowerin und also Kennerin der Materie ‚Geheimdienste in Großbritannien‘.
Ihre Geschichte ist schon wieder weitgehend vergessen und das ist ein Kern des Problems: Solche Geschichten gibt es genug. Aber der Glaube an das Gute im Politikbetrieb – insbesondere auch der Medien – führt dazu, dass sie ganz schnell verdrängt werden. Die Nähe zwischen Qualitäts-Journalist_innen und Politiker_innen ist für die Kontrollfunktion der Medien ungefähr so förderlich wie die Nähe zwischen Staatsanwaltschaft und Ermittlungsrichter_inen für die kontrollierende Funktion des Richtervorbehalts.
Schön wäre, wenn der Festplatten-Skandal dazu beitrüge, dass Journalismus wieder auf Kritik statt auf Klickzahlen setzt. Aber wie soll das dann profitabel..? Da liegt das Problem: Kritik ist nicht profitabel, jedenfalls nicht solange der Gesellschaft nach Kräften suggeriert wird, dass hier im wesentlichen alles in Ordnung sei. Damit dreht sich das dann ein bisschen im Kreis.
Zurück zu Annie Machon:
Obama und auch Bundesinnenminister Friedrich haben sich in diese Debatte eingemischt und behaupten, dass wir Programme wie Prism brauchen, da sie schon Terroranschläge verhindert hätten.
Ich glaube nicht, dass das korrekt ist. Ich glaube, dass sie uns bewusst fehlleiten. Als in Großbritannien schärfere Gesetze dazu verabschiedet werden sollten, wie lange man Terrorverdächtige festhalten darf, hat der Chef der städtischen Polizei einfach gelogen und die Zahl der Fahndungserfolge, die durch diese Methode erzielt wurden, verdoppelt. Er musste sich später dafür entschuldigen. (vice.com)
Annie Machon hat das von innen erlebt und kennt sich aus. Ich habe sie 2007 kennengelernt, als sie ihre Geschichte über MI5, GCHQ und ihre Flucht als Whistleblowerin beim Kongress des Chaos Computer Clubs erzählt hat, einen Tag, nachdem ich dort über unsere Überwachungsgeschichte erzählt habe. Es lohnt sich, sie sich ganz anzuhören:
Foto: George Rex via photopin CC-BY-Lizenz
Pingback: Jornalist geworden: prof. dr. Offensichtlich | Schwerdtfegr (beta)
Hallo Anne!
Bezüglich Anne Machon kommt mir auf den ersten Blick eine Nähe zu den 9/11 Truthern in den Sinn. Ich will A. Machon nicht gleich vorverurteilen, da ich die Clips von ihr noch nicht gesehen habe, aber schau mal hier: https://www.youtube.com/results?q=Annie+Machon
Da ist ein Vortrag zu 9/11 und false flag und in einem Interview mit RT soll sie wohl wissen, daß der Mossad hinter 9/11 steckt.
Ich weiß gar nicht, wie ich mich jetzt dazu verhalten soll…am besten gar nicht?
Wäre da sehr an Deiner Meinung interessiert!
Pingback: Links 2013-08-24 | -=daMax=-
Das wundert mich überhaupt schon recht lange: die Berichterstattung der Journalisten aus der reinen Beobachterposition.
Extrem selten kommt da eine Betrachtung bzgl. des Quellenschutzes. Wer kann einem Journalisten überhaupt noch als Quelle dienen, wenn er sich an diesen nicht mehr auf elektronischem Wege wenden und dieser auf ebensolchem Wege diese Daten nicht mehr weiterleiten kann? Die veröffentlichte Kurzsichtigkeit der Journalisten, welche aber gern die Vorzüge einer postulierten „4. Gewalt“ in Anspruch nehmen, macht neugierig. Ist das purer Opportunismus? Feigheit vor dem Feind? Übertriebene Trennung zwischen privater und erwerbsmäßiger Meinung? Oder denken die wirklich nur von der Wand bis zur Tapete?
Pingback: Prism und die Auswirkungen auf unser Leben - Seite 391