Die Häuser denen, die drin wohnen

Cover der DVD "Herzlichen Glückwunsch - die Mainzer wird geräumt"Ich habe endlich den im November erschienenen Film zum 20. Jahrestag der Räumung der Mainzer Straße gesehen: „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag – die Mainzer wird geräumt“.

Das Thema liegt in der Luft. Die auch vor 21 Jahren besetzte Liebigstr. 14, ebenfalls Berlin-Friedrichshain, wird am 2. Februar geräumt, wenn es nach dem Willen des Innensenators geht – früher wurden Räumungen schonmal abgeblasen, wenn der Senator fand, das eine Räumung den Frieden in der Stadt unnötig gefährde. (Putzig sind übrigens dann widerspruchslos nebeneinander stehende Tagesspiegel-Überschriften wie Friedrichshain: Militante Linke bedrohen grünen Bürgermeister vs: Bevorstehende Räumung: Liebigstraße: Ruhe macht Polizei misstrauisch)

In Mitte fand letzten Freitag ein Erzählcafé samt Ausstellung zu den besetzten Häusern in Ostberlin 90/91 statt, bei dem viele Erinnerungen hochkamen. Gibt es die Ausstellung eigentlich noch weiter zu sehen? Wo?

Zurück zum Film: die DVD kann im gut sortierten Buchhandel erworben werden, für knapp 12 Euro, und das lohnt sich für alle, die sich für Bewegungsgeschichte interessieren. Es erzählen Protagonisten von damals, und einigen ist anzumerken, wie die Erinnerungen wieder hochkommen. Schön, dass Katrin Rothe den Film gemacht hat, eigentlich bräuchten wir noch viel mehr solche Dokumentationen aus dieser ziemlich einzigartigen Zeit. Halb Friedrichshain stand leer, der Ostberliner Magistrat war nicht mehr zuständig und sowieso mit anderen Problemen beschäftigt, und die Westberliner Polizei durfte noch nicht in den Osten. Dann kam der kurze Sommer der Anarchie, mit über 100 besetzten Häusern. Dann kam die Übernahme Vereinigung, dann die Räumung der Mainzer Strasse. Und dann kehrte wieder Ordnung ein.

Die 40 Minuten sind viel zu kurz, aber vielleicht für einen Eindruck gerade richtig. Schade, dass von den BesetzerInnen nur Männer zu Wort kommen; aber die vier zeichnen schon ein Bild, dass die Unterschiedlichkeit der damals Beteiligten gut wiedergibt. Mir fehlt ein Satz dazu, dass nicht nur die Polizei viele Steine abgekriegt hat, sondern dass nach der Räumung viele von denen, die in der Mainzer Straße geblieben sind, krankenhausreif geprügelt wurden, erklärtermaßen als Rache für die drei Tage, die es dauerte, bis geräumt werden konnte. Nur Bärbel Bohley sagt dazu, was wir alle damals dachten: es war pures Glück, dass niemand gestorben ist.

Das Interview mit ihr, kurz vor ihrem Tod im Sommer 2010, ist zusätzlich in ganzer Länge auf der DVD. Sie sagt eine ganze Menge kluge Dinge, die ich ihr nicht zugetraut hätte – wieder ein Vorurteil auf den Kopf gestellt.

Außerdem gibt es den fiktiven Hausbesetzer-Film „Die Ex bin ich“:

Es wird eine Geschichte nacherzählt, die sich so oder so ähnlich damals abgespielt haben soll – das ist aber auch gar nicht so wichtig. Das Beste am Film ist die Ausstattung. Ich hatte das Gefühl, dass mir plötzlich der Geruch der Häuser wieder in die Nase steigt. Der Fussbodenbelag, die Putzmittel, der Wein, die Kohleöfen..

Danke an Katrin Rothe. Kauft Euch die DVD (aber nicht bei Amazon!)

Ausschnitte einer Podiumsdiskussion zum Film „Die EX bin ich“ im Prater.

http://www.youtube.com/watch?v=q1UkKGOXHz0

Beteiligt: Ralf Hirsch, damals persönlicher Referent von Walter Momper, Oberbürgermeister von Berlin, später Beauftragter für ’schwierige Häuser des Senats; Dorothee Dubrau, damals Baustadträtin in Mitte, Andrej Holm und Urs (?), die bis heute in der Kule (Auguststrasse) wohnt.

3 Gedanken zu „Die Häuser denen, die drin wohnen

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  2. Auch ich habe mir die DVD gekauft, da ich die Kinovorführungen leider verpasste und ich muss Dir zustimmen: Die 40 Minuten sind für die Geschichte der Mainzer Strasse und die damit verbundene Geschichte der Häuserbesetzungsbewegung der 1990er Jahre in Berlin viel zu kurz geraten. Aber als Einstieg sehr zu empfehlen 😉
    Bei dem Film „Die Ex bin ich“ kamen auch bei mir viele Erinnerungen hoch …

    Zum intesiveren audiovisuellen Erinnern empfehle ich den Film „Kollektiv Mainzer Straße – Sag niemals nie“ – ein schönes und eindrucksvolles Zeitdokument. Auch bei youtube anschaubar http://www.youtube.com/watch?v=VZvbgJthCUA oder in der Videothek Eures Vertrauens fragen 😉

    LG Gerda

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