Video zu Polizeigewalt in Berlin aufgetaucht

Andreas Förster hat für die Berliner Zeitung einen alten, ziemlich spektakulären, Fall von Polizeigewalt ausgegraben. So spektakulär ist er eigentlich gar nicht, eher gewöhnlich. Das Spektakuläre ist, dass es eine Aufnahme gibt, mit der ausnahmsweise belegbar ist, was tatsächlich stattgefunden hat.

Linke Gewalt gegen die Polizei ist wieder in aller Munde. Dass der statistische Anstieg in der Regel die Folge davon ist, dass Opfer von Gewalt durch die Polizei auch Anzeigen wegen Widerstands gegen die Polizei kriegen, ist den meisten QualitätsjournalistInnen zu kompliziert.

Die Anzeigen wegen Körperverletzung gegen die gewalttätigen PolizistInnen werden eingestellt, weil die Polizeizeugen einstimmig für ihre KollegInnen aussagen und die ZeugInnen der Opfer entweder nicht aussagen wollen (weil sie weitere Repressalien befürchten) oder aber also nicht glaubwürdig eingestuft werden. Dazu demnächst noch mehr.

Im August 2006 wird ein Mann bei einer Demonstration gegen Nazis in der Wisbyer Straße in Berlin-Pankow so schwer verprügelt, dass er mit Schädelbruch bewusstlos im Krankenhaus landet. Im Juli 2007 wird er wegen besonders schweren Landfriedensbruchs und versuchter Körperverletzung zu einem Jahr und fünf Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Er sei vermummt gewesen, habe einen Stein in der Hand gehalten, sei auf Polizisten losgestürmt.

Bei Indymedia gibt es seit Januar 2007 ein Video, das zeigt, dass das nicht stimmt (etwa Min. 6:30 – 8:35). Aktuell gibt es noch keine einbindbare Version. Downloads als rm-Video oder bei upload.to als mp4 (53mb). (Andreas Förster: Januar 2007 ist nicht ‚vor einigen Wochen‘).

Zwei Zivilbeamte, die das Geschehen auf der Wisbyer Straße beobachteten,
sagten aus, sie hätten bei B. keinen Stein gesehen. Die drei Beamten,
die den Studenten überwältigten, blieben jedoch bei ihrer Aussage. Das
Gericht hielt sie für glaubwürdiger, weil sie keinen Grund hätten, so
der Richter, die Unwahrheit zu sagen.

Einen Grund hatten sie aber schon, denn auch B. hatte damals Anzeige
erstattet wegen Körperverletzung. Das Verfahren wurde eingestellt. Als
sich Paul B. in einem Brief hilfesuchend an die Senatsjustizverwaltung
wandte, antwortete ihm Wochen später die Staatsanwaltschaft. Es gebe
„erhebliche Zweifel“ an seiner Darstellung, stand in dem Brief, und der
Satz: „Ich darf Sie vorsorglich darauf hinweisen, dass auch die falsche
Verdächtigung von Polizeibeamten eine Straftat und auch einen
Bewährungsbruch darstellen kann.

Er habe das als Drohung empfunden,
die Sache endlich ruhen zu lassen, sagt Paul B. heute. „Ich hatte Angst,
ich muss ins Gefängnis, wenn ich weiter um mein Recht kämpfe.“ Erst als
das Video im Internet auftauchte, habe er Mut gefasst, die Anzeige zu
erstatten. (Berliner Zeitung, 10.7.10 – Hervorhebung von mir)

Helmut Lorscheid hat den Fall in Außer Rand und Band – Polizeigewalt in Berlin bereits im Dezember 2007 für hintergrund.de beschrieben:

Die Staatsanwaltschaft stellte letztlich das Verfahren gegen die Beamten
ein. Sie kam zu dem Schluß: „Nach dem Ergebnis der Ermittlungen,
(…) ist den Beschuldigten ein rechtswidriges Handeln im Sinne einer
vorsätzlichen oder fahrlässigen Körperverletzung im Amt nicht zur Last
zu legen“
(2) (..)

Im Gerichtsbeschluß wurde das Opfer zum Täter, es wurde im Zusammenhang
mit Delikten zum Landfriedensbruch verurteilt, die Polizisten nicht
einmal wegen Körperverletzung angeklagt. Die Verletzungen des
Polizeiopfers beeindruckten das Gericht nicht sonderlich: „Der
Angeklagte erlitt durch den Polizeieinsatz, in dem er von den
Polizeibeatmen möglicherweise auch in den Kopfbereich geschlagen wurde
und indem er möglicherweise ungeschützt mit dem Kopf auf den Boden bzw.
auf ein festes Körperteil eines Polizeibeamten fiel, erhebliche
Verletzungen. Der Angeklagte war zeitweilig bewußtlos und mußte in
diesem Zustand in die Rettungsstelle des Krankenhauses Friedrichshain
verbracht werden. (…)Folgeschäden sind beim Angeklagten aufgrund des
Vorfalles nicht zurückgeblieben… .“
(4) Tatsächlich erlitt der
Betroffene eine Orbitalbodenfraktur, und muß zeitlebens ein Implantat
tragen. (5) 

Paul B. hat jetzt Anzeige wegen Falschaussage erstattet.

4 Gedanken zu „Video zu Polizeigewalt in Berlin aufgetaucht

  1. während die Nazis marschieren hält unsere ach so gute und erhabene Ordnungsmacht mal nebenbei ihre Bundespolizeispiele ab …

    aber is ja alles nicht wahr … lieber wird mit der „linken Gefahr“ demagosiert und weiterhin unsere Rechte mit Füssen getretten oder an den Ohren gezogen …

    man hat die Wahl … weil wir sind ja frei ^^

  2. Stellt die Uhren eurer Handykameras und filmt schön. Wie im Falle der Polizeigealt bei Freiheit statt Angst lassen sich aus Versatzstücken dann ganz gute Gesamtdokumentationen zusammenschneiden.
    Wer Angst vor Übergriffen auf sich und andere hat der geht bitte in Zukunft mit Kamera auf demos, vielleicht achtet ihr beim Kauf von Kameras/Smartphones, falls ihr Aktivisten seit, auf ein ordentliches Bild, oder greift gleich zum Camcorder.
    Mit billigen tricks lassen sich die dann auch noch so benutzen das die bilder nicht die typische wischwackelruckel Qualität haben 😉

    Das Zeitalter von verschwundenem Bildmaterial bei der Polizei oder flasch gewählten Bildausschnitten ist dann bald vorbei.

  3. es müssten sich doch belege in datensätzen finden lassen, die den anstieg von anzeigen wegen körperverletzung gegen polizisten im dienst belegen, sodass dieser „blinde fleck“ im sichtfeld der „qualitätsjournalisten“ sich fix beseitigen ließe, oder nicht? die bloße behauptung klingt zwar logisch, scheint aber leider im medialen diskurs noch nicht so viel wert, immerhin hat ihn bisher noch niemand von „rang und namen“ geäußert…

  4. Könntest Du diese billigen Tricks bitte erläutern oder auf jemanden verweisen der das tut?

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