Buzz off! Mehr Google-Bashing

Just während sich die deutschen Medien gemeinschaftlich in verdaulichen
Dosen Google vorknöpfen, hat der Konzern einen neuen Hype in die Welt
gesetzt: Buzz. Ein neues soziales Netzwerk.

Christian Fuchs hat wenige Tage später einen Text darüber geschrieben,
den ich insbesondere den Buzz-Groupies gern ans Herz legen möchte: 

Google Buzz: Economic Surveillance –
Buzz Off!
The Problem of Online Surveillance and the Need for an Alternative
Internet

Zu deutsch: Google Buzz: Wirtschaftsüberwachung – verschwinde! Das
Problem der Online-Überwachung und die Notwendigkeit eines alternativen
Internets.

Der gefiel mir als notorischer Google-Kritikerin, deswegen
versuche ich mal eine Zusammenfassung. Die Ideen und Recherchen sind
nicht von mir, sondern von Christian Fuchs:

Ausgangspunkt ist das
schlechte Abschneiden des vorigen sozialen Netzwerks von Google im
Vergleich mit etwa Twitter und Facebook. UserInnen hinterlassen in den
Netzwerken Massen an persönlichen Informationen, die als Quelle für
zielgerichtete Werbung Gold wert sind. Google ist selbst mit Google
Adsense im Online-Werbemarkt stark vertreten. Es liegt also nicht so
fern, ein deutliches Interesse an Optimierung ihrer Werbeangebote zu
unterstellen. 

Googles Mail-Service Googlemail, oder GMail, wurde
im Februar 2010 von ca. 150 Mio. Menschen benutzt.  Buzz wurde in GMail
integriert, denn damit verbreitete es sich quasi von selbst. Allerdings
passierte Google im Verlauf ein kleiner Datenschutz-GAU.

Datenschutz
ist gewissermaßen der natürliche Widerspruch zu Googles
Konzerninteressen. Der CEO (~Chef) Eric Schmidt sagte dazu Folgendes: "Wenn
es etwas gibt, von dem Sie nicht wollen, dass es bekannt wird, dann
sollten Sie es vielleicht gar nicht erst machen
".

Christian Fuchs
interpretiert das so: Dieses Statement ist ein Indikator dafür, dass
Google, oder zumindest seine wichtigsten Manager und Shareholder der
Privatsphäre keinen hohen Wert beimessen. Schmidts Statement impliziert,
dass er der Meinung ist, dass alle Informationen und persönlichen Daten
in der Online-Welt öffentlich sein und für Unternehmen für
wirtschaftliche Zwecke zur Verfügung stehen sollten.

Mit dem Start von Buzz am 9. Februar wurde bei der Installation
aus den häufigsten GMail-Kontakten automatisch Follower in Buzz
generiert. In der Standard-Einstellung waren alle diese Personen
öffentlich sichtbar. Nach massiver öffentlicher Kritik wurde das am 13.
Februar etwas modifiziert, außerdem die zunächst automatische Einbindung
der Google Plattformen Picasa und Google Reader. Noch immer waren die
kritisierten Einstellungen Standard, aber immerhin wurde erst gefragt,
ob die UserInnen mit den jeweiligen Vorschlägen einverstanden seien.

Neue
(Google-)Anwendungen haben vor allem den Zweck, sagt Christian Fuchs,
wirtschaftliche Interessen zu bedienen, die durch ausgedehnte
Überwachung der UserInnen realisiert werden. Immer mehr Menschen sind
immer mehr online – etwa durch mobile Geräte, mit denen auch die
Wartezeit auf den Bus im Netz verkürzt wird. Damit wird es immer
attraktiver, entsprechende Anwendungen der jeweiligen Unternehmen zur
Verfügung zu stellen, die den Effekt haben, dass mehr Menschen auf sie
zugeschnittene Werbung präsentiert werden kann, was den Unternehmen mehr
Geld bringt.

Google Buzz ist Teil des "Google-Imperiums der
ökonomischen Überwachung", und macht auch gar kein Hehl daraus:

Wenn Sie Google Buzz verwenden, zeichnen wir möglicherweise
Informationen zu Ihrer Verwendung des Produktes auf, wie die Posts, die
Ihnen gefallen, oder Kommentare zu Posts, sowie die anderen Nutzer, mit
denen Sie kommunizieren, um Ihnen eine optimale Erfahrung mit Google
Buzz und anderen Google-Diensten zu ermöglichen und die Qualität der
Google-Dienste zu verbessern. … Wenn Sie Google Buzz auf einem
Mobilgerät verwenden und auswählen, dass
Posts, "in der Nähe" angezeigt werden sollen, wird Ihr Standort von
Google erfasst. (aus den
Buzz-Datenschutzbestimmungen
)

Christian Fuchs kritisiert vor allem, dass viele der
Buzz-Einstellungen sog. Opt-out-Einstellungen sind: sie müssen einzeln
deaktiviert werden, anstelle der wesentlich Datenschutz-freundlicheren
Opt-in-Variante, bei der die verschiedenen Optionen aktiv eingestellt
werden müssen.

Außerdem kritisiert er vor dem Hintergrund der nicht zu leugnenden
ökonmischen Interessen kommerzieller Plattformen die "Wir teilen alles
(mit)"-Ideologie, der im Netz kaum auszuweichen ist. Wäre dem so, würden
alle gleichermassen von den kommerziellen Angeboten profitieren –
gewissermaßen die Win-win-Situation, dass die UserInnen immer online
kommunizierend glücklich sind und die Firmen auch noch Geld verdienen.
Da Unternehmen aber von der Idee her schon keine gemeinnützigen
Einrichtungen sind, ist eine gesunde Portion Skepsis vielleicht nicht
allzu weltfremd. Buzz ist ein Beispiel für das Problem, Google
Streetview oder Goggles
sind andere.

Googles Quasi-Monopol sei in verschiedener Hinsicht problematisch:

  • ideologisch – es wird eine Realität präsentiert, die von denen
    gestaltet wird, die es sich leisten können
  • politisch – Geld macht Politik, denn Einfluss kostet
  • Monopole sind schlecht für die Leute, die für sie arbeiten, weil
    die für Löhne und Arbetsbedingungen schlechte
    Verhandlungsvoraussetzungen haben
  • Wirtschaftliche Zentralisierung ist schlecht für den Markt
  • wegen der Überwachungsgefahr. Große Datenmengen, ob in staatlichem
    oder Privatbesitz, können für Rasterfahndung, für Data Mining genutzt
    oder schlicht verkauft werden, enthalten Fehler, stehen im völligen
    Widerspruch zum Gebot der informationellen
    Selbstbestimmung
    .

Angesichts der absoluten Dominanz von Google im Online-Werbemarkt hat
Christian Fuchs die optimistische Idee, uns wäre durch ein alternatives
Internet zu helfen. Erster Schritt: die stärkung alternativer
Online-Plattfomen.

Leider konterkariert er sich selbst ein bisschen durch die Einbindung
von Add-This-Buttons, die das Weiterverteilen seines Artikels in die
diversen Online-Plattformen vereinfachen.  Der mit Abstand Größte, ganz
oben: Buzz.

 

Der Text wird 2011 in einem Sammelband mit dem Titel "Internet und
Überwachung" erscheinen.

8 Gedanken zu „Buzz off! Mehr Google-Bashing

  1. Schlimm ist, dass man gegen die Dummheit/Sorglosigkeit seiner Mitmenschen nichts machen kann. Man kann kaum verhindern, dass Dritte „plaudern“. Mach dem Motto: „Lieber Nutzer X, wer wohnt alles in Deiner Nachbarschaft?“

  2. Ich denke, dass es natürlich auch um ökonomische Erwägungen geht. Das ist so offensichtlich, dass muss gar nicht erklärt werden. Was mich aber mindestens genauso stört, ist der Versuch, eine Insellösung zu machen, wo die Insel so groß ist, dass Du dahin musst, um dabei zu sein. Und dann kannst Du dein gesamtes digitales Leben (Mail, Photos, Videos, Blog, Mikroblog, Nachrichten, …) bei Google ablegen.

    Vor ein paar Jahren gab es von Google noch diese OpenSocial Initiative, also eine offene API für soziale Netzwerke, um die miteinander zum kommuniziereren zu kriegen. Quasi so eine noborder Idee für’s Internet. Damit hätte ich theoretisch wohl auch sagen können, nöö, ich will nur meinen Blog haben, aber die Leute bei facebook können mich trotzdem als Freund haben. und so weiter. Das war eine gute Idee.

    Buzz ist jetzt genau das Gegenteil. Anstelle offener Standards setzt Google vermehrt auf proprietäre Insellösungen, zu denen es kaum Alternativen gibt. Also müssten wir sowas verstärkt aufbauen.

  3. Das mit dem „Share this“-Button ist mir auch gleich aufgefallen. Hinterlässt einen faden Beigeschmack. Andererseits: So kann man 150 Mio. Menschen auf einmal erreichen. Ob diese aber empfänglich für (berechtigte) Google-Kritik sind?

    Ich finde auch den von dir gewählten Titel „Bashing“ nicht gerade günstig – das hört sich weniger nach fundierter Kritik als nach Hau-drauf-Argumenten an! Was irgendwie schade ist…

  4. es geht noch schlimmer. diverse twitter-tools fragen erst gar nich, ob sie deine geo.location verbreiten dürfen, nach abstellmöglichkeiten sucht man vergebens (bei mir gelöscht, daher keine links).

    da hilft nur http://www.ghostery.com/ oder als ultima ratio http://suicidemachine.org/.

    Aber, wie @Muss Sein schon sagt: Schlimm ist, dass man gegen die Dummheit/Sorglosigkeit seiner Mitmenschen nichts machen kann. ist ja auch alles so schön bequem…

  5. Google ist kein Monopolist im Sinne von Microsoft (das sich des öfteren, z.B. bei ODF u. Samba, unlauter einen Vorteil verschafft hat). Google ist Marktführer durch technologischen Vorsprung. Jeder, der es will kann SOFORT nicht mehr mit Google suchen, kein GoogleMail nutzen, usw. Google macht es den Leuten sogar explizit einfach mit Sack und Pack zu gehen. Buzz hat keinerlei Daten öffentlich präsentiert bevor man nicht mind. 1x auf „OK, ja ich will das jetzt machen“ geklickt hat. Dort war ein Haken zu sehen, dass man seine „Listen öffentlich“ machen will, und dass man mind. „Vor- und Nachnamen öffentlich“ machen muss. Sorry, wer nicht lesen kann ist selbst Schuld. „Wollen Sie, dass jemand eine Flasche Bier über ihrem Kopf ausgießt?“ -> „Ja, bitte!“ Aber dann über klebrige Haare jammern. Googles Fehler war schlicht und einfach den DAU nicht zu berücksichtigen.

  6. Hallo Anne,

    aus unerfindlichen Gründen ist Dein Beitrag erst heute in meinem Feedreader aufgetaucht. Die Idee mit einem alternativen Internet (z.b. mit „OpenCommunites“ statt Facebook) und die Kritik am Einbinden diverser Dienste teile ich auch. Besonders auf die Facebook-Buttons auf diversen Seiten reagiere ich inzwischen regelrecht allergisch. Aber hättest Du dann konsequenter nicht auch darauf verzichten müssen, das YouTube-Video einzubinden?

    Schließlich wird damit
    1. die IP-Adresse von jedem, der diesen Artikel aufruft, an YouTube/Google gesandt. Selbst wenn man das Video NICHT startet.

    2. wer gerade bei Google eingeloggt ist, kann über Google-Cookies identifiziert werden. Schließlich werden bei der Video-Einbindung Skripte erlaubt.

    3. In den meisten Fällen dürfte Deine Artikel-URL als Referer gleich mitgesendet werden, falls der Nutzer dies nicht im Browser abstellt hat (ich empfehle, ganz nebenbei, das Firefox-Plugin „RefControl“).

    In nicht wenigen Fällen weiß Google also, wer, von welcher IP aus, wann diesen Beitrag gelesen hat. Und wenn er das öfters macht, und vielleicht auch noch auf ein paar anderen (linken) Seiten, die auch Youtube-Videos einbinden, kann Google das gleich mal zum Persönlichkeitsprofil hinzuaddieren. Und das ganze OHNE dass der Nutzer auf Google.com/.de oder Youtube.com war oder gar die Google-Toolbar installiert hätte.

    Nicht so schön, das ganze.

  7. „Google Buzz“ als Social Sphere Komponente
    Jetzt will man mal „Google Buzz“ als Social Sphere Komponente in die eigene Webseite als „Buzz(er)“ Einpflegen, und dann das… „3“ Fehler im W3C Markup Validation Service>> NEIN…. Kotz, denn ich hab mir doch sooooo viel Mühe gegeben die letzten 90 oder waren es 120??? Fehler auszumerzen…. kann mir jemand ernsthaft erklären aus welchem Grund Google einen solchen fehlerhaften, (aus W3C Sicht) CODE für ein Gadget zur Verfügung stellt ?? Ich sage häää… und will es nicht verstehen.
    Muss ich mir jetzt ernsthaft darüber Gedanken machen wie dieser von Google bereitgestellte „Google Buzz“ Code Snipe so zu verändern ist, dass er eben auch noch angezeigt wird???
    Ich finde Google Buzz sinnvoll da sowieso viele ein Google Account unterhalten und Inhalte also Content somit leicht zu transferieren ist. Die W3C Fehler nerven hat jemand eine Idee… oce

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