Die Polizei und die Freiheit

Bei der Demonstration "Freiheit statt Angst" gestern hat es verschiedene Übergriffe durch die Polizei gegeben. Einer davon wurde per Video dokumentiert und umgehend vom CCC ins Netz gestellt, bei Fefe gibt es diverse Formate davon. Der CCC sucht ZeugInnen des Vorfalls, die sich per Mail an mail@ccc.de melden sollen.

Um diese Geschichte ist ein enormer Hype entstanden. 

Die Netzwelt und im Laufe des Tages auch die Medien diskutieren rege über die hier deutlich sichtbare Polizeigewalt. Natürlich ist es wichtig, solche Fälle wie den im Video aufzugreifen und dafür zu nutzen, erstens den Betroffenen zu helfen und zweitens Polizeigewalt anzuprangern. Gern auch, ihn für Kampagnen wie für die Kennzeichnung von PolizistInnen zu nutzen und für die Aufklärung von Menschen, die sich sonst weniger mit diesen Themen beschäftigen. Falsch wäre, dies als herausragenden Einzelfall wahrzunehmen.

Es hat offenbar noch eine Menge anderer ähnlicher oder auch schlimmerer Vorfälle gegeben. Nach einer Erklärung des "Antikapitalistischen Blocks", vulgo "Schwarzer Block", gab es eine Reihe von Leuten, die im Krankenhaus behandelt werden mussten.

Die Polizei sah sich inzwischen genötigt, sich auch zu erklären und berichtet von 19 (vorläufigen) Festnahmen. Ganz anders berichtet über die dort beschriebenen Dinge Adrian Lang, der daneben stand.

In den Diskussionen um diesen Vorfall wird viel Freude laut, dass die prügelnden Beamten ja über die Nummer auf ihrer Uniform zu identifizieren sein müssten. Das wird in einem Kommentar dazu bei Netzpolitik aufgeklärt:

bevor hier missverständnisse aufkommen:
die rückennumer 2212 bedeutet:
2. bereitschaftspolizeiabteilung (stationiert in tegel, soweit ich weiß)
2. hundertschaft
1. zug (in berlin der beweissicherungs- und festnahmezug)
2. gruppe.

da eine gruppe 8-10 polizistInnen umfasst, bringt einem die
rückennummer gar nichts, da eine straftat individuell zugeordnet werden
muss. die einzelnen bullen sind aber unterhalb der gruppenebene nicht
mehr individuell gekennzeichnet, ergo ist eine strafverfolgung so gut
wie unmöglich.

Und was in der Regel geschieht, wenn es zu einem Verfahren kommt, selbst wenn die betreffenden Beamten bekannt sind und selbst wenn es ZeugInnen gibt, ist gut bei Antischokke nachzulesen. Da haben nämlich die ZeugInnen gleich noch ein Verfahren wegen Falschaussage vor Gericht dazu bekommen.

Während der Abschlusskundgebung war vom Bereich hinter der Bühne aus nur Geschrei und Gerenne zu erkennen und eine festgenommene Person wurde waagerecht vorbeigetragen. Man erzählte sich, dass es eine Festnahme wegen Vermummung gegeben habe. Ein junger Pirat sagte mir sinngemäß: "Die vom schwarzen Block sollten nicht an solchen Demos teilnehmen,
dies ist eine friedliche Demo!". Als ich entgegnete, dass hier doch
aber gar keine Gewalt vom schwarzen Block ausgegangen sei, dachte er
kurz nach und sagte "Stimmt".

Mehr Kommunikation zwischen jungen ParteianhängerInnen und jungen AntikapitalistInnen würde sicher nicht schaden.

Wichtig finde ich, dass sich alle an dieses Video erinnern, die sich bei den regelmäßigen wiederkehrenden Medienberichten über grundlos herumrandalierende Chaoten aus dem Schwarzen Block fragen, wer diese kopflosen Spinner sind. Und daran denken, dass solche Berichte in der Regel aus den Pressemitteilungen der Polizei generiert werden.

Damit will ich nicht sagen, dass bei Auseinandersetzungen mit der Polizei immer alle Gewalt von der Polizei ausgeht. Sondern, dass die Berichte darüber extrem einseitig sind, weil Material wie das von gestern so selten ist bzw. in der Regel in den Medien nicht auftaucht.

18 Gedanken zu „Die Polizei und die Freiheit

  1. „Werden von Polizisten begangene Straftaten nicht mit der selben Härte verfolgt wie die ebenfalls verabscheuenswürdigen Angriffe von Demonstranten auf die Beamten, und wenn falsch verstandener Korpsgeist die Strafverfolgung behindert, besteht die Gefahr, dass das Internet als öffentlicher Pranger mißbraucht wird. Der Achtung vor unserem Staat und seinen Organen wird durch Vertuschung dieser Vorkommnisse ein Bärendienst erwiesen.“
    Komisches Ende der Forderung nach bundeseinheitlichen Nummernschilder für Polizisten, oder? Ich hoffe so’n Schmarrn ist kein Konsens beim CCC…

  2. @Franki

    Weil hier zwei Sachverhalte miteinander verbunden werden (Polizeigewalt bzw. -übergiffe und „verabscheuungswürdige Angriffe von Demonstranten“) zum Beispiel? Und was soll das Bekenntnis zu „unserem“ Staat und die Achtung vor seinen Organen in diesem Zusammenhang, muß ich jetzt bald zum Fahnenappell antreten oder wie?

    Da wird also wieder schöne Gleichmacherei betrieben, vom CCC ist man doch eigentlich anderes gewohnt. Deshalb die Frage, ob das nun eine Einzelmeinung oder die neue Linie vom CCC ist.

  3. „Der Achtung vor unserem Staat und seinen Organen“

    Damit ist mMn gemeint, in Polizisten prinzipiell Retter in der Not zu sehen, wenn ich also beklaut/zusammen geschlagen/sonstwie in meinen Rechten beschnitten werde (oder einfach nur besoffen schlafend auf der Straße liege, und die mich dankenswerter Weise nach Hause fahren… ist ’nem Kumpel schon passiert). Ein solch’ positives Bild wird natürlich schnell zerstört, wenn man das Gefühl bekommt, die Herren ständen außerhalb des Gesetzes.

    Der Bezug auf gewalttätige Demonstranten wurde mMn genommen, um die Gleichheit vor dem Gesetz zu betonen, das Wort „verabscheuungswürdig“ um eine generelle Ablehnung von Gewalt zu verdeutlichen.

    So habe ich diesen Absatz jedenfalls interpretiert.

  4. @7

    Im Endeffekt ist das mit dem Pranger eine versteckte Drohung: Wenn ihr nicht für Gerechtigkeit sorgt, dann werden andere Leute das nicht vergessen, was dann wiederum dem Staat schaden wird.

  5. Nun ja. Ich war bei der FsA-Demo 2007 und dieses Mal dabei. Es war ein Unterschied wie Tag und Nacht. Während ich mich 2007 noch vom eskalationsfördernde Verhalten der Polizei durchaus bedroht fühlte, war sie dieses Mal (wo ich sie erlebte) besonnen und vernünftig.

    Ich habe bei Demos ebenso oft genug Leute miterlebt, die tatsächlich aktiv auf Krawall und Ausschreitungen aus waren und anschließend wurde auf Indymedia über Polizeigewalt rumgeheult.

    Tatsächlich finde ich es falsch, wenn verallgemeinert wird. Weder sind Polizisten immer Täter, noch sind es Demonstranten.

    Hoffentlich bekommt die Diskussion über die Beamtenkennzeichnung jetzt neuen Schwung.

  6. > Komisches Ende der Forderung nach bundeseinheitlichen Nummernschilder für Polizisten, oder? Ich hoffe so’n Schmarrn ist kein Konsens beim CCC…

    Ganz im Gegenteil. Hier wird mal auf sachlicher Ebene dargelegt, dass fehlende Identifikation nicht nur eine Forderung von „uns“ sondern auch im Zweifelsfall ein Problem von „denen“ ist.
    Und sinnvoll argumentiert, statt pauschalisiert. Denn das ist im Normalfall schnell das Ende einer Debatte.

    > Als ich entgegnete, dass hier doch aber gar keine Gewalt vom schwarzen Block ausgegangen sei, dachte er kurz nach und sagte „Stimmt“.

    Zumindest sprachliche Provokation konnte sich der SB nicht verkneifen. Den Rest habe ich nicht mitbekommen. Wer aber mal über die menschliche Natur nachdenkt, kommt vielleicht alleine drauf, dass einem, der ständig beleidigt wird, auch schnell_er_ mal eine Sicherung durchbrennt. Nur mal so als Gedanke. Von Provokation durch Vermummung, Glasflaschen, als Aggression wahrgenommenes Losrennen im Block… wollen wir mal gar nicht reden.

  7. > Komisches Ende der Forderung nach bundeseinheitlichen Nummernschilder für Polizisten, oder? Ich hoffe so’n Schmarrn ist kein Konsens beim CCC…

    Ganz im Gegenteil. Hier wird mal auf sachlicher Ebene dargelegt, dass fehlende Identifikation nicht nur eine Forderung von „uns“ sondern auch im Zweifelsfall ein Problem von „denen“ ist.
    Und sinnvoll argumentiert, statt pauschalisiert. Denn das ist im Normalfall schnell das Ende einer Debatte.

    > Als ich entgegnete, dass hier doch aber gar keine Gewalt vom schwarzen Block ausgegangen sei, dachte er kurz nach und sagte „Stimmt“.

    Zumindest sprachliche Provokation konnte sich der SB nicht verkneifen. Den Rest habe ich nicht mitbekommen. Wer aber mal über die menschliche Natur nachdenkt, kommt vielleicht alleine drauf, dass einem, der ständig beleidigt wird, auch schnell_er_ mal eine Sicherung durchbrennt. Nur mal so als Gedanke. Von Provokation durch Vermummung, Glasflaschen, als Aggression wahrgenommenes Losrennen im Block… wollen wir mal gar nicht reden.

  8. Leider ist es ja die Regel, daß Polizeiübergriffe ungesühnt bleiben. Vor Gericht wird geschwiegen/ sich an nichts erinnert, und die Aussagen eines Polizisten kann i.d.R. nichts erschüttern.

    Normalerweise gibt es ja kein so rasches Zugeben eines Handlungsbedarfs, und ich führe das nur auf den Beweischarakter des Videos und dessen Verbreitung zurück. Ob viel bei rumkommt wird man erst noch sehen müssen.

  9. Ich muß herzlich lachen, wenn auf der Polizeischule
    Polizeischüler zum Polizisten wortwörtlich
    „erzogen“ werden(-: PRUST

    Manche haben das ersichlich besonders nötig.

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