Es begab sich zu einer Zeit, als im Norden Ostdeutschlands noch nicht viele an den G8-Gipfel in Heiligendamm dachten.
Im Sommer 2006, ein Jahr vor dem Gipfel, fand in der Nähe von Rostock ein Sommercamp statt.
Am 7. Dezember 2009 fand in Bad Doberan ein Prozess statt gegen zwei Männer, denen Nötigung der Polizei vorgeworfen wurde. Die soll stattgefunden haben, als Zivilpolizei die Auto-Kennzeichen der Camp-TeilnehmerInnen aufschreiben wollten und letztere die Polizei aufforderten, das Camp-Gelände zu verlassen.
Am zweiten Prozesstag fand der Prozess ein überraschendes Ende: der Zeuge der Polizei, dessen Aussage belegen sollte, was geschehen war, weil er es gesehen haben wollte, hatte ein selbst im Internet gefundenes Foto dabei, das "genau die Situation zeigt, die er beschrieben hat".
Der Richter guckte. Der Richter guckte nochmal, mit Brille.
(Der Richter wird als nicht übermäßig kritisch der Polizei gegenüber beschrieben.)
Auf dem Foto ist eindeutig keiner der Angeklagten zu sehen, sondern ein dritter Mann.
Was den zweiten Angeklagten angeht, sollte eigentlich die Vorladung von BKA und Verfassungsschutz beantragt werden: er wurde nämlich zum Zeitpunkt der Tat wegen sonstiger terroristischer Aktivitäten engmaschig überwacht. Glücklicherweise, könnte man sagen. Er war nämlich gar nicht beim G8-Protest-Vorbereitungs-Sommercamp, sondern im Urlaub in Frankreich – was ja sicherlich von den Überwachern bestätigt worden wäre.
Aber schon nach der Sache mit dem Foto wurde die Farce mit einem Freispruch beendet.
Aus dem Bericht der Prozessbeoabachter:
Das ganze Publikum saß im Saal mit dem Wissen, dass alles was er
beschrieb gelogen war. Alle im Saal wussten, dass die Angeklagten gar
nicht an dem besagten Ort gewesen waren. Alle wussten dass es keine
Menschen um sein Auto gegeben hatte, in dicker Winterkleidung mit
schwarzen Handschuhen (nur eine Person in Sommer-Kleidung die
offensichtlich gerade mit Handschuhen vom Bauen kam). Der Polizeizeuge
log was das Zeug hielt und alle rechneten damit, dass noch mehre
Prozesstage notwendig sein würden, um alle die Lügen zu widerlegen.Dass
er selber den Beweis für seine Lügen mitbrachte, war eine sehr
erfreuliche, erheiternde, prozessverkürzende Überraschung, mit dem
Resultat, dass die Staatsanwältin und der Richter sich gezwungen sahen,
kurz und knapp für Freispruch zu plädieren. Der zweite Polizeizeuge
wurde erst gar nicht mehr vorgeladen.
Die Beschuldigten sind übrigens durchaus reiferen Alters, und beide schon verschiedentlich für Terroristen gehalten worden. Auch nach dem Camp 2006: beide sollten auch zur ‚militanten Kampagne gegen den G8-Gipfel‘ gehören, wegen der die Durchsuchungen und Anti-Terror-Ermittlungen vor (und nach) dem G8-Gipfel stattfanden.
Wie sagten uns erfahrenere Menschen: wenn Du das einmal an der Backe kleben hast, kommen sie immer wieder.
Paßt zwar nicht zu Thema des Artikels, aber:
Liebe Anne,
ich lese Dein Blog regelmäßig und jetzt da 2009 langsam dem Ende zu geht, wollte ich Dir und Deinem Mann und Deinen Kindern eine frohe Weihnacht und einen guten Rutsch ins neue Jahr zu wünschen!
Ich hoffe, dass ich auch 2010 noch viel von Dir lesen werde, aber ich drücke auch die Daumen, dass Du immer weniger aus eigener, direkter Betroffenheit schreiben mußt.
Gruß aus Wuppertal
Bastian
Hm……und wird gegen diesen Zeugen etwas unternommen? Z.B. Anzeige wegen falscher Verdächtigung usw.? Oder wie stehen Richter und Staatsanwaltschaft dazu dass sie von einem Beamten derart angelogen werden?
bombjack
Als gebürtiger Mecklenburger bin ich Traurig über unsere Polizei aber ich könnte noch mehr Beispiele dieser oder ähnlicher Art bringen.
Viel wichtiger ist ich schließe mich Bastian an.