Die Welt hat einen neuen Verein: heute abend wurde das OpenData Network in Berlin in Form gegossen. Der Prozess war schmerzlich, aber das muss wohl so sein. Am deutschen Vereinswesen.. naja.
Ziel des Netzwerkes ist es, den freien und ungehinderten Zugang aller
Bürgerinnen und Bürger zu allen Daten aus Politik, Verwaltung und
Wissenschaft zu ermöglichen und zu fördern.
Klingt einfach, findet viel Unterstützung und wird praktisch, politisch wie auch technisch bestimmt nicht so ganz einfach. Erstaunlicherweise fand die Gründung ein breites Interesse in der Parteienlandschaft: tatsächlich waren VertreterInnen aller sechs relevanten (..) Parteien da. Und konstruktiv beteiligt. Herrn Schäfer-Dingens aus Hessen war die Sache so wichtig, dass er sich von einem Bevollmächtigten als Gründungsmitglied eintragen ließ. Und der Repräsentant der CDU, der sich mit dem durchaus souveränen Spruch "Wir sind für Internetsperren, aber auch noch für einige andere Sachen" vorstellte, wurde sogar Rechnungsprüfer (heißt das so?). Ebenfalls dabei waren Vertreter (und einzelne Vertreterinnen) diverser thematisch verwandter Netzwerke und Organisationen, was zeigte, dass das Interesse an der Gründung groß war. Und sicherlich damit zu tun hat, dass Open Data als Thema in Deutschland bisher keine organisierte Vertretung hat, aber rasant an Bedeutung zunimmt.
Ich gebe zu, ich habe unter den engagierten Debatten zu Details der Satzung etwas gelitten, was sich immer auf den Text danach auswirkt. Inhaltlich ist das neue Netzwerk aber eine feine Sache (wobei mir jetzt erst auffällt, dass in der zitierten Zielstellung nur von Zugang aller ‚BürgerInnen‘ zu Daten die Rede ist, was sich mit der anderswo auch als Ziel genannten Idee beißt, dass die Arbeit grenzüberschreitend sein soll).
Eins der ersten Themen, die bearbeitet werden sollen, ist die "Demokratie-API". Dazu gibt es nächste Woche gleich noch ein Treffen, wieder in Berlin, wieder im Newthinking Store. Mit Demokratie-API ist eine maschinenlesbare Schnittstelle für alle Daten aus Politik und Verwaltung gemeint: "Eine solche Schnittstelle soll den freien Zugang aller Bürger zu allen Daten aus Politik und Verwaltung ermöglichen.". Genaueres nächsten Mittwoch.
Zweites anvisiertes Projekt soll eine Übersicht bereits öffentlich zur Verfügung stehender Daten aus Politik und Verwaltung sein, eine Art ‚Gelbe Seiten‘. Gemeint sind damit nicht Daten in beliebiger Form, sondern die Betonung liegt auf ‚maschinenlesbar‘. Abstimmungsergebnisse, Beschlüsse, Geodaten, … sollen nicht mehr per Mail bestellt und dann aus PDF-Dateien abgetippt werden müssen, sondern von vornherein in einem Format vorhanden sein, das die automatisierte Verarbeitung ermöglicht.
Wichtige Buzzwords sind noch Open Access, Open Government, E-Demokratie/E-Democracy, Transparenz und Partizipation. Die eher versehentlich in die Satzung gerutschte Vokabel "Direkte Demokratie" war Aufhänger für die erste kleine inhaltliche Auseinandersetzung: gemeint war ursprünglich, dass der Verein sich eher direkten Formen demokratischer Auseinandersetzung verschrieben sieht. Verstanden wurde von einigen, dass das der stehende Begriff ist, hinter dem sich die vor allem von der Linkspartei geforderten sog. Volksabstimmungen verbergen. Und so wurde das lieber aus der Satzung gestrichen. Ich bin gespannt, wie das mit der Überparteilichkeit weitergeht, wenn’s inhaltlich wird.
Zu Open Data gibt es ein Blog, dass ich wärmstens empfehlen möchte und wo viel, was hier jetzt nicht steht, bestens erklärt wird.
Netzwerk wie Verein freuen sich über weitere Interessierte – ich persönlich würde gern alle besonders ermutigen, die keine weißen männlichen Akademiker zwischen 30 und 45 sind. Kontaktmöglichkeit, Mailingliste etc. auf der Website.
Ohne Politiker wäre mir lieber. Das lass ich einfach mal so stehen.
darf man innerhalb dieses netzes dann nach gentrifizierung suchen ohne angst vor staatlichen übergriffen haben zu müssen?
Der Hesse heißt Schäfer-Gümbel, und das andere ist mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Kassenprüfer und kein Rechnungsprüfer. 😉
Gruß, Frosch