Johannes Kreidler: Call Wolfgang (2008)

terrorist generated content

Installation / Netzaktion

Zwei Computer telefonieren via VoIP
miteinander und generieren automatisch Terrorabsprachen zur
Herausforderung des BKA.

 

Ist jedes Telefonat ein Telefonat mit Schäuble?

 

Interview mit Johannes Kreidler zu seiner Aktion „Call
Wolfgang“. Das Gespräch führte Christian Fischer.

F: Sie haben eine „Installation“ eingerichtet, zwei Computer,
die automatisch miteinander kommunizieren, und zwar ist es ein
Telefongespräch mit vermeintlich terroristischem Inhalt. Wollen
Sie das Bundeskriminalamt provozieren?

K: Das BKA provoziert mit seinem Abhörwahn ja erst mal
mich.

F: Sie lassen die Computer bestimmte Schlagwörter
sprechen, die nach einem aufsehenerregenden Fall 2007 das BKA
veranlasst haben, einen harmlosen Soziologen zu verhaften.

K: Ja, es geht um Dr. Andrej Holm, der die Wörter
„Prekarisierung“, „Reproduktion“, „marxistisch-leninistisch“ und andere
in seinen im Internet veröffentlichten Texten verwendete.
Und weil er auch noch Zugang zu Universitätsbibliotheken hatte,
genügte das als Verdachtsmoment, er und seine Familie wurden fast
ein Jahr lang observiert und schließlich nahm man ihn auch noch
drei
Wochen lang fest. Wegen dieser Wörter! Ich habe übrigens
auch Zugang zu Universitätsbibliotheken, und wohne neben der
Berliner Staatsbibliothek.

F: Aber ist nach diesem Versehen Ihre Aktion nicht erst Recht
irrelevant
für das BKA?

K: Und ob! Diese Computer werden sich bestimmt nie in die Luft
sprengen, und ebenso harmlos sind Millionen Emails, die täglich in
Deutschland verschickt werden. Wer die Energie für Kriminelles
hat, wird auch das bisschen Energie haben, seine Emails im
Internetcafé zu schreiben, das kann sich doch jedes Kind denken.
Aber trotzdem will der Innenminister so viele Daten aus privaten
Haushalten per Gesetz sammeln, Vorratsdatenspeicherung,
Telekommunikationsüberwachung, man weiß nie, ob sein
Telefonat nicht auch ein Telefonat mit Schäuble ist.

F: Und Sie nutzen jetzt diese Aufmerksamkeit?

K: Es fragt sich ja schon, ob das zuhörende BKA nicht bald
der Telefonseelsorge Konkurrenz macht. Jedenfalls darf die
Aufmerksamkeit nicht ungenutzt bleiben, ich empfinde da einen
Bildungsauftrag und inszeniere ein Hörspiel, einen algorithmischen
Theaterdialog in Abhörkulisse.

F: Es kommt in der Installation auch Ihre Musik vor, das
Stück „product placements“ aus der Aktion gegen das Urheberrecht
und seiner GEMA-Handhabe in digitalen Zeiten…

K: Da wie auch jetzt geht es um die Freiheit, die in der
digitalen Revolution gewonnen wurde und um den Kampf gegen die
Konterrevolution, die diese Freiheiten wieder rückgängig
machen will. Man muss für die Zukunftschancen der digitalen Welt,
Demokratisierung von Produktionsmitteln, neue Kommunikationswege,
Kreativität
und Verbreitung von Kultur kämpfen.

F: Also – Ein permanenter Telefonstreich?

K: Ja, Kunst muss verdächtig sein, das ist ihre Aura.

 

Alles direkt und unverändert von http://www.kreidler-net.de.

Johannes Kreidler, von dem dies ist, schreibt auch Kulturtechno, wo wir gerade erst vorkamen.

(via nerdcore)

3 Gedanken zu „Johannes Kreidler: Call Wolfgang (2008)

  1. die aktion könnte nach stgb 126(2) strafbar sein,ähnlich den versendungsaktionen von Pulver.von einer Nachahmung oder auch verlinkung ist deshalb abzuraten.

  2. Sehr geehrter carlo,

    > könnte strafbar sein

    ob dieser Hinweis eine juristisch korrekte Einschätzung ist, vermag ich nicht einzuschätzen.

    > von … … verlinkung ist deshalb abzuraten.

    Wäre dies ‚mein Blog‘ so wäre meine Antwort hierzu jedoch:
    Die Aufgabe dieses Blogs ist nicht, den von den staatlichen Einrichtungen ausgeübten Terror zu unterstützen oder zu verbreiten.
    Aufgabe dieses Blogs ist, genau diese Angst und Schrecken auslösenden Vorgänge zu veröffentlichen und deren Verfassungs- und Rechtmässigkeit zu hinterfragen.

    Wenn zur ’scherzhaften‘ Verbreitung von Angst anonym Straftaten vorgetäuscht werden ist das nochmal ein himmelweiter Unterschied zur bewussten, Gesicht zeigenden Provokation von zur Not auch Gerichtsverfahren.

    „Brutalstmögliche Aufklärung statt größtmöglicher Angst!“

  3. Abgesehen davon, daß ich aus dem Lachen gestern nicht mehr raus kam, fand ich die Kommentare auf dem Vodafone Blog auch sehr moderat. Immerhin bis Seite 7 habe ich mich durckgeklickt und das war besser als Harald Schmidt. Die Kommentare sprühten vor dem, was man bei Vodafone so völlig vermisst: Witz und Esprit.

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