Sturm 34 ist keine kriminelle Vereinigung

Es gibt ganz offensichtlich so’ne und solche kriminellen Vereinigungen. Wenn diese aber keine ist, dann weiß ich auch nicht, was das sein soll.

Das Urteil gegen die sächsische Neonaziorganisation "Sturm 34" ging gestern breit durch die Medienlandschaft.

Interessant die Schnipsel in den Berichten darüber, warum das Gericht entschied, dass es sich nicht um eine kriminelle Vereinigung (§129 StGB) handelt. Nach Meinung des Richters offenbar, weil sie dazu zu dumm sind (?). Das Wort "Terror" wird dafür in den Artikeln relativ oft benutzt.

Sehr gehässig Patrick Gensing im Störungsmelder Sturm 34 laut Landgericht Dresden keine kriminelle Vereinigung

Zur Begründung sagte Richter Martin Schultze-Griebler laut Netzeitung,
den Angeklagten fehle es “überwiegend am intellektuellen Inventar”.
Neonazis schützen sich also offenbar durch Dummheit vor einer
Verurteilung wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung,
bzw. durch ihre fehlenden Fähigkeit zur normalen Konfliktlösung:
Verbale Auseinandersetzungen kannten die jungen Männer, die im Mai und
Juni 2006 mehrere brutale Überfälle in der Region inszenierten, wohl
kaum, so der Richter weiter. Die Bezugnahme der “Sturm 34“-Mitglieder
auf nationalsozialistische Ideen zeige einen tiefen Rassismus, so
Schultze-Griebler. Es sei “die passende Ideologie für Leute, die sich
gern prügeln”. Es habe aber keinen für alle Mitglieder “verbindlichen
Gruppenwillen” gegeben. Aber: Ihnen sei es um Einschüchterung, um das
Schaffen einer “national befreiten Zone” gegangen, was nun doch
irgendwie entfernt wie ein gemeinsames Ziel klingt. 

 

Die Zeit: Terror am Badesee

Informant R. beschrieb die militärische Hierarchie: der Anführer Tom
W. an der Spitze, darunter die "Offiziere". Der Rest war Fußvolk, das
sich beim "Fronteinsatz" bewähren musste. (…)

Das Dresdner Landgericht legt die Messlatte dafür, wann eine
hochgradig kriminell agierende Gruppe eine kriminelle Vereinigung ist,
allerdings sehr hoch. So hätten die Täter ihre Taten einvernehmlich
beschließen und an den Beschluss gebunden sein müssen.

Spiegel Online: "Kopftritte wie gegen einen Fußball"

 

(…) Auch weil die Urteile allesamt wegen
gefährlicher Körperverletzung fallen – nicht wegen Bildung einer
kriminellen Vereinigung.

Diesen zentralen Anklagepunkt ließ das Gericht fallen. Für den Laien
sei das möglicherweise nicht nachvollziehbar, räumt Richter
Schultze-Griebler ein. Juristisch allerdings sei die Definition einer
kriminellen Vereinigung eng gefasst. Vor allem der notwendige
"Gruppenwille", dem sich alle Mitglieder einer Vereinigung nach einer
Abstimmung oder ähnlichem unterordnen, sei im Falle des "Sturm 34"
nicht zu erkennen.

Die Sachsen Zeit Gericht: Sturm 34 war keine kriminelle Vereinigung

Apropos Untersuchungshaft. Auf die Ausstellung von Haftbefehlen wurde
trotz der mehrjährigen Gefängnisstrafen großzügiger Weise verzichtet.
Tom W. sitzt ohnehin nach wie vor. Und sein Bruder Peter bleibt bis zur
Rechtskraft des Urteils auf freiem Fuß. Bereits gestern kündigte der
sichtlich angesäuerte Oberstaatsanwalt Jürgen Schär an gegen das Urteil Revision
einzulegen. Immerhin sei man seitens der Staatsanwaltschaft nach wie
vor der Auffassung, dass es sich beim „Sturm 34“ um eine kriminelle
Vereinigung gehandelt habe.

Im Dresdner Innenministerium macht man
derweil gute Miene zum bösen Spiel. „Mit diesen Freiheitsstrafen können
wir ein wichtiges Signal ins Land senden. Nämlich dass rechtsradikale
Straftaten geahndet werden“, sagte Sachsens Innenminister Albrecht
Buttolo (CDU) im MDR-Sachsenspiegel. Ein Ministeriumssprecher erklärte
weiter: „Das Innenministerium sieht sich in seiner Rechtsauffassung
bestätigt.“ Das Urteil sei ein Beispiel für das gute Zusammenwirken von
Polizei und Justiz.

Netzeitung "Ihnen fehlt intellektuelles Inventar"

Doch der Hauptanklagepunkt wurde von der
Staatsschutzkammer des Gerichts abgeschmettert: die Bildung einer
kriminellen Vereinigung. Dafür fehle der Willensbildungsprozess, der in
einen einheitlichen und verbindlichen Gruppenwillen münde, sagte
Schultze-Griebler. «Das gab es nicht einmal beim Kern der Mitglieder.»

2003 hatte die Kammer in zwei Verhandlungen Anhänger der ebenfalls
verbotenen «Skinheads Sächsische Schweiz» wegen Bildung oder
Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung dagegen für schuldig
befunden.

Fokus Online Haftstrafen für Anführer von Neonazi-Kameradschaft „Sturm 34“

Freigesprochen wurden alle Angeklagten vom Vorwurf der Bildung einer
kriminellen Vereinigung. Voraussetzung für eine solche Verurteilung
wäre nach den Worten des Richters gewesen, dass alle Mitglieder der
rechtsextremen Gruppe einvernehmlich entschieden hätten, Straftaten zu
begehen und jeder daran gebunden gewesen wäre. Da aber jeder Einzelne
über seinen Tatbeitrag habe entscheiden können, sei es nicht möglich
gewesen, sie wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung zu
verurteilen.

Allerdings habe man bei verschiedenen Delikten die
Mittäterschaft geltend machen können, so dass die Verurteilungen wegen
gefährlicher Körperverletzung auch dann erfolgen konnte, wenn direkte
Verletzungshandlungen nicht hätten bewiesen werden können.

 

Als Kontrast ein Artikel von morgen zur Einstellung des §129a-Verfahrens in Bad Oldesloe: 

Leise zu den Akten gelegt. Terror-Verfahren von Bad Oldesloe eingestellt von Peer Stolle

2 Gedanken zu „Sturm 34 ist keine kriminelle Vereinigung

  1. Hallo Anne,

    kannst Du dich an unser Gespräch bei den Datenspuren erinnern, als wird darüber sprachen warum Widerstand gegen Rechts ziemlichen Mut erfordert?

    Nicht nur, daß diese Leute ihre Meinung nicht mit Worten sondern mit Schlägen durchsetzen, jetzt brauchen Sie sich auch nicht mal mehr vor den Folgen Ihrer Taten fürchten. Offenbar ist der unterstellte Gruppenwillen zur geplanten Sachbeschädigung für deutsche Strafverfolgungsbehörden gefährlicher als kollektiv organisierte und bereits durchgeführte Körperverletzung.

    Gruß Jens

  2. Hallo Jens,

    Widerstand gegen rechts erfordert nicht mehr Mut als Widerstand gegen andere Dinge. Ich lebe hier und ich musste mich bisher nie fürchten. Dabei vertrete ich meine Meinung sehr deutlich. Und ich bin bei wietem nicht alleine. Es ist – fsmseidank – die Mehrzahl.

    Gruß, Mark

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