Telefonfehlschaltungen, Robbenbabies und ein Scheinwiderspruch

So ein schönes Exemplar von Telefonfehlschaltung:

Ich rief heute abend den Kinderarzt an, um mir vom Anrufbeantworter die Öffnungszeiten ansagen zu lassen, mehrere Freizeichen, „Sie rufen außerhalb der Öffnungszeiten der Praxis von Dr. xx an, die Öffnungszeiten sind Montags von…“. Direkt im Anschluss rufe ich Andrejs (nicht mehr ganz) neue Büronummer an.

Mehrere Freizeichen, „Sie rufen außerhalb der Öffnungszeichen der Praxis…“. Ich denke, dass ich mich vertippt habe, gucke auf’s Telefondisplay und da steht: „Andrej Büro“. Zu hören ist weiterhin die Kinderarztpraxis.


Bei der Podiumsdiskussion Samstagabend bei den Datenspuren in Dresden zum Thema Lobbyismus, Aktivismus sagte Sven Lüders von der Humanistischen Union, dass Gruppen und Organisationen, die im Bereich Grundrechte/Datenschutz aktiv sind, Robbenbabies brauchen. Greenpeace engagiere sich für Umweltschutz und bleibe im Gedächtnis wegen spektakulärer und einprägsamer Bilder, etwa denen der erschlagenen Robbenbabies. Im Bereich Sicherheit gibt es keine Bilder, die das einstürzende World Trade Center ersetzen können – 40.000 abgehörte Telefonanschlüsse sind beeindruckend, aber nach ein paar Wochen wieder vergessen.

Ich denke über den Zusatz „Robbenbaby des CCC“ nach.

Bei derselben Diskussion gab es eine bizarre Kontroverse zwischen Andreas Pfitzmann und Sven Lüders. Sven Lüders fragt, welche Möglichkeiten es gibt, Menschen beim Umgang mit Computern den Schutz der Privatspäre zu erleichtern, oder sie davon zu überzeugen, dass der sinnvoll ist. Andreas Pfitzmann hält das für die falsche Herangehensweise und denkt, dass das Aufgabe der IT-produzierenden Unternehmen sein müsste, ähnlich wie auch Automobilkonzerne und der TÜV für sichere Autos sorgen und nicht die AutofahrerInnen selber.

Ich verstehe den Widerspruch nicht: warum nicht beides? Ich finde gut, dass ich nicht selber darüber nachdenken muss, welche Gurte mich am besten vor Schädelhirntrauma schützen, aber halte gleichzeitig auch viel von Verkehrserziehung. Glücklicherweise gibt es ja nicht eine zentral gelenkte Organisation, die sich für Zukunft des Datenschutzes interessiert, sondern viele Gruppen, die unterschiedliche Interessen haben. Ideal fände ich, wenn sich die einen dafür einsetzten, dass mehr Computer produziert werden, die als Standard verschlüsselte Festplatten mitliefern und andere an wirklich einfach verständlichen und zugänglichen Anleitungen arbeiteten.

 

4 Gedanken zu „Telefonfehlschaltungen, Robbenbabies und ein Scheinwiderspruch

  1. ich denke, ohne ekelfleisch (==robbenbabies) geht es nicht. ich sage ja immer auf die behauptung „ich habe nichts zu verbergen“, dass dann doch bitte mal die bluse geöffnet werden solle, wahlweise bei männern die hose. das mag zwar lustig sein, geht aber nicht ohne die aggression, die in dieser äußerung liegt.

    meiner meinung nach lässt sich die notwendigkeit ohne negative bilder nicht darstellen. ich bedaure das.

    .~.

  2. Wir sammeln gerade Unterschriften, mein „Robbenbaby“ ist gerade die Telekom.

    Der Satz: Wie sowas funktioniert zeigt der Fall Telekom. Genau die Daten der Vorratsdatespeicherung wurden hier gegen Journalisten und Manager und auch Bundestagsabgeordnete gerichtet geht runter wie Öl und kein noch so aufrechter, nichts zu verbergender Staatsbürger hatte bisher da noch was zu sagen.

    Nach neo“liberaler“-etatistischer Philosophie hat die Tkom genauso das absolute Recht über alles Bescheid zu wissen wie der Schäuble, allerdings sieht die Öffentlichkeit hier das ganz anders.

    Auch wenn das ganze eigentlich fiese, falsche BILD-Rhetorik ist…. naja ganz so gut ist der Tkom Vergleich auch wieder nicht, Du hast schon recht angehackte, süße, blutüberströmte, waise Robbenbabies sind noch ne Klasse besser.

  3. Es ist nicht die Frage ob wir etwas zu verbergen haben, sondern ob wir darauf vertrauen können, dass jene, die unsere Daten ausforschen auch verantwortungsvoll und ethisch vertretbar damit umgehen.

    Und nach meinen bisherigen Erfahrungen mit vielen Polizeibeamten muss ich leider anmerken, dass die meisten Beamten nicht zu den Leuten gehören, den ich einen verantwortungsvollen Zugang mit Informationen zutraue. Aber auch Anna kann dzu natürlich enlose Litaneien erzählen.

    Die Amtsorgane kontrollieren uns. Aber diese Amtsorgane werden nicht unabhängig kontrolliert bzw. werden sie üblicher Weise an höheren Stellen in ihrer Hierarchie von Wirtschaftsinteressen gesteuert. Das führt dazu, dass sie nicht der demokratischen Verfassung und den mehrheitlich beschlossenen Gesetzen Treue halten, sondern den Einflußreichen. Und da zum beispiel die Polizei hierarchisch nach Befehlsstrukturen aufgeteilt ist, können die ausführenden Organe weder verstehen, was sie da tun, noch dürfen sie nach eigenem Ermessen entscheiden. Ethik kann sich ein Staatsdiener also praktisch nicht leisten.

    Ich traue keinen unethischen Leuten…

  4. Pardon: Anne, nicht Anna!

    Im Übrigen bin ich aus Österreich und im Moment wohl nur knapp davor von den Behörden weggesperrt zu werden, denn ich mache mich seit Jahren dem schlimmsten aller Verbrechen schuldig: Ich betreibe in der Öffentlichkeit Wirtschaftskritik. 10 meiner Tierschutzkollegen sitzen bereits seit Wochen wegen unaufgeklärter Sachbeschädigungen aus mehreren Jahren, mit denen sie absolut nichts zu tun haben, in Untersuchungshaft. (Oder sitzen sie doch nur, damit die teure Spezialeinheit der Polizei nicht ergebnislos aufgelöst werden muss?) Aber Beweise sind heutzutage auch in Österreich gar nicht mehr nötig um Störenfriede der bedingungslosen Profitmaximierung aus dem Weg zu räumen …

    Mehr Infos zum Fall, der in seiner tragischen Absurdität wirklich verdammt an Annes Schilderungen erinnert, könnt Ihr zum Beispiel unter: http://www.vgt.at finden.

Kommentare sind geschlossen.