Die rot-grüne Koalition hat 2003 den Paragraf 129a des Strafgesetzbuchs
verändert und ein Resultat davon war, das die Werbung für
terroristische Vereinigungen nicht mehr strafbar ist. Damit war ein
bleiernes Kapitel deutscher Geschichte beendet, jedenfalls schien es
so. Zwei Jahre nach dem 11. September und damit in einer Zeit, als sich
der Kampf gegen den Terror schon richtig schön warmgelaufen hatte, war
das nicht selbstverständlich. Es bedeutete, dass etwa das reine
Aufhängen von Plakaten, die Sympathie für politische Gefangene
bekundeten, nicht mehr ausreichte, um zu jahrelanger Haft verurteilt zu
werden – in den 70er und 80er Jahren kam das nicht selten vor.
Der Bundesgerichtshof hat im Oktober und November deutlich entschieden, was nach dem aktuellen Gesetz kein Terrorismus ist,
nämlich z.B. das Anzünden von leeren Bundeswehrfahrzeugen und auch
generell alles, was der ‚militanten gruppe‘ vorgeworfen wird. Wenig
überraschend wurde direkt nach diesen Entscheidungen aus dem rechten
Lager gefordert, dass dann die Gesetze geändert werden müssten, wenn es
mit den geltenden nicht möglich ist, alle die als Terroristen
festnehmen und verurteilen zu lassen, die aus rechter Sicht welche
sind. Auf der Wunschliste stehen bspw. terroristische Vereinigungen,
die aus nur einer Person bestehen, und die alte ‚Werbung für..‘. Seit heute gibt es den Gesetzentwurf des Bundesrats, der sich zuerst dem Aufenthalt in terroristischen Ausbildungslagern widmet. Im Kleingedruckten steht dann noch folgendes:
"Zugleich solle die Sympathiewerbung für kriminelle und terroristische
Vereinigungen erneut unter Strafe stehen. Diese war im Jahre 2002
abgeschafft worden. Gerade in einer Zeit gegenwärtiger Bedrohung durch
terroristisch motivierte Anschläge könne es nicht hingenommen werden,
dass derjenige straffrei bleibe, der dazu aufrufe, sich mit den Zielen
solcher Vereinigungen zu solidarisieren."
Mindestens ratlos, wenn nicht sehr misstrauisch, macht mich diese Formulierung:
So sollen zu Beispiel bestimmte Vorbereitungshandlungen zu schweren
terroristischen Gewalttaten und Anleitungen zu solchen Taten generell –
auch ohne Bezug zu terroristischen Vereinigungen – unter Strafe
gestellt werden.
Die Details stehen hier: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/079/1607958.pdf
…was auch die rechtliche Handhabe liefern dürfte, jeden einzelnen Leser deines Blogs bei lebendigem Leibe einzumauern.
Ich lese diese Seite seit den ersten Tagen, und ich muss gestehen, dass ich deinen Mut bewundere – ebenso wie deine Detailverliebtheit. Und ehrlich gesagt habe ich bis jetzt immer damit gehadert, mal zu kommentieren, aus dem ganz einfachen Grund, dass dies hier die wahrscheinlich am besten überwachte Webseite Deutschlands ist. Fuck… ich fühle mich ja schon selber verdächtig, nur weil ich immer wieder hier lese.
Aber die Frage, die mir so unter den Nägeln brennt ist eine andere: Nämlich, warum zum Teufel sollte irgendjemand dagegen ankämpfen, warum sollte das verhindert werden? Natürlich ist der erste Gedanke, dass man ja ein guter Staatsbürger ist – oder zumindest an das Gute im Menschen glaubt – und dass man es als Bürgerpflicht versteht, alle Attacken von rechts abzuwehren und ein 4. Reich zu verhindern.
Aber mal im Ernst: Leute wie du & ich, die so denken, sind verdammt selten. Keiner geht zu den Demos. Die Medien weigern sich, darüber zu berichten. Und selbst wenn man es „normalen“ Leuten haarklein erklärt, ihnen alle möglichen Folgen aufzählt, selbst dann zucken die meisten mit den Schultern und sagen „Ja, und?“. Im Ernst, mir sind schon Leute begegnet, die zwar alles andere als dumm waren, die es aber begrüßen, als gläserner Mensch zu leben – sie haben zwar keine überzeugenden Argumente, aber irgendwie scheint ihnen dieses Pseudo-Gefühl von Sicherheit so viel mehr zu geben als unsereinem. Und das ist, leider Gottes, die sehr sehr große Mehrheit.
Wie denkst du darüber?
Wenn sie in der Hölle schmoren wollen, warum sollte man sie davor bewahren?
Man sollte nicht vergessen zu erwähnen, dass mit der teilweisen Entschärfung des §129a die Einführung des §129b erkauft wurde. Dieser macht möglich, dass AktivistInnen, die der Mitgliedschaft in einer „terroristischen Vereinigung“ im Ausland beschuldigt werden, in Deutschland verfolgt werden. Die Definition, was eine „terroristische Vereinigung“ ist, wird dabei natürlich dem jeweiligen Land überlassen. Wenn der Folterstaat Türkei zum Beispiel sagt, eine linke Gruppe sei „terroristisch“, dann werden hier deswegen Menschen verfolgt. (Als wenn die abenteuerlichen „Definitionen“ des deutschen Staates nicht schon absurd genug wären.)
Dazu auch Jens Ferner:
http://jens.familie-ferner.de/…-Terrorismus.html
vielen dank für sehr schöne informatioenen. sorry mein deutch nicht gut.
Ja, die extremen Linken und ihre Kampforganisationen hatten Pech, dass in einem Klima sich verbreitender Toleranz (auch gegenüber der Intoleranz) der islamisch motivierte Terror spektakulär zu Wort gemeldet hat und Gegenmassnahmen des Staates hervor rief.
Diese sind natürlich zu bedauern.
Als „unbescholtene Bürgerin“, Angestellt im ÖD bekomme ich es langsam mit der Angst zu tun. Letztens kam ein Brief von einer Freundin, der war geöffnet worden, ein Postpaket von einem Versandhandel war tagelang nicht auffindbar. Habe ich jetzt einen kriminellen Briefträger oder werde ich schon überwacht? Kann ich mich mit meiner Freundin am Telefon noch über Sexualprobleme unterhalten oder muss ich damit rechnen dass ein kichernder BKA Mensch (Azubi) zuhört? Hab ich vergessen die Schublade zu schliessen oder war jemand während meiner Abwesenheit in der Wohnung?
Ich habe Angst! Dabei habe ich doch garnichts zu befürchten. Obwohl, wer weiss, vielleicht legen sie mir etwas in die Wohnung, vielleicht ist plötzlich etwas strafbar was sonst kein Problem war? Vielleicht ist einer meiner Bekannten ein Terrorist oder wird für einen solchen gehalten? Vielleicht habe ich aus Unwissenheit ja doch etwas falsch gemacht? Wie sollte ich das erklären? Leide ich schon unter Verfolgungswahn?