Sarrazins Zahlen sind falsch

Falls Ihr gelegentlich hilflos vor dem Argument stecken bleibt, der alte Mann mit dem typisch deutschen Namen habe doch aber recht: Hier ist das Gegenmittel! Nehmt es in Eure Bookmarks an prominenter Stelle und es wird Euch geholfen.

In der Berliner Zeitung, die offenbar den DuMont-Schock überwunden hat und mit guten Artikeln versucht, dem Zeitungssterben auszuweichen, erschien heute Nachgerechnet, ein Bericht über eine Studie zu Sarrazins Zahlen.  Das Forschungsprojekt „Hybride europäisch-muslimische Identitätsmodelle (HEYMAT)“ (großartiger Name!), unter der Leitung von Naika Foroutan, hat kurz vor Weihnachten eine Studie veröffentlicht, die die Zahlen auseinandernimmt.

Sarrazin durfte neulich in der FAZ behaupten „Die von mir genannten Statistiken und Fakten hat keiner bestritten.

Das stimmt nicht. Die Politologin Naika Foroutan, die an der Berliner Humboldt-Universität das Forschungsprojekt „Hybride Identitäten in Deutschland“ leitet, hat schon im September in einer Fernsehdebatte mit Sarrazin dessen Statistiken und Fakten in Frage gestellt.

Im Artikel geht es um gemachte Schulabschlüsse, Bildungsaufstieg, Kopftücher, ums Heiraten (wer wen) und um Gewalt. Zur angeblich hohen Gewalt junger Migranten schrieb Naika Foroutan einen Brief an den Berliner Polizeipräsidenten. Aus der Antwort:

8,7 Prozent der Gewaltkriminalität in der Polizeilichen Kriminalstatistik wurden im Jahr 2009 von Tatverdächtigen begangen, die entweder türkischer Nationalität oder dem arabischen Raum zuzuordnen waren. Erweitert man die Personengruppe um die Personen, deren Nationalität als ,unbekannt‘ oder ,keine Angaben‘ erfasst wurden, was zumindest häufig für eine Herkunft aus dem arabischen Raum sprechen kann, erhöht sich die Zahl der Fälle auf 2509, was dem Anteil von 13,3 Prozenten an allen Fällen der Gewaltkriminalität entspricht.

Die ganze Studie als PDF:

Naika Foroutan (Hrsg.), Korinna Schäfer, Coskun Canan, Benjamin Schwarze: Sarrazins Thesen auf dem Prüfstand (1,6mb)

18 Gedanken zu „Sarrazins Zahlen sind falsch

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  2. Die Zahlenspielerei von Sarazin war schon lächerlich. Natürlich muss dann die Humboldt Uni hergehen und noch eins drauf setzen.

    Nehmen wir als Beispiel das zitierte:
    >>> 8,7 Prozent der Gewaltkriminalität in der Polizeilichen Kriminalstatistik wurden im Jahr 2009 von Tatverdächtigen begangen, die entweder türkischer Nationalität oder dem arabischen Raum zuzuordnen waren. Erweitert man die Personengruppe um die Personen, deren Nationalität als ,unbekannt’ oder ,keine Angaben’ erfasst wurden, was zumindest häufig für eine Herkunft aus dem arabischen Raum sprechen kann, erhöht sich die Zahl der Fälle auf 2509, was dem Anteil von 13,3 Prozenten an allen Fällen der Gewaltkriminalität entspricht. <<<
    Sarrazin geht es um Menschen mit türkischem oder arabischem Migrationshintergrund. Ihn mit Zahlen widerlegen zu wollen, die sich auf Ausländer mit türlischem oder arabischem Pass bezieht ist so dumm, so manipulativ, so unwissenschaftlich, dass ich meine Schreibtischplatte aufessen möchte.

    Wenn man keine Zahlen hat, dann lässt sich halt keine Aussage treffen, sich ganz andere Zahlen herzunehmen und sie nach rechts(Sarrazin) oder links(Foroutan) zurechtzubiegen, ist Politik. Es ist beschämend, dass meine Universität für solche Leute Lehrstühle einrichtet.

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  5. Das macht es alles nur noch schlimmer. Es gibt das Problem, das wissen die Berliner, und es gibt keine belastbaren Zahlen, das wissen wir auch. Die meisten \Türken\ haben einen deutschen Pass, insofern ist die ganze Statistik verfälscht, weil wir seit rot-grün unsere Staatsbürgerschaft jedem hinterherschmeissen ohne dass diese die notwendige innere Gesinnung und das Bekenntnis zur deutschen Kultur aufbringen. Rechte Demagogen wie Sarrazin haben da leichtes Spiel, auch wenn sie die religiöse Identität gnadenlos überspitzen. Jetzt wird gegen den Islam gewettert von säkularen Leuten, die noch nie jemanden christliche missioniert haben und das auch niemals tun würden. Die Religion hat bei vielen Türken gar nicht den Sitz im Leben, den die Kritiker ihr zuweisen, und überholte patriachiale Familientraditionen sollte man doch bitteschön nicht mit der Religion gleichsetzen, sie sind allerdings ein Problem, gegen die hierzulande die Medizin \Aufklärung\ gewonnen wurde. Wenn man gesellschaftlich nicht unten bleiben will, muss man patriarchiale Machoallüren und andere Charakteristika der Unterschicht über Bord werfen. Das weiss jeder.

    Drehen wir doch mal den Spiess um und fragen, wie viele Gewalttäter aus dem Ausland des Landes verwiesen wurden. Darüber muss es doch Zahlen geben. Das Leugnen und schwache Durchgreifen des deutschen Staates in der Vergangenheit macht das Spiel für die Sarrazine allzu leicht. Es geht hier darum einen Keil in die deutsche Gesellschaft zu treiben um das Kapital zu schützen, das in der Finanzkrise Bammel bekommen hat. Die Herkunft des Provokateurs Sarrazin von der Bundesbank ist kein Zufall. In den USA geht es schon kaum unverblühmt gegen Juden, bei den Hetzmedien von Fox kriegt man den Eindruck, das sei alles Retortenbewegungen, um wenn es dann einst sozial kracht den Mob schon mal unter dem eigenen Kommando zu wissen, und gegen irgendwelche Sündenböcke zu hetzen. Obama, ein moderater Mann der Mitte wie wir wissen, wird wechselseitig als Sozialist, Faschist und Moslem verunglimpft. Dagegen ist die Sarazzin-Debatte eine Auseinandersetzung fast intellektueller Art.

  6. Albin Werner schrieb unter anderem:
    „Die meisten \Türken\ haben einen deutschen Pass, insofern ist die ganze Statistik verfälscht, weil wir seit rot-grün unsere Staatsbürgerschaft jedem hinterherschmeissen ohne dass diese die notwendige innere Gesinnung und das Bekenntnis zur deutschen Kultur aufbringen.“

    Ohje Albin,
    was verstehst Du denn unter der notwendigen inneren Gesinnung? Eine, die erst zu echtem Deutschtum führt? Würde sich ja aus dem Zusammenhang ergeben. Ich zum Beispiel habe, als Deutscher von Geburt, diese Gesinnung bewußt nicht.

    Recht gruselig, hier sowas lesen zu müssen, gruseliger noch als Dein sonstiger Ansatz, den ich mal als „nationalmarxistisch“ bezeichnen würde und der den guten Karl in London in seinem Grab zum Rotieren bringen würde.

    Zu Annes Blogbeitrag:
    Gut gemeint, denn ich kenne das Problem auch, daß ein Sarrazin-Infizierter mir sagt, „aber er hat doch Recht, die Zahlen stimmen doch, und jeder kennt das Problem“ oder so ähnlich, was einem erstmal einen Schlag vor den Kopf versetzt, gerade wenn es jemand sagt, von dem man es nicht erwartet hätte.

    Und doch: Das Perfide an der Argumentation des alten Mannes mit dem typisch deutschen Namen ist für mich die Logik, die dahinter steht. Selbst wenn die Zahlen stimmen würden, will ich mich nicht auf eine Diskussion einlassen, die der Logik folgt, daß ein Mensch nur etwas „wert“ ist, wenn er sich der (kapitalistischen) Verwertungslogik unterwirft beziehunsgweise sich da mühelos einreihen läßt. Auf was läuft es denn sonst hinaus, wenn ich anfange zu zählen, welche Migratengruppe welchen Anteil an Abiturienten oder Arbeitslosen oder Kleinkriminellen hat? Und das ganze dann im Vergleich zu den Eingeborenen, wie ich einer bin.

    Nein, an dieser Logik habe ich kein Interesse, und das habe ich auch schon dem ein oder anderen Sarrazin-Infizierten gesagt.

  7. @produktivkraft
    wenn ich das schon lese : Ich zum Beispiel habe, als Deutscher von Geburt, diese Gesinnung bewußt nicht. Gib Deine deutschen Papiere ab wegen denen sich ja Deine Kreise immer zuschámen scheinen und geh auf einen Kibbuz.

  8. Das Volk, das hier kommentiert, wird ja auch immer seltsamer… Ich versuch’s trotzdem ohne größere Trollfütterung.

    @Anne
    Ausgerechnet beim Thema „Gewaltkriminalität“ irgendwelche Zahlen für oder gegen irgendwas heranziehen zu wollen (bzw. gerade dieses Beispiel hervorzuheben), scheint mir schwierig. Kriminalitätsstatistiken sind meistens besonders doof – denn zwischen tatsächlich Geschehenem, Tatverdacht und Verurteilung gibt es jeweils erhebliche Unterschiede. Die PKS arbeitet mit Tatverdächtigen – so wird Glietsch ja auch zitiert. Fragt sich jetzt, ob ein schönes Vorurteil sich auch in dem einen oder anderen Tatverdacht niederschlagen kann; andererseits dürften genügend Gewalttaten in der PKS überhaupt nicht auftauchen. So oder so, Kriminalitätsstatistiken und Schlüsse daraus sind reinstes Orakeln.

    @produktivkraft
    Zustimmung einerseits: selbst wenn Sarrazins Zahlen stimmen würden, könnte man als rationales und zugleich empathisches Wesen zu völlig anderen Wertungen kommen, die allesamt nicht deutschnational sind. Und ja, es besteht die Gefahr, sich in der ekelhaften wertvoller-Mensch- / wertloser-Mensch-Ebene zu verfangen, wenn man Sarrazins Zahlen an der Realität prüft.
    Jedoch ist eines der Argumente, die für Sarrazin in Anschlag gebracht werden, immer die angebliche Wissenschaftlichkeit und solide Zahlenbasis. Zu zeigen, daß er noch nicht mal da recht hat, ist schon ein gewisser argumentativer Vorteil: Sarrazin ist nicht nur ein rassistischer Menschenfeind, sondern auch noch völlig weltfremd.
    (Das Muster erinnert mich entfernt an die Ausländerfeindlichkeit ohne Ausländer.)

    Und zum Schluss noch was für Andi: http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Tuerkei/Bilateral_node.html
    „circa 3 Millionen in Deutschland lebenden Menschen türkischer Herkunft – davon inzwischen über 700.000 mit deutscher Staatsangehörigkeit“ vs. „Zahlen […], die sich auf Ausländer mit türlischem oder arabischem Pass bezieht“ – gerade mal ein knappes Viertel „der Türken“ in der Bundesrepublik hat einen deutschen Pass. Wie es in Berlin aussieht, darf jemand anders googeln. Oder bei „den Arabern“.

    Jaja, der Pass ist der edelste Teil von einem Menschen…

  9. Die zitierte Studie liefert gute Argumente, sofern man Gelegenheit hat, mit den Sarrazin-Anhängern zu diskutieren. Das größte Problem aber ist nicht „produktivkraft“, der keine Lust aufs Diskutieren hat, das viel größere Problem sind die Sarrazinaer, die das Gespräch verweigern. Denn auf Argumente, die etwas anderes als ihre Thesen stützen, reagieren die erfahrungsgemäß extrem allergisch.

  10. @Zahnwart:
    Da haben Sie Recht. Eine Diskussion zu führen ist da echt nicht einfach. Zumal schon der alte Mann mit dem typisch deutschen Namen bei seinen Auftritten jegliche Diskussion verweigert. Entweder zitiert er aus seinem Buch, verweist auf sein Buch oder erzählt was er so alles mit seinem Buch erlebt habt.
    Überhaupt kenne ich kaum Menschen, die in Interviews das Wort „Ich“ so oft benutzen wie der alte Mann.

  11. genau, die dümmlichen pi-news haben hier noch gefehlt 😀

    und einer von den 2 kritikpunkten(die studie zählt immerhin ~40 seiten, da finden die nur so wenig?) ist müll. fachabi ist, zumindest wo ich wohne,ohne weiteres vergleichbar, also annähernd gleichwertig. also ist es imo berechtigt, wenn man denn unbedingt vergleichen will (s.u.), fachabitur und abitur zusammen zu nehmen.

    und btw wer hat denn eigentlich die unsitte eingeführt intelligenz aufgrund vom schulabschluss zu bewerten?

  12. Hallo!

    Hallo!

    Eine Sudetendeutsche (Vertrieben, „Geschlagen“ und „bespuckt“) lauschte in den 1990ern einer „deutschen“ Gesprächsrunde. Thema: Wer war schuld an diesem verfluchten Krieg?

    Alle Beteiligten, denen Sie lauschte, brachten Schuldige ins Spiel:

    Einer: „Deutsche!“ – der Nächste: „Franzosen“ – wieder ein anderer: „Amis!“ – und wieder einer: „Russen!“ – „Briten!“ – „Japaner!“ – „Italiener“ …

    So ging es einige Minuten weiter: „Wer ist Schuld an dem Desaster?“

    Diese Sudetendeutsche, die ihre eigene Vertreibung – weil sie Sudetendeutsche war – miterleben musste (kein Gesprächsbeteiligter lebte zu dieser Zeit), wartete einen stillen Moment ab, und sagte in den Raum als letztlich völlige Stille herrschte:

    „Wer ist schuld!? Deutsche, Franzosen, Amis, Russen, Briten, Japaner, Italiener? Was soll das? Es ist völlig egal wo der „Schuldige“ herkam…“

    „…DAS WAREN MENSCHEN DIE SICH DAS ANGETAN HABEN – ES SIND IMMER MENSCHEN DIE SICH SOWAS ANTUN!“

    Das einzige existierende Gesellschaftsmodell – die Anarchie – ist bis heute nicht „ausprobiert“ / gelebt worden – und wäre das einzige Gesellschaftsmodell, das so nah wie es geht an der Freiheit stünde.

    Die hier (nicht maßgeblichen) Antworten belegen warum: es ist ein Gefängnis. Die Form der existierenden Zivilisation in Staatsmodellen, gleich welches System, ist ein Gefängnis. Ein Gefängnis das rein oberflächlich gesehen sich selbst nur in Ordnung halten kann, (sprachlich, physisch, psychisch) wenn es sich selbst dazu zwingt, oder seine Menschen, die es „geordnet“ wissen will dazu nötigt.

    Nationalbewusstsein? „Es liegt an den Genen?“ Thilo Sarrazin ist ein populistischer Maulheld, der nichts, aber auch gar nichts begriffen hat – außer seinem Geschäft: der Politik. Und wie schaffe ich mir eine Mehrheit (oder im Gegenteil: Chaos).

    Denn es sind Menschen die Handeln, Menschen die Fakten schaffen, und sonst niemand! Immer nur Menschen!

    Mit freundlichen Grüßen

    P.S. Es ist in Ordnung wenn sich Akademiker in das Gefängnis ihres Spieles zerren lassen (wollen), um in diesem Spiel mit den akademischen Mitteln zu Rande zu kommen. So wie hier auch geschehen. Da kommt der eine Akademiker daher und glänzt mit seiner (gefälschten) Statistik, und um in der dadurch losgetretenen Debatte einen Kontrapunkt zu schaffen kommt der nächste Akademiker daher um wiederum mit seiner (gefälschten) Statistik aufzuwarten. Was ist das Ergebnis? Nicht wirklich etwas von Bedeutung, außer der menschlichen (Ab-)Neigung sich auf eine Seite schlagen zu müssen, wo in Wahrheit gar keine ist! Diese „Menschen“ lassen sich so wunderbar „leiten“, dass sie immer einen Schuldigen suchen würden, ehe sich das selbst eingestehen zu müssen. Und genau das ist nicht mehr in Ordnung!

  13. Oh, wie schön, hier meine Pi-Freunde zu finden. Wenn schon Werbung dann wäre doch ein wenig Gutmensch-Propaganda angesagt ;-). Ich habe ein paar Banner unter dem Motto: „Schluckimpfung gegen die Verblödung“ entworfen.
    http://www.einspruch.org/community/node/97
    Achtung, sie wirken sofort, verbessern die Genqualität und bewirken eine IQ-Steigerung von 0,2 Promille!

  14. Ein „Karl Freitag“ sprach hier was von „Kibbuz“, in den ich gehen soll. Scheint so, als wollte er mich damit beleidigen. Dumm nur, daß ich den Kibbuz für eine positive Errungenschaft halte. Gemeinsame, solidarische Produktion von Lebensmitteln. Was spricht dagegen, Herr „Freitag“?

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