Sieben Monate Einzelhaft für zwei Berliner Jugendliche

Seit dem 1. Mai ’09 sitzen in Berlin zwei Jugendliche in Untersuchungshaft. Vorwurf: versuchter Mord. Eine Frau wurde von einem Molotow-Cocktail getroffen, ihre Kleidung fing Feuer. Yunus K. und Rigo B., 16 und 19 Jahre alt, werden festgenommen. Seit September findet in Berlin-Moabit das Verfahren gegen sie wegen versuchter und vorsätzlicher Tötung und schwerer Körperverletzung statt.

Soweit, so relativ unspektakulär diese Geschichte aus Berlin. Natürlich ist das mal was anderes, weil es bisher noch keine angenommenen Mordversuche am 1. Mai gab. Trotzdem werden die meisten, die Artikel darüber gelesen haben, diesen Fall als "eins von diesen Verfahren nach den 1. Mai-Krawallen" abgebucht und nicht weiter drüber nachgedacht haben.

Was mir persönlich die Schuhe ausgezogen hat, war ein Video mit einem Interview mit dem Großvater eines der beiden am Rande des Prozesses in Moabit. Er beschreibt die Haftbedingungen. Seine Fassungslosigkeit ist ihm anzumerken. Die beiden sitzen seit sieben Monaten in Einzelhaft. Alle zwei Wochen eine halbe Stunde Besuch.

 

Die anderen

 

 

 

7 Gedanken zu „Sieben Monate Einzelhaft für zwei Berliner Jugendliche

  1. Ein (der?) anderer Anwalt der beiden ist Ulrich Klinggräff. Ich hab vor einiger Zeit einen Workshop mit ihm gehabt, in dem selbst er als erfahrener politischer Strafverteidiger sich deutlich fassungslos über dieses Verfahren zeigte. Insbesondere wie die Staatsanwaltschaft Hinweise über andere mögliche Täter ignorierte geht deutlich über das übliche, einem allgemeinen „Verurteilungsinteresse“ geschuldeten Fehlverhalten in solchen Prozessen hinaus. Allgemein lässt sich aber doch eine Parallele zu den aktuellen Verfahren bspw. gegen Alexandra und Christoph in Berlin ziehen, die auch ohne Beweise monatelang in U-Haft gehalten wurden.

    Über den Kongress auf dem ich Klinggräff hörte und auch über seinen Vortrag habe ich auch gebloggt, wen es interessiert: http://blog.adrianlang.de/?p=746.

  2. Über die psychische _und_ physische Konsequenzen von Einzelhaft, ist dieser Artikel vom New Yorker beleuchtend und entsetzlich: http://www.newyorker.com/…/090330fa_fact_gawande
    Der Text erklärt vor allem, warum Einzelhaft als Folter auch für erwachsene Männer gesehen werden kann:

    “It’s an awful thing, solitary,” John McCain wrote of his five and a half years as a prisoner of war in Vietnam—more than two years of it spent in isolation in a fifteen-by-fifteen-foot cell, unable to communicate with other P.O.W.s except by tap code, secreted notes, or by speaking into an enamel cup pressed against the wall. “It crushes your spirit and weakens your resistance more effectively than any other form of mistreatment.” And this comes from a man who was beaten regularly; denied adequate medical treatment for two broken arms, a broken leg, and chronic dysentery; and tortured to the point of having an arm broken again. A U.S. military study of almost a hundred and fifty naval aviators returned from imprisonment in Vietnam, many of whom were treated even worse than McCain, reported that they found social isolation to be as torturous and agonizing as any physical abuse they suffered.

  3. Also besser bloß nicht in der Nähe irgendwelcher Kundgebungen und Proteste aufhalten, und schon gar nicht am 1. Mai. Das scheint mir nämlich langsam die einzige (individuell) rationale Entscheidung zu sein, jedenfalls wenn man nicht aus heiterem Himmel verprügelt oder festgenommen werden will.

    Es sind ja scheinbar einige juristisch geschulte Personen unter uns: Welche Möglichkeiten gibt es eigentlich als Betroffener gegen derartige Willkür vorzugehen?

  4. Inwieweit die Staatsanwaltschaft die Beweise falsch würdigt, kann ich letztlich nicht bewerten. Die Staatsanwaltschaft behauptet ja, daß die neu ermittelten Täter einen anderen Anschlag begangen haben. Wie auch immer:
    was die Linke überhaupt nicht thematisiert: warum geht jemand auf eine “ revolutionäre Demo“, auf der bekannterweise Gewalt ausgeübt wird? Natürlich hat auch hier jeder formell das Recht, an einer solchen zuerst mal legalen Demo teilzunehmen. Aber es bleibt mein Eindruck, daß speziell die Teilnehmer an dieser Demo die Gewalt geradzu suchen. Es gibt andere, nicht traditionell in Gewalt ausartende linke Demos, an denen man als friedliebener Linker teilnehmen kann. Wer am ersten Mai in Kreuzberg demonstriert, steht bei mir im Verdacht, die Gewalt geradezu zu suchen.

  5. @stimmviech

    Yunus & Rigo haben ausgesagt, sie seien dort als Schaulustige hingegangen.
    Werde bei der nächsten Mai-Demo wohl auch mal vorbei schaun und ich habe nicht vor, Steine zu werfen…

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