Kleinkram – Extremismusbegriff

Schon im März erschien die Dokumentation (700 kb) einer Tagung, die sich mit der Anwendung des Extremismus-Begriffs auseinandersetzte:

«Gibt es Extremismus? Extremismusansatz und
Extremismusbegriff in der Auseinandersetzung mit Neonazismus und
(anti-)demokratischen Einstellungen
», veranstaltet von Weiterdenken (Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen), dem
Kulturbüro Sachsen e.V., dem Forum Kritische
Rechtsextremismusforschung und dem Referat für Politische Bildung des
Studierendenrates der TU Dresden.

Ich habe bisher nur überflogen, aber schon die Einleitung lohnt:

Der Begriff des Extremismus wurde ab 1974 in den
Bundesverfassungsschutzberichten verwendet und löste den Begriff des
Radikalismus ab. In die Wissenschaft und die Alltagssprache ist er
medial verstärkt ab 1980 über die Bundeszentrale und die Landeszentralen
für Politische Bildung transportiert worden. Durchgesetzt hat er sich
erst in den letzten 20 Jahren.

Der Extremismusansatz verschleiert die Gewaltorientierung von
nazistischen Organisationen und Gruppen unter dem Zerrbild der
Auseinandersetzungen zwischen linken und rechten Jugendgruppen. Er
verunklart die Relevanz verschiedener antidemokratischer Einstellungen.
Er trübt den Blick für die wirkliche Gefährdung für die demokratische
Alltagskultur und staatliche Ordnung und behindert die
Auseinandersetzung mit antidemokratischen und menschenfeindlichen
Einstellungen mehr als er hilft.

Wir wollten gerade auch als sächsische Einrichtungen diese Debatte
führen, weil der Begriff aus der Politikwissenschaft in Sachsen – also
insbesondere den Politikwissenschaftlern Uwe Backes und Werner Patzelt
in Dresden und Eckhard Jesse in Chemnitz immer wieder theoretisch
begründet und in die politische Diskussion eingeführt wird.

Der Begriff «Extremismus» ist für eine wirksame Arbeit für demokratische
Kultur in Sachsen hinderlich und als theoretischer Ansatz unzureichend,
deshalb unsere Einladung zu dieser Diskussion.

Das gibt’s:

INHALT
Grit Hanneforth/ Michael Nattke/ Stefan
Schönfelder

Einleitung 

Teil I
Der Fächer des Bösen – Was wir mit Extremismus alles zu
meinen meinen.

Gero Neugebauer
Der Extremismusansatz aus
wissenschaftlicher Sicht
Petra Schickert
Der
Extremismusansatz aus Sicht der Mobilen Beratung für Demokratie
Miro
Jennerjahn 
Der Extremismusansatz aus politischer Perspektive
Daniela
Kahls
Der Extremismusansatz aus Sicht der Medien 

Teil II
Extremismus – eine Alternativlosigkeit oder Kapitulation
vor der Gewohnheit?

Stefan Kausch
Ordnung.Macht.Extremismus. – Eine
Alternativlosigkeit?
Doris Liebscher
Naziproblem und
«Rechtsextremismus-Dilemma».
Der Antidiskriminierungsansatz als
Ausweg.

Auch hübsch: die Dokumentation hat eine CC-Lizenz. 

 

3 Gedanken zu „Kleinkram – Extremismusbegriff

  1. Der Extremismusbegriff als Bezeichnung für diejenigen, die in einem antagonistischen Verhältnis zu diesem Staat stehen hat seine Berechtigung.
    Das Problem, das Gruppen von der ALB bis zur INEX damit haben ist ja nur das, dass sie fälschlicherweise auch dazu gerechnet werden. Und somit nicht entsprechend ihrer inhaltlichen Ausrichtung wahrgenommen werden, sondern durch das label Extremismus von jedem Diskurs in der demokratischen Öffentlichkeit, an dem sie so gerne Teil hätten, ausgeschlossen sind.

    Für alle die, die das Ziel der befreiten Gesellschaft noch nicht ad acta gelegt haben hat es am besten Manfred Dahlmann zusammengefasst:
    http://jungle-world.com/artikel/2010/18/40873.html

  2. Es gibt Extremismusforscher, die der Neuen Rechten nahestehen. Die Professoren Uwe Backes und Eckhard Jesse machen – finanziert vom Verfassungsschutz – Meinung. Wie Anne zitiert, ist der Begriff ein Begriff staatlicher Stellen. Die antagonistische Linke hat sich stets als radikal, d.h. an die Wurzel gehend, verstanden, nicht jedoch als „extrem“ – das sagen nur Anhänger der Hufeisentheorie.
    Ich kann das neue Buch „Gegnerbestimmung“ von Markus Mohr und Hartmut Rübner wärmstens empfehlen.

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