Und jetzt auch noch was über angezündete Autos. Aber um die geht es eigentlich nicht, sondern um eine Postkarte von Franz:
Im Mai wurde in Berlin eine Frau festgenommen, der vorgeworfen wird, versucht zu haben, ein Auto anzuzünden. Ihre Anwältin sagte dazu: neben der Aussage des Polizisten, der Alexandra R. am
Tatort gesehen haben will, gebe es keine Beweise: Kein Grillanzünder an den
Fingern der jungen Frau, keine Spuren am Auto.
Sie sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Angezündete Autos in Berlin sorgen seit einer Weile für große Nervosität. Das zumindest muss man wissen, wenn man verstehen will, warum in diesem Fall die versuchte Brandstiftung eine andere Dimension hat als normalerweise.
Alexandra R. wurde festgenommen, mangels hinreichenden Tatverdachts freigelassen und zwei Tage später wieder festgenommen. Begründung: "Um andere abzuschrecken, sei es möglich, dass die Strafe entsprechend hoch ausfalle" (Frankfurter Rundschau). In der Berliner Zeitung heißt das "generalpräventive Erwägungen".
Liebe AnwältInnen: ist eigentlich erlaubt, dass einzelne härter bestraft werden, damit alle anderen brav sind?
Dazu Fluchtgefahr (wenn sie hätte flüchten wollen, hätte sie das ja in den ersten beiden Tagen machen können?). Jetzt gab es eine weitere Haftprüfung und ihre Freilassung auf Kaution wurde abgelehnt. An dieser Geschichte ist vieles eigenartig. Wirklich kreativ ist dieser Grund für die Ablehnung:
Als zusätzliche Begründung für die Fortdauer der Haft meldete das
Kammergericht Zweifel an der Kaution an. Dabei führte es den Inhalt
einer Postkarte an, den R. in der Haft erhalten hatte. "Werde Dich mit
Parteigeldern freikaufen. Dein Franz", heißt es dort mit Bezug auf den
SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering. (taz)
Wenn beim Gericht Zweifel bestanden, ob die SPD womöglich auf diesem Wege versucht, noch die eine oder andere Wählerstimme zu ergattern, hätte eine Nachfrage beim Franz sicher Klarheit geschaffen.
Es ist nach dem derzeitigen Stand des Strafrechts in der BRD eigentlich schon möglich, daß man eine dickere Strafe aufgebrummt bekommt, damit andere gar nicht erst auf die Idee kommen. Das nennt man Generalprävention, und es beruht auf der psychologie einer imaginären Welt, zu der nur gewisse Richter Zugang haben. In dieser imaginären Welt ist es tatsächlich erwiesen, daß Strafen abschrecken.
Neu ist in diesem Fall aber, daß generalpräventive Erwägungen dazu führen, daß eine Frau, gegen die kein hinreichender Tatverdacht besteht, in Untersuchungshaft muß. Eigentlich dürfte das gar nicht sein, denn U-Haft soll (theoretisch natürlich) gar keine Strafe, sondern eine Tataufklärungsmaßnahme sein.
Nach § 112 StPO darf die U-Haft nur dann angeordnet werden, wenn der zu Inhaftierende der Tat „dringend verdächtig“ ist, ein Haftgrund (Flucht, Fluchtgefahr, Verdunkelungsgefahr) vorliegt, und die Anordnung der U-Haft nicht außer Verhältnis zur Schwere der Tat und der zu erwartenden Strafe steht. Festzuhalten ist: Liegt kein dringender Tatverdacht vor, kommen all diese anderen Erwägungen gar nicht zur Sprache.
Die Höhe der zu erwartenden Strafe – das ist hier mit „generalpräventiven Erwägungen“ gemeint – ist nur dann von Bedeutung, wenn gegen den/die Beschuldigte ein dringender Tatverdacht überhaupt vorliegt.
Wenn die mediale Darstellung der Anordnungsgründe tatsächlich stimmt, ist das eine Ungehörigkeit.
Bin ich froh kein Raucher zu sein und nicht in Berlin zu wohnen.
Der Gedankengang geht wie folgt: dringender Tatverdacht ist gegeben. Jetzt zu prüfen, ob wegen der zu erwartenden Höhe der Strafe Fluchtgefahr besteht. Wegen der generalpräventiven Wirkung ist mit einer hohen Strafe zu rechnen, deshalb Fluchtgefahr.
Das ist also ein Mal mehr um die Ecke und deshalb auch so kein Skandal.
Der Skandal liegt dann eher darin wegen einer versuchten Brandstiftung an einem Auto eine Strafhöhe weit über zwei Jahren zu bejaen nur wegen der Generalprävention.
Und dass Strafen je nach dem erarteten Verhalten anderer unterschiedlich gewertet werden. So könnte das Anzünden eines Autos in Berlin aus politischen Motiven bei der gleichen Person zu einer ganz anderen Strafhöhe wie das Anzünden eines Autos in Pforzheim führen, nur weil in Berlin auch andere Personen so handeln. Aus rechtsphilosophischer Sicht ziemlich bedenklich.
@Karl
Eigentlich wird der Gesichtspunkt Strafmaß an anderer Stelle geprüft (obwohl das natürlich auch ein Faktor in Sachen Fluchtgefahr sein kann), aber hier ist es – wenn man den Medien glaubt – eben so nicht gelaufen.
Die Frau ist mangels dringenden Tatverdachts freigelassen und dann „aus generalpräventiven Erwägungen“ wieder inhaftiert worden. D.h., wenn nicht irgendein Reporter bei der Berichterstattung einen Riesenfehler gemacht hat, gab es zur Prüfung der Haftgründe nach § 112 StPO (Fluchtgefahr, usw.) überhaupt keinen Anlaß.