„Datenschutz darf Kinderschutz nicht verhindern“

Ich stand heute abend in der Küche und habe meinen Kindern den
Klassiker Nudeln-mit-Tomatensoße gekocht. Aus dem Radio perlte
kurz vor Sieben "Hintergrund Politik" im Deutschlandfunk an mir vorbei. Es ging um das Urteil
gegen die Eltern der verhungerten Lea-Sophie aus Schwerin, um
Jugendämter und darum, dass die SozialarbeiterInnen eigentlich auch
nicht SozialarbeiterInnen im Jugendamt geworden sind, weil sie gern
Kinder quälen oder dabei tatenlos zugucken. 

Den Anfang habe ich
verpasst, das Ende drehte sich um die Dauerfrage, warum gerade soviele
Kinder gequält werden und sterben und ob Jugendämter mehr oder weniger
oder anders eingreifen sollen. Die Antwort liegt auf der Hand, das ist
jedem denkenden Mensch eigentlich klar: statt mehr Kontrolle, Bürokratie und
Zentralisierung bräuchten Schul- und Jugendämter mehr Geld, bessere
Ausstattung und selber bessere Aus- und Weiterbildung, um sich weniger
mit Akten und mehr mit Kindern zu beschäftigen. Stark vereinfacht
zusammengefasst. Leider ging es auch in diesem Beitrag eher um die
übliche Ratlosigkeit, und plötzlich riss mich folgender Satz aus meiner
zwiebelschneidenden Lethargie.

Datenschutz darf Kinderschutz nicht verhindern!

Das macht wach. Da ist doch mal ein ganz neuer Spin drin. Bzw.eigentlich ist der ja nicht neu.

Damals, vor dem Hype, dass wir alle von Terroristen in die Luft
gejagt werden werden, gab es das Gleiche zum Thema Organisierte
Kriminalität
, vielleicht erinnern sich noch einige daran. Da wurden
alle
unsere Autos von den Polen geklaut, die Russenmafia hatte die
Restaurants unter Kontrolle und, viel wichtiger: handelte mit Frauen.
Armen, unterdrückten Frauen, die unseres Schutzes bedurften. Immer,
wenn einer der vielen Experten in Sachen mißhandelte Frauen härteres
Durchgreifen forderte, damit diese armen ahnungslosen Dinger endlich
vor den fiesen geldgierigen Ausbeutern gerettet werden, sah ich vor
meinem inneren Auge denselben Frauenbeschützer als eine Art Gorilla im
Anzug, der sich kräftig auf die Brust trommelt. Auf die einfache
Lösung, das deutsche Aufenthaltsrecht entsprechend zu ändern, sind nur
wenige gekommen, aber das ist ein anderes Thema.

Es wäre interessant zu wissen, ob schon mal jemand die Diskurse
verglichen hat, mit denen InnenpolitikerInnen abwechselnd vor
Organisierter Kriminalität, Terrorismus und dann noch Fußballhooligans
und Drogenkriminalität warnen, um in den Methoden ein bisschen anziehen
zu können. Meine These: das unterscheidet sich überhaupt nicht, und
wird einfach alle paar Jahre ausgetauscht, gesprenkelt mit den
wiederkehrenden Europa- und Weltmeisterschaften. Ach ja, und natürlich
den Gipfeltreffen, jetzt ‚GlobalisierungskritikerInnen‘. Die sind
prima, die sind universell einsetzbar, außer bei Fußball, aber das wird
noch.

Zurück zum Deutschlandfunk: der Beitrag ging damit weiter, dass die
unionsgeführten Bundesländer jetzt bald den Austausch von Daten
zwischen Jungendamt und allen, die irgendwas über die
(viele/alle/irgenwie problematische?) Familien wissen, erleichern
werden. Nochmal
mein geistiges Auge: das sieht jetzt verzweifelte SozialarbeiterInnen,
die noch länger vor dem Computer sitzen, statt sich mit Kindern zu
beschäftigen. Oder gleich ganz gestrichen werden, damit noch ein
Programmierer bezahlt wird?

Selbstverständlich
ist Datenschutz wichtig, wird gesagt werden, aber wenn das Wohlergehen
unserer Schutzbefohlenen auf dem Spiel steht, dann sind solche
ideologischen Pingeligkeiten ja wohl zweitrangig.

(PM des Bundesdatenschutzbeauftragten 6.12.2006: "Schnell ist als Schuldiger der Datenschutz
genannt, obwohl in keinem der in letzter Zeit bekannt gewordenen
tragischen Einzelfälle die Gefährdung oder gar der Tod eines Kindes auf
eine aus Datenschutzgründen nicht erfolgte Information zurückzuführen
ist.
" – ist gar nicht so neu, der Trick. Auch nicht wirklich überraschend)

Update: jetzt ist die Sendung online: Verwahrlost und verhungert. Der Fall Lea-Sophie wirft Fragen auf. Leider (noch?) nicht zum Anhören.
Ich hatte mich verhört – es hieß nicht ‚Datenschutz darf Kinderschutz nicht verhindern‘, sondern ‚behindern‘. Sehr schön noch: dahinter steht direkt " lautet die Devise der Ministerpräsidenten". Weiter unten geht es dann allerdings um die unionsgeführten Länder. Ich bin auch kein Fan der Sozialdemokratie, aber das scheint mir doch etwas stark verallgemeinert.

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7 Gedanken zu „„Datenschutz darf Kinderschutz nicht verhindern“

  1. Diese Debatte verursacht bei mir äußerstes Unbehagen. Sicher, nach den grässlichen Fällen der letzten Jahre, wo jeder gefragt hat, warum diese Kinder nicht hätten gerettet werden können, werden sehr, sehr viele eine weitere Vernetzung und Datenweitergabe bei den Jugendämtern eher gut finden.
    Aber mir wird dabei übel. Denn: es gibt auch die Kehrseite der Jugendämter. Die Fälle, wo unmögliche Fehlentscheidungen getroffen werden – man suche unter „Görgülü“, ein Fall, der bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ging, und wo das JA sich immer noch widersetzt. Davon gibt es einige, und das böse Gerücht geht um, dass auch das finanzielle Hintergründe haben könnte.
    Des weiteren ist gerade das Jugendamt eine Behörde, für die es praktisch keine Aufsicht gibt. Bei guter Zusammenarbeit mit den zuständigen Gerichten stehen Eltern dann völlig alleine.
    Ich will auch von diesen Fällen nicht mehr erleben müssen. Und der Nachweis, dass mehr Daten und mehr Datenweitergabe andere Kinder gerettet hätte, steht ja, wie erwähnt, noch aus.

  2. Das mit den Austauschen der „Topthemen“ kommt mir auch so vor. Ich denke das hat einen Zyklus von ca. 20 Jahren. Man muss sich nur mal auf Phönix die Nachrichten von vor 20 Jahren anschauen. Bis auf die alte Technik sind die Themen gleich: Terror (damals RAF u.Ä.), Nahost, USA als Weltpolizei und der Ölpreis. Und Fussball natürlich, aber mit geringeren Transfergeldern.

  3. Bei dem Thema musste ich an den Artikel bei Telepolis zu Jugendgewalt in GB danken:

    Am heutigen Dienstag will die Regierung im Detail ein umfassenderes Konzept vorstellen, mit dem sie gegen die „Spirale der Gewalttaten mit Messer“ vorgehen will. Einige Eckpunkte des 100 Millionen Pfund teuren „Youth Crime Action Plan“ wurden bereits bekannt. So etwa, dass man sich mit erheblich gesteigertem Polizeieinsatz auf acht Brennpunkt-Zonen konzentriert und dass man die Prävention auch dahin gehend verstärken will, indem man „frühzeitg“ bei 20.000 Familien eingreifen will, von denen laut Brown bekannt ist, „dass die Mutter oder der Vater die Kontrolle über ihre Kinder verloren haben, und deren ganzes Leben in Schwierigkeiten geraten ist.“ Genannt wird aber noch eine andere Zahl, nämlich 100.000 Familien, „die Unterstützung bräuchten“, weil die Kinder in Gefahr seien, notorische Straftäter zu werden.

  4. Ich fand diesen Blog aufschlussreich, weil die Verfasserin aus dem Leben als Betroffene berichtete.
    Nun werden zunehmend andere Themen bemüht und unter einem ganz engen Blickwinkel Vergleiche gestrickt, und das driftet mir arg in Richtung Ideologielastigkeit ab. Da wird Kriminalität und Kindeswohl in einen Topf geworfen, und gemutmasst dass die Politik seit Jahren ein und dasselbe Süppchen blos unter verschiedenen Namen anbietet, und vieles dazu dient uns diese Brühe unterzujubeln. Klingt schön simpel, da freut sich derjenige der hinter allem eine große Verschwörung vermutet.
    Also wems schmeckt, mir ist das gerade etwas zu fade.

  5. Hallo A.G.,

    Ich habe Deinen Kommentar rausgenommen: 1. passt er inhaltlich überhaupt nicht zum Thema des Artikels oben, 2. hast Du sogar mit reinkopiert, dass das Copyright dafür bei der Süddeutschen liegt und damit ist das Ganze (Kopie eines kompletten Artikels) eine Art schriftliche Einladung für eine Abmahnung.
    Der Text klingt, als ob es sich tatsächlich um einen empörenden Fall handelt, aber weder in unserem persönlichen Fall noch der Blog spielt Polizeigewalt eine wesentliche Rolle: deswegen wäre nett, wenn Du bei sowas dazu schreiben könntest, warum Du das ausgerechnet hierhin kopierst. Und bitte keine kompletten Artikel kopieren.

  6. Hallo Anne Roth,

    ich hielt die Sachen nur verwandt mit der Materie des Blogs.

    -Dass das Thema für den gesamten Blog als solches unpassend erscheine, ist vielleicht etwas schade. Immerhin sagt das Stück ja etwas aus über Selbstverständnis und Selbstherrlichkeit der Vertreter des Staatsschutzes. Den Topos der Gewalt empfand ich als sekundär.

    -Poste ich den Hinweis zu einem möglicherweise passenderen, aber zeitlich weiter zurückliegenden Beitrag, erreicht er wahrscheinlich keinen mehr. Und man möchte ja die anderen interessierten Leser nur auf etwas aufmerksam machen.

    -der Artikel stammte aus der unentgeltlichen Online Plattform. Wäre ein Link rechtlich gestattet gewesen? (Wenn ich richtig informiert bin, hatte Perlentaucher eine gerichtliche Auseinandersetzung auf diesem Feld…)

    besten Dank, A.G.

  7. Es ist eine Schande, das Kinder unter der Aufsicht, der Jugendaemter sterben. Aber mich verwundert es ueberhaupt nicht. Die deutschen Jugendaemter kuemmern sich eigendlich nicht um Kinder, die es noetig haben, weil geschaedigte Kinder nich „plazierbar“ sind, und deswegen nicht provitabel. Nun, es ist meine Meinung und auch eine Lebenserfahrung. Nur Kinder, die von guten Eltern kommen, werden von deutschen Jugendaemtern „entfuehrt“. Ihre Ziehle sind, die seelisch und koerperlich gesunde, Kinder an kinderlose Ehepaare (besonders Beamte), fuer Profit nur Paare (Pflegeeltern), und an Kinderheimen (also Kinderdoerfer, sie muessen immer voll sein) zu verschachern. Wenn diese Verbrecher von den Jugendaemtern ihr monatliches „Status Quo“ beibehalten, verdienen sie fast bis zu 4000 Euros extra, pro Monat. So seid nicht allzu betroffen, wenn ihr von den Toden, von vernachlaessigten Kindern aus schlechten Familien, liest. Ich kam von einer guten Familie in so einer Kindergulag (Kinderheim), warum? Weil meine Mutter eine Osteuropaeische ledige Zigeunerin war, die noch Familie in Polen hatte. Ich durfte dafuer buessen. Ich wohne in einen Land, wo es keine von Nazi gegruendete Jugendaemter, gibt. Ein Land, wo ich meine Kinder behalten darf, obwohl 2 Kinder cronisch krank sind. Waehre ich bloed genug in Deutschland zu bleiben, haette ich meine Kinder auch, durch die Willkuer, Habg- und Machtgier, verloren. Es ist nicht verwunderlich, das ich Deutschland hasse.

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