Urteil im mg-Verfahren

Freitag wurden in Berlin die Urteile im mg-Verfahren verkündet. Die AnwältInnen hatten auf Plädoyers verzichtet:

In diesem Verfahren ging es nie um eine unvoreingenommene Beweisaufnahme.

Schon der Zeitplan – Mittwoch sollten die Plädoyers gehalten, Freitag das Urteil verkündet werden – deutete an, dass der Richter sich nicht lange mit der Reflektion der Argumente der AnwältInnen hätte aufhalten wollen. Hat er auch wirklich gar nicht, sondern genau die Strafen beschlossen, die die Bundesanwaltschaft beantragt hatte: 3,5 bzw. 3 Jahre ohne Bewährung. 

Es ging um zwei Sachen: die versuchte Brandstiftung an Bundeswehr-LKW einerseits und die Mitgliedschaft in der ‚militanten gruppe (mg)‘ andererseits, angeklagt nach §129 StGB. Schon der Nachweis der Brandstiftung ist nicht unumstritten, was eine gewisse Ironie enthält, da ja offenbar nicht wenige Beamte quasi dabei gewesen waren. Trotzdem haben sie nichts richtig gesehen und eindeutige Spuren gibt es auch nicht. Ich kenne die drei Beschuldigten auch nicht besonders gut, aber dass sie Bundeswehrfahrzeuge nicht mögen und grundsätzlich Sympathie für Antimilitarismus in allen Erscheinungsformen empfinden, kann wohl als gesichert gelten.

Das andere ist die ‚militante gruppe‘. Und da waren die "Beweise" für die Mitgliedschaft der drei wohl der Grund, dass die AnwältInnen erklärten "Wir werden in diesem Verfahren mit den offenkundigen Grenzen des Rechtsstaats konfrontiert."

Bei einem waren Fotos vom Ort eines mg-Anschlags gefunden worden, die nachgewiesenermassen allerdings lange nach dem Anschlag aufgenommen wurden. In einem Papierstapel eines anderen wurde ein Text gefunden, der der ‚mg‘ zugeschrieben wird, und auf einem anderen Papier im selben Stapel waren Fingerabdrücke eines anderen Beschuldigten. Der Text selber war die x-te Kopie des Originals, bestätigte das BKA. Im Kalender eines Beschuldigten stand mehrmals ‚Auto‘ jeweils am Tag vor einem Anschlag der ‚mg‘. In dieser Qualität noch dies und das. Nicht vergessen werden soll auch der Zeuge des Verfassungsschutzes, der
nicht selbst erschien und bei dem sich herausstellte, dass der sichere
Hinweis, dass die drei "dazu gehören", vom ‚Hörensagen‘ stammte. Und die Kleinigkeit, dass nur wegen einer Schlamperei des BKA herauskam, dass das BKA selber auch militante Texte schrieb, um die Debatte ein bisschen anzufeuern. 

Ich kann verstehen, dass die Linksextremismus-ExpertInnen vom BKA hofften, hiermit ihre Jobs retten zu können. Dass das reicht, um Mitgliedschaft in einer hochgefährlichen Organisation zu beweisen, hat wohl nicht primär mit Vernunft oder Rechtstaatlichkeit zu tun.

Die Revision ist angekündigt und damit ist das Urteil noch nichts rechtskräftig.

BILD drückte sich so aus:

Bravo, Herr Richter
Feuer-Terroristen weggesperrt!

Drei
Fratzen des Terrors, der Angst und Gewalt. Die Männer wurden gefasst,
als sie am 31. Juli 2007 versuchten, zwei Bundeswehr-Lkw in der Stadt
Brandenburg mit Brandsätzen zu vernichten. Gestern gab’s dafür endlich
Knast.

Andrej wurde am Rande der Urteilsverkündung von der taz interviewt:

Sie selbst saßen 2007 in U-Haft, weil Sie zum angeblich
anschlagsrelevanten Themenfeld Gentrifizierung arbeiten und Kontakt zu
einem nun Verurteilten hatten. Was wurde aus den Ermittlungen gegen Sie?

Die sind noch nicht eingestellt.

Was liegt denn gegen Sie vor?

Das versuchen meine AnwältInnen auch herauszufinden. Wir haben
bisher keine konkrete Begründung von der Bundesstaatsanwaltschaft
bekommen. Klar ist, dass ich im Prozess als Beweismittel diente, auf
das die Anklage aufgrund der vagen Indizienlage nicht verzichten konnte.

Sie waren Beweismittel?

Der Kontakt zu mir als einem anderweitig Beschuldigten wurde den drei Angeklagten als Belastung ausgelegt.

Sie rechnen also nicht mit einer schnellen Einstellung?

Das wäre überfällig. Aber nach dieser Urteilsbegründung habe ich wenig Hoffnung, dass das schnell passiert.

Der gesamte Pressespiegel findet sich auf der Website des Einstellungsbündnisses.

Lesenswert fand ich

Und für den visuellen Eindruck:

3 Gedanken zu „Urteil im mg-Verfahren

  1. Nachdem die Bedrohung aus dem Osten weggefallen ist braucht man ein neues Betätigungsfeld um seine Jobs zu bestätigen. Die Revision wird anders ausgehen.

  2. Die Auto-Kalendereinträge erkläre ich mir gar nicht. Ich weiß nicht, warum es sie gibt. Die Beschuldigten selber haben sich entschieden, gar nichts zu den Vorwürfen zu sagen, was ihr gutes Recht ist.

Kommentare sind geschlossen.