Von heimlich ausgetauschten Autos. Überwachung in mg-Verfahren

Die Initiative Libertad! hat Anfang Juni einen Text mit dem Titel „10 Jahre Ausforschung“ veröffentlicht. Libertad setzt sich ein für politische Gefangene, ein verhältnismäßig traditionelles Politikfeld, das je nach dem eigenen Verhältnis zum Sing-Sang „Frei-heit-für-al-le-po-li-ti-schen-Ge-fang-e-nen!“ als abschreckend oder aber außerordentlich wertvoll erachtet wird. Das ändert sich zuweilen auch nach überraschenden brachialen Erlebnissen mit der Staatsmacht, kann ich aus eigenem Erleben berichten (womit ich nicht sagen will, dass ich vorher nichts von Engagement für politisch
Verfolgte gehalten hätte).

Wie dem auch sein, die Lektüre lohnt sich.

Libertad kümmert sich nicht nur um andere – etwa mit einer der ersten deutschen Online-Demos, gegen Abschiebungen durch die Lufthansa -, sondern drei seiner Mitglieder waren als Beschuldigte im 1. mg-Verfahren von jahrelanger Überwachung betroffen. Davon handelt der Text.

Zu diesem Verfahren gehört die relativ bekannte Geschichte der Handy-Überwachung, die bekannt wurde, weil O2 dem Beschuldigten auch die Kosten der Überwachung in die Rechnung geschrieben hatte, wodurch der erst davon erfuhr.

Einer der Betroffenen war an der Veranstaltung in der Volksbühne beteiligt, die im Herbst 2007 stattfand, also kurz nach dem Bekanntwerden des (anderen) mg-Verfahrens gegen Andrej und sechs andere:
Wir sind alle TerroristInnen – Der § 129a und seine Folgen für Politik und Alltag. Szenische Lesung zu den Ermittlungen und Podiumsdiskussion mit Beschuldigten aus vier aktuellen § 129a-Verfahren (Chaos TV Video).

Ich kenne viele dieser Geschichten, aber es sind auch noch ein paar (mir) neue dabei. Zum Beispiel die vom Treffen ehemaliger TAZlerInnen (die Zeitung), das vom Verfassungsschutz zum „Runden Tisch der
Militanten“ umgedichtet wurde.

Es wird auch endlich erklärt, warum immer nur Männer beschuldigt werden, mg-Mitglieder zu sein: einer der ersten Beschuldigten hat irgendwann irgendwo gesagt, er sei nur im Männergruppen politisch aktiv. Ergo..

Deutlich zuviel James Bond geguckt haben anscheinend die Ermittler, die hier aktiv waren:

Fahrzeuge, auch der Arbeitsstelle, wurden mit GPS-Peilsendern ausgestattet, der Innenraum eines Privatfahrzeuges verwanzt. Um dieses Fahrzeug verwanzen zu können, wurde großer Aufwand betrieben: Der Privatparkplatz des Fahrzeuges am Wohnort erwies sich wohl als zu ungünstig, die Erkennungsgefahr beim Verwanzen als zu groß
eingeschätzt.
Deswegen wurde die Zufahrtschranke zum Parkplatz blockiert, so dass das Auto außerhalb abgestellt werden musste. Das BKA ließ dann das geparkte Auto abschleppen, um es in Ruhe verwanzen zu können. Während dieser Zeit wurde auf dem Platz eine von weit her herangeschaffte „Doublette“, also ein gleich aussehendes Fahrzeug, abgestellt.

Ein interessantes Detail gibt es für alle, die sich ab und zu mit dem Argument herumschlagen müssen, dass auch Terror-Ermittlungen (Online-Durchsuchung, etc.) grundsätzlich rechtsstaatlich korrekt
verlaufen, weil ja immer noch ein Richter die Überwachungsmaßnahmen prüft.

Im beschriebenen Verfahren hat der Ermittlungsrichter (das ist der, der die Überwachung ‚unterschreibt‘) einmal der Telefonüberwachung nicht zugestimmt.

Diese Informationen besorgte sich das BKA dann beim VS, der immer weiter überwachte. Die Videoüberwachung lief zum Teil offensichtlich arbeitsteilig.

Das war aber die Ausnahme:

Alle Überwachungsmaßnahmen, die in die Persönlichkeitsrechte eingreifen, müssen beim VS von der G10-Kommission und beim BKA alle drei Monate von einem Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof genehmigt werden. Diese Genehmigungen sind eine Farce. Der Ermittlungsrichter in den mg-Verfahren (in der Regel Hebenstreit) hat allein im mg-1 Verfahren von 2001 bis zur Einstellung des Verfahrens 7 Jahre später mehr als 50 solche Überwachungsbeschlüsse auf Antrag des BKA unterschrieben, die nahezu gleichlautend waren und keine neuen Fakten enthielten, außer denen, dass die mg wieder einen Anschlag gemacht hat. Genauso läuft es mit dem VS und der G10-Kommission.

Falls sich noch jemand Illusionen gemacht haben sollte.

Zum Weiterlesen hier entlang.

4 Gedanken zu „Von heimlich ausgetauschten Autos. Überwachung in mg-Verfahren

  1. Krasse scheisse! Die Ausführung der Verwanzung erinnert echt an die Vorgehensweise eines Geheimdienstes,… und das BKA will mehr Kompetenzen? Fuck off…

  2. Es ist schon recht interessant was man so mit der Zeit zu lesen bekommt. Vor vielen Jahren habe ich durch einem Zufall auch mal an einer Wanze für ein PKW als Programmierer gearbeitet. Sie hatte zwei Mikrofone und hat auch Stereo aufgenommen. Sie konnte nicht detektiert werden, das bedeutet sie hat nicht gesendet sondern gespeichert. Der Einbau war auch kompliziert, die Firma ist auch schon Pleite gegangen. GPS ist nicht so einfach weil eine Antenne die Satelliten empfangen muss und ein eingebautes Handy muss diese Daten senden. Wer unter einem großen Baum parkt ist dann eigentlich weg. Ein Navi geht dann auch nicht mehr. Ein kleines Radio, mit UKW, mit Einstellrad für Sender, einschalten, neben einem Sender stellen und laut drehen und auf die Hutablage legen, Antenne ist ausgezogen, und leise fahren. Mann hört das typische Geräusch eines sendenden Handys, Frau ist ja kein Terrorist.
    Man sollte mal ab und zu mit seinem Auto zur Unterbodenpflege fahren. Muss man alles am Telefon besprechen? Interessant ist auch das sie mit den angefallenen Datenmengen schwer fertig werden. Wer glaubt beobachtet zu werden sollte also viele Daten erzeugen. Wer eine Flat ins Festnetz hat, hier http://www.basis-chathouse.de/, 030 74757677. Also einen paranoiden Kumpel einladen und Nächtelang telefonieren lassen. Es kann auch eine andere Nummer sein und das Telefon kann auch Schnurlos sein also muss man sich das nicht selber antun. Ich weiß das es gemacht wird.
    Texte können ab 700 Wörter einem Verfasser zugeordnet werden, also nicht mehr als 699 schreiben. Keine Bilder und Word oder Open Office Texte verschicken. Erst nach PDF Datei drucken. Bilder von einer Digitalen Kamera verraten ein. In jedem Bild ist das rauschen des Sensors drinne. Das ist wie ein Fingerabdruck und kann einer Kamera zugeordnet werden.

  3. Hallo Sven,
    GPS-Überwachung funktioniert zumindest in den mir bekannten Fällen auch mit Speicherung der Daten, die dann von der Behörde „abgeholt“ werden. Zumindest war das früher so, als sie noch per Funk ausgelesen wurden, da mußte immer ein VS-Auto vorbeischauen, sich in die Nähe stellen und sie auslesen. Dass heute Handychips verbaut werden bedeutet nicht, dass sie ständig senden, sie werden auch diese Option haben, aber in der Regel dürften sie die Speichern und von Zeit zu Zeit abrufen.
    GPS-wird teilweise auch richtig eingebaut, also Auto abgeholt und Antenne und anderes unterm Dach platziert, dann bringt die Unterbodenschau auch nichts, wobei sie schon sehr sinnvoll ist, wenn das BKA quick&dirty gearbeitet hat, das gps also nur drunter geklebt hat.
    Dass ab 700 Wörter ein Text erkannt werden kann ist Blödsinn, dass geht auch bei wahrnehmbar weniger. So richtig drauf hat es das BKA wohl noch nicht, zumindestens das Vorgehen bei Andrej war ja eher zum Fremdschämen, aber in wenigen Jahren werden sie Maschinelles Lernen zur Kenntnis genommen haben und dann das Gros der Bekennerschreiben analysieren können. D.h. sie werden mit hoher Genauigkeit mehrere Schreiben von einer Person auch der selben zuordnen können und anhand anderer Schriftstücke auch das Schreiben einem Autor zuordnen können. Bekennerschreiben schreiben ist gefährlich. Eine Lösung ist, solche Schreiben immer mit mehreren zu schreiben und die Textstellen des anderen wild durchzukorrigieren.

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