Raul Zelik über seine VS-Überwachung

Auch Raul Zelik wurde vom Verfassungsschutz überwacht und hat in Freitag und WOZ beschrieben, wie er davon erfuhr und was die Auswirkungen waren – nicht lustig nämlich.

Gründe?

..hat der Verfassungsschutz meinen Roman „Der bewaffnete Freund“ für bare Münze genommen und glaubt, ich hätte – wie die Hauptperson des Buchs – einen ETA-Führer mit dem Auto durch Spanien gefahren? Warum wurde die Überwachung wieder eingestellt? Und natürlich dachte ich sofort daran: Was habe ich in den letzten Jahren am Telefon gesagt, was mir peinlich oder unangenehm sein müsste?

Raul Zelik, der lange in Berlin lebte, ist inzwischen Professor in Kolumbien. Und hatte damit Glück, denn das hätte auch anders kommen können: 2005 hat er eine Menschenrechtsdelegation nach Kolumbien organisiert, Der VS meldete dies den Kollegen von der Geheimpolizei in Kolumbien, und die sind noch deutlich weniger zimperlich als der deutsche Inlandsgeheimdienst.

Diese Denunziation war alles andere als eine Lappalie. Die Geheimpolizei DAS war in den vergangenen 15 Jahren das Zentrum des schmutzigen Kriegs in Kolumbien. Jorge Noguera, 2002 bis 2005 Leiter der Polizeibehörde, wurde unlängst zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt, weil er rechten Todesschwadronen Listen mit zu ermordenden Gewerkschaftern hatte zukommen lassen.

Über den Verfassungsschutz zu reden ist nich mehr möglich, ohne den NSU zu erwähnen. Und dann kommt ein interessanter Schluss:

Ich war bislang der Überzeugung, Linke sollten sich nicht allzu lautstark über staatliche Überwachung beklagen. Erstens hat die Linke Geheimdienstsysteme hervorgebracht, gegen die der bundesdeutsche Verfassungsschutz eine reine Witzveranstaltung ist, und zweitens dürfen sich KritikerInnen des Staats nicht wundern, wenn dieser ihnen misstraut. Inzwischen wissen wir: Zehn Menschen könnten noch leben, wenn die Geheimdienste ihre Arbeit gemacht hätten. Ihre Aufmerksamkeit und ihr ganzes Engagement jedoch galt anderen Milieus, anderen Überzeugungen – ein Zufall ist das nicht.

Dresden bleibt nazifrei

Publikative hat dankenswerterweise alles Nötige:

In Dresden planen heute Tausende Menschen Proteste gegen den jährlichen Aufzug von Neonazis. Die Rechtsextremen wollen ab 18.00 Uhr mit Fackeln durch die Stadt ziehen. Hier die wichtigsten Links zu dem Tag in Dresden.

Hier der Demoticker sowie der Ticker von Dresden nazifrei. Dort gibt es auch einen mobilen und einen Twitter-Kanal:

http://ticker.dresden-nazifrei.com
http://wap.dresden-nazifrei.com
Twitter-Kanal

Infotelefon:
0351 – 418 88 922

Coloradio Frq: 98.4 & 99.3
13. Februar ab 18 Uhr
18. Februar ab 12 Uhr

Ermittlungsausschuss
0351 – 899 60 456
Ausschließlich Melden von Festnahmen!

Demo-Sanis
0177 – 621 82 42

Alle weiteren Informationen finden sich auf der Seite “Block Dresden 2012“. Dort werden auch Karten für die Proteste am 13. und 18. Februar bereitgestellt.

Wer wissen möchte, was die Nazis vorhaben, der kann die  Infotelefone der Berufsopfer anrufen: 0174/7842672 und 0152/59533896 (ACHTUNG: Infotelefon der Nazis!!!) 

NS-Propaganda und selektive Wahrnehmung

Hier ein Gespräch mit Henning Fischer über den Ursprung und Wandel des “Mythos Dresden” auf Publikative.org.

Am 18. Februar planen die Rechtsextremen einen großen Aufmarsch, dieser soll erneut blockiert werden.

«Protest zwischen legitimer Aktion und illegitimer Repression»

Die Rosa-Luxemburg-Stiftung hat das Video des Abschluss-Panels des IL-Kongresses zum Zivlen Ungehorsam fertig. Am Anfang sind ein paar ‚Highlights‘ rausgeschnitten, danach kommt dann die komplette Aufzeichnung.

Es reden miteinander: Martin Kaul, die tageszeitung, Bodo Ramelow, MdL DIE LINKE, Corinna Genschel, Komitee für Grundrechte und Demokratie, Prof. Andreas Fisahn, Uni Bielefeld, Alexander Schneider Sächsische Zeitung und ich.

Ich fand das Podium ein bisschen ungleichmäßig besetzt: vier Leute, die ‚den Protest‘ vertraten ‚gegen‘ einen Redakteur der Sächsischen Zeitung, der gewissenmaßen als Vertreter Sachsens da saß und sich ziemlich tapfer geschlagen hat. Um die Rolle habe ich ihn nicht beneidet. Insgesamt war es aber ganz informativ, hoffe ich.

Von Düsseldorf hatten wir nie geträumt

Es gibt einen Räumungstermin für den Schokoladen. Ein Club, ein Theater, Ateliers, Studio, Wohnungen in einem der letzten unsanierten Häuser in Alt-Mitte, Ostberlin. Seit Jahren bedroht. Jetzt endgültig gekündigt. Der Gerichtsvollzieher kommt am 22. Februar, 9 Uhr. Am 21. 2. um 17:30 wird demonstriert.

Der Schokoladen ist ein gutes Beispiel dafür, warum in Mitte und Prenzlauer Berg nicht Schwaben und Latte-Macchiato-Muttis das Problem sind, auch wenn die das gern glauben.

Es geht um was ganz anderes. Um ein Lebensgefühl, um Atmosphäre, Gerüche. Menschen. Auch um ein Land, dass es nicht mehr gibt. Gehässige Weihnachtsplakate gab es nicht aus Hass auf irgendwen, sondern weil die einen für ein paar Tage in ihre Vergangenheit zurückfahren konnten. Und an den restlichen Tagen daran beteiligt waren, die Vergangenheit der anderen zu schreddern. Nicht aktiv, nicht bewusst, aber eben Teil davon. Und die anderen konnten das nicht – weil es ihre Vergangenheit nicht mehr gibt.

Wer ein bisschen von dieser Vergangenheit verstehen will, könnte dieses Buch lesen: Ulrike Steglich: Universum Ackerstraße.

Ulrike Steglich: Universum AckerstraßeEine wundervolle Sammlung von Geschichten, viele davon zuerst im Scheinschlag (bzw. der Beilage stadt.plan.mitte) erschienen, einer Zeitung, die es auch nicht mehr gibt.

Sie gingen zusammen zu dem alten Haus in der Ackerstraße, in dem Ulrike wohnte. Die Wohnung war im fünften Stock, es gab kein Telefon und kein Bad, dafür anderthalb Zimmer mit Kachelofen und zwei alten Fenstern, in denen im Winter die Eisblumen blühten und die einen wunderbaren Blick über die Dächer der Ackerstraße boten. Es gab alte Dielen, einen kaputten Stuhl, der einmal direkt unter der Baustadträtin von Mitte zusammengebrochen war; es gab eine Küche mit einer Duschkabine und ein Klo eine halbe Treppe tiefer, das Ulrike mit ihren Nachbarn teilte, wie das eben in den alten Häusern so war. (Pauls Besuch in der Ackerstraße)

 

Es war eine seltsame Zeit. Voller Verluste – und voller Geschenke, wie Martin von Halems Bar »Odessa« in der schmalen Steinstraße. Im Winter saßen wir oft in diesem ganz besonderen kleinen Raum im Souterrain und redeten, an Sommerabenden saßen wir mit Freunden im kleinen Gärtchen gegenüber, das Martin auf einer Brache improvisiert hatte. Dort, wo Martin seinen Garten hatte, wächst nun ein Rohbau in die Höhe. Ein Schild verheißt Eigentumswohnungen, flexible Grundrisse, prima für Familien.

Das Viertel, in dem ich einmal zu Hause war, ist fremd geworden. Es gehört nun anderen. Und spätestens, als ich zum ersten Mal die frisch renovierten Rosenhöfe sah, dort, wo es noch nie irgendwelche Rosenhöfe gegeben hatte, sondern nur Altbauten mit unspektakulärer Fassade  – als ich diesen verschnörkelten, goldverzierten Albtraum in Altrosa und Türkis sah, fand ich die Sache nur noch albern und habe mich innerlich verabschiedet. Kurz zuvor war ich in Düsseldorf, und das hier sah verdammt danach aus.

Von Düsseldorf hatten wir nie geträumt. (Zwischenland)

Es gibt auch ein Kapitel über den Club der polnischen Versager. Und eins über die Geschichte der Ampel über die Invalidenstraße, und eins über das verschwundene Karpfenbecken in der Ackerhalle.

Wenn der Schokoladen verschwindet, werden wieder welche sagen, das sei ganz normal, so sei das eben mit den Clubs. Sie sind nicht für die Ewigkeit. Das stimmt. Aber wenn der Schokoladen verschwindet, verschwindet viel mehr als ein Club: ein Stück Geschichte, das die Stadt braucht, ein Refugium für die, die noch da sind und ein Ort für Kreativität, die auch 50 Jette-Joop-Läden nicht wettmachen können.

Auch dazu: Liebig 14, Schokoladen und die Neuordnung der Innenstadt

Noch schöner ist ja der Hausverteidigungsroboter.

Und schließlich noch ein bisschen ernsthafter: Abendschau über Schokoladen

Nachtrag zur Berliner Funkzellenabfrage

Fast schon wieder vergessen – die Berliner Funkzellenabfrage (FZA). Hier eins der seltenen Gespräche mit Andre Meister von netzpolitik.org, der die Geschichte ausgegraben hat – kurz nach der Innenausschuss-Sitzung im Berliner Abgeordnetenhaus (Landesparlament):

PiRadio: Vorratsdatenspeicherung & Funkzellenabfrage – Gespräch mit netzpolitik.org auch zum Anhören (mp3).

4.200.000 Verkehrsdaten und 960 Teilnehmerdaten. So viel hat allein die Abteilung Polizeilicher Staatsschutz des Berliner Landeskriminalamtes in den letzten vier Jahren gesammelt. Ein Grund für uns mit Andre von netzpolitik.org über Funkzellenabfragen, Vorratsdatenspeicherung und deren Folgen zu reden. Als erstes haben wir ihn gefragt, wie denn Funkzellenabfrage funktioniert…

Update: Es geht mit einer ungeheuren Überraschung weiter: Berlin hat mehr Handy-Daten ausgewertet als bekannt

Auf der Suche nach Autobrandstiftern hatte die Polizei in den vergangenen Jahren in 375 Ermittlungsverfahren insgesamt 4,2 Millionen Mobilfunkverbindungen in Tatortnähe registriert, also Telefonate und Kurzmitteilungen (SMS). Zusätzlich zu diesen Daten sind seit 2009 in mehr als 800 weiteren Verfahren Funkzellen und Kennern zufolge dadurch bis zu acht Millionen Verbindungen in der Hauptstadt ausgewertet worden – insgesamt also rund zwölf Millionen.

Morgen wird das Thema ausführlich im Bundestag in einer Anhörung des Rechtsausschusses des Bundestages erörtert. Die Stellungnahmen der Sachverständigen gibt es jetzt schon, darunter die von Ulf Buermeyer (pdf) und Johannes Eisenberg (pdf)

Mir sind inzwischen mehrere Juristen begegnet, die die FZAs in Berlin weniger dramatisch finden als die in Dresden. Wenn ich es richtig verstanden habe, weil in Dresden Demonstrationen betroffen waren und in Berlin sehr viel genauer festgelegt war, wann und wo Daten ausgewertet werden. Also weniger „Unbeteiligte“ – potentiell. Nur: wenn wir in Berlin bei inzwischen 12 Millionen Datensätzen sind, frage ich mich, ob das immer noch gilt? Ich finde nicht.

Aber die Perspektive von AnwältInnen („ganz normales Ermittlungsinstrument“) ist sowieso (immer) anders, und hier vor allem anders als die der interessierten Öffentlichkeit, die das offenbar ziemlich skandalös findet alles. Aus Gründen.

Genua 2001 bei der Berlinale

[Update unten]

Das staatliche Massaker während des G8-Gipfels in Genua 2001 ist, gut zehn Jahre später, bei der Berlinale.

Nächsten Sonntag um 18 Uhr läuft Diaz – Don’t clean up this Blood. Der Ticketverkauf hat begonnen; der Film wird im Rahmen der Berlinale noch viermal gezeigt. Ich werde ihn mir auf jeden Fall angucken.

http://www.youtube.com/watch?v=LQp1Cu0QxxE

Website zum Film: diazilfilm.it/

 Das G8-Gipfeltreffen in Genua 2001 war fast vorüber. In der Diaz-Pascoli-Schule in Genua, in der das Sozial-Forum für Journalisten eingerichtet war, waren die jungen Menschen guter Dinge – trotz der gewaltsamen Konfrontationen mit der Polizei an den Tagen zuvor. Die Anti-Globalisierungsproteste waren wie in anderen Ländern in diesem Jahr von massiven Polizeieinsätzen begleitet. Doch nichts hätte die temporären Bewohner der Diaz-Schule, vorwiegend junge Frauen und Männer aus ganz Europa, auf das Folgende vorbereiten können. Kurz nach Mitternacht stürmte die Polizei die Schule und schlug mit immenser Brutalität über zwei Stunden auf die jungen Menschen ein, bis fast alle im Krankenhaus und später in Untersuchungshaft landeten. Um ihr Handeln zu rechtfertigen, pflanzte die Polizei Molotowcocktails in das Gebäude. Am Ende des G8-Gipfeltreffens hatte ein Mensch sein Leben verloren. Aus verschiedenen Perspektiven erzählt, zeigt die Kamera, was an diesem Tag geschah, sie weicht Tätern und Opfer nicht von der Seite, bis die ganze Wahrheit erzählt ist. Zum gleichen Thema zeigt Panorama die Dokumentation THE SUMMIT.

Die taz über die Dreharbeiten: Komitee für Wahrheit und Gerechtigkeit

Außerdem läuft der Dokumentarfilm The Summit am Dienstag, 14.2. um 17 Uhr (und dann noch dreimal).

(Falls wer untertitelte oder sogar synchronisierte Fassungen findet: ich wäre sehr interessiert)

Wer Fragen nach dem tatsächlichen Hergang der gewalttätigen G8-Anti-Globalisierungsproteste in Genua im Juli 2001 hat, wer mehr über die Hintergründe wissen und die Auswirkung des brutalen Polizeieinsatzes sehen möchte, findet hier erhellende Antworten. Das Vorgehen der italienischen Polizei gegen friedliche Demonstranten, von denen einer starb und hunderte zum Teil schwere Verletzungen davontrugen, wurde von Amnesty International zum gravierendsten Verstoß gegen demokratische Rechte in einem europäischen Land nach dem Zweiten Weltkrieg erklärt. Unter dem Vorwand, Mitglieder des Schwarzen Blocks zu verhaften, stürmte die Polizei auch die Diaz-Schule, die Unterkunft für Journalisten bot, und prügelte über zwei Stunden auf wehrlose Frauen und Männer ein. THE SUMMIT beleuchtet die Schattenseiten des Polizeieinsatzes, die Ereignisse, die von offizieller Seite vertuscht wurden, sammelt Stimmen von Demonstranten, Aktivisten, Historikern und Augenzeugen und schafft Verbindungen auf internationaler Ebene. Bis zum heutigen Tag sind die meisten der Täter auf freiem Fuß.

 

Außerhalb der Berlinale läuft außerdem als deutsche Uraufführung am Samstag um 19:30 Black Block.

Deutsche Erstaufführung (in Anwesenheit des Regisseurs) im Foyer der Filmarche e.V. Berlin, Schlesische Str. 26
Samstag, 11.02.2012 um 19.30 Uhr

Genua 2001: Der Gipfel der G8, der Protest der Hunderttausenden, die Kämpfe, die Hoffnungen, der erschossene Demonstrant, die Polizeigewalt auf den Strassen und schließlich beim Überfall auf die Diaz-Schule. Was in dieser als Schlafplatz genutzten Schule passiert ist und was davon bleibt – davon legen Aktivist/innen im Dokumentarfilm „Black Block“ Zeugnis ab.

300 Polizisten stürmten in der Nacht nach dem Gipfel die Diaz-Schule. Bei ihrem kalkulierten Blutbad verletzten sie fast 90 Menschen schwer. Selbst aus den Krankenhäusern wurden sie anschließend in die Polizeikaserne Bolzaneto gebracht, dort erniedrigt und gefoltert. Niels und Lena (Hamburg), Chabi (Zaragoza), Mina (Paris), Dan (London), Michael (Nizza) und Muli (Berlin) erzählen ihre Geschichten aus dieser Nacht, von davor und danach, von der erlittenen Traumatisierung, von dem, was für sie seither anders geworden ist. Aber auch, wie sie neue Wege fanden und dabei festhalten an den Idealen, die sie nach Genua geführt hatten.

Black Block feierte seine Premiere auf der Biennale in Venedig und wird in Anwesenheit des Regisseurs in der Filmarche erstmals in Deutschland zu sehen sein.

Der Genueser Carlo A. Bachschmidt war 2001 an der Organisation der Proteste beteiligt. Danach hat er die Anwält/innen in Prozessen gegen Polizisten und an den Misshandlungen beteiligtes medizinisches Personal durch die akribische Auswertung von Filmmaterial unterstützt.

Black Block. Dokumentation, 77min. Regie, Buch: Carlo A. Bachschmidt. Kamera: Stefano Barabino, Harald Erschbaumer. Schnitt: Alessandro Pantano. Ton: Francesco Cerasi. Produzent: Domenico Procacci. Produktion: Fandango.

Original mit englischen Untertiteln. Eintritt frei. Pressemappe (pdf)

Ungefähr alles zu Genua 2001 steht wahrscheinlich hier, chronologisch von hinten nach vorn zu lesen.

Falls jetzt wer neugierig geworden ist und gern irgendwelche medialen Inhalte mit damals Betroffenen erstellen möchte: das lässt sich einrichten. Es gibt viele.

Auch Sitzblockaden stehen unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit

„Auch Sitzblockaden stehen unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit“ – zentraler Satz im heute vormittag vorgestellten Bericht der Untersuchungskommission 19-2. Denn: Der Freistaat Sachsen sieht das anders und nimmt daher die Stzblockaden zum Vorwand, den wohl unbestritten dringend nötigen Protest gegen Nazi-Aufmärsche jedes Jahr im Februar in Dresden in Grund und Boden zu kriminalisieren.

Heute vormittag hat die Untersuchungskommission 19-2, die sich mit den Protesten gegen den Naziaufmarsch in Dresden am 19.Februar 2011 und dem Verhalten der sächsischen Polizei und Justiz beschäftigt hat, einen Bericht mit ihren Ergebnissen vorgestellt. Weil es schneller geht und weil die Kommission sich damit auch Mühe gemacht hat, schreibe ich die Pressemitteilung dazu nicht um. Der komplette Bericht steht als PDF unten drunter.

Versammlungsfreiheit – ausschlaggebende Grundlage der Verfassung

Die „Untersuchungskommission 19. Februar“ hat heute in Berlin die Ergebnisse ihrer Recherchen zum sächsischen Umgang mit den Demonstrationen und Gegendemonstrationen im Februar 2011 der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Verfasser hoben zusammenfassend hervor:

  • Entgegen den polizeilichen und regierungspolitisch geschürten Darstellungen war Dresden im Februar 2011 nicht von Ausschreitungen und Gewalttätigkeiten aus den Gegendemonstrationen gekennzeichnet. Im Gegenteil:
    Dresden zeichnete sich dadurch aus, dass Zehntausende Bürger und Bürgerinnen ihr Grundrecht auf Versammlungsfreiheit „gewaltfrei und ohne Waffen“ in ihre Hände nahmen. Sie waren auf der Straße, um gegen die braunen,  nationalistischen und rassistischen Bestrebungen ein deutliches Zeichen zu setzen.
  • Das Trennungskonzept der Polizei, das den Gegendemonstrierenden von vorneherein und systematisch ihr Recht auf Versammlungsfreiheit verweigerte, erzeugte fast zwangsläufig Konfrontationen. Nicht die Versammlungsbehörde, sondern die Bürger und Bürgerinnen müssen entscheiden können, wo und wann sie demonstrieren. Die Aufgabe der Polizei muss es sein, dies absichernd zu unterstützen. Auch Sitzblockaden stehen unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit.
  • Überwachungen und Datenerfassungen im Kontext dieser Demonstrationen überschreiten jedes demokratisch erträgliche Maß. Mit Verfahren nach § 129 StGB (Kriminelle Vereinigung) wurden Bürger und Bürgerinnen, die die Proteste vorbereiteten, schon im Vorhinein kriminalisiert. Die willkürliche Verdachtskonstruktion eröffnet der Polizei vor allem Eingriffs- und Überwachungsrechte. Interessierte und engagierte Bürger muss solches Vorgehen davor abschrecken, sich politisch zu beteiligen. Auch mit der Kriminalisierung der Beteiligten nach Versammlungsgesetz und nach § 125 StGB (schwerem Landfriedensbruch) soll vor allem von politischer Teilhabe abgeschreckt werden. Das aber gefährdet die Demokratie in ihren Fundamenten. Mit der Funkzellenabfrage, die einmal zur Abwehr terroristischer Angriffe gedacht war, ist jedes rechtsstaatliche Maß überschritten worden.

Rechtsanwalt Peer Stolle vom Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein gab zu bedenken: „Der Bericht ist erst der Anfang einer langwierigen und umfangreichen Aufarbeitung.“

Ringo Bischoff, Bundesjugendsekretär der ver.di jugend erklärte: „Der Umgang der sächsischen Behörden mit dem Versammlungsrecht sowie die Kriminalisierung von zivilgesellschaftlichem Engagement zeugt von einem vordemokratischen Zustand in diesem Bundesland.“

Prof. Dr. Wolf-Dieter Narr vom Komitee für Grundrechte und Demokratie betonte abschließend: „Eine der vornehmsten demokratischen Praktiken besteht im demonstrativen Handeln. Wer dieses gefährdet – wie es die sächsische Regierung und „ihre“ Polizei getan haben – gefährdet  eine der ausschlaggebenden Grundlagen der Verfassung.“

Der „Untersuchungskommission 19. Februar“ gehören an:

  • Friedemann Bringt (Koordinator BAG Kirche & Rechtsextremismus)
  • Sabine Friedel (SPD, MdL Sachsen)
  • Corinna Genschel (Komitee für Grundrechte und Demokratie)
  • Kerstin Harzendorf (Beraterin für Rechtspolitik der grünen Landtagsfraktion)
  • Kampagne Sachsens Demokratie
  • Kerstin Köditz (Die Linke, MdL Sachsen)
  • Katharina König (JG-Soligruppe, Die Linke, MdL Thüringen),
  • Stefan Lange (Büroleiter Bundesvorstand Bündnis 90/DIE Grünen bei Astrid Rothe-Beinlich)
  • Johannes Lichdi (Bündnis 90/Die Grünen, MdL Sachsen),
  • Albrecht Maurer (BT Linke)
  • Wolf-Dieter Narr (Komitee für Grundrechte und Demokratie)
  • Thomas Ott (Aktionsnetz Jena, Legalteam, Rechtsanwalt)
  • Kristin Pietrzyk (Rechtsanwältin, Jena, Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein)
  • Michael Plöse (akj-berlin)
  • Wolfhard Pröhl (Bündnis Dresden-Nazifrei)
  • Martina Renner (Die Linke, MdL Thüringen)
  • Astrid Rothe-Beinlich (Bündnis 90/Die Grünen, Bundesvorstand, MdL Thüringen und Vize-Präsidentin des Thüringer Landtags)
  • Christine Schickert (Bündnis 90/Die Grünen, Dresden)
  • Elke Steven (Komitee für Grundrechte und Demokratie)
  • Danilo Starosta (Kulturbüro Sachsen e.V.)
  • Peer Stolle (Rechtsanwalt, Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein)

Der komplette Bericht der Untersuchungskommission 19-2 als PDF-Datei

Transmediale 2K+12 in/compatible

Wie sagte Jakob Applebaum heute so schön:

If you’re in Berlin this weekend, I highly suggest you attend #Transmediale: http://www.transmediale.de

Ich war gestern schon da und habe einen Blick in die Ausstellung geworfen:

(VNS Matrix kennt, wer bei unserem Netzfeministinnen-Panel bei der letzten re:publica war)

Es gibt viel Computer-Spielkram, vor allem aber Kunst und Medien.

          

(Mit der Maus kann man durch Twitter-Meldungen scrollen. Sie ist riesig und wurde nebenbei zum Kinderspielplatz umfunktioniert)

Schöner Schnickschnack dieses neue soziale Netzwerk:
Komunizieren fast zum Anfassen, mit dem Telefon. Die Registrierung für R15N funktioniert per Telefon (030-86 87 03 57 61), und danach wirst du angerufen. Je nachdem, wie oft du erreichbar bist oder wie lange du dann telefonierst, steigst du im Ranking..

Es gibt eine sehr liebevoll gemachte Einführung – allein wegen der lohnt es sich zu gucken.

R15N steht übrigens für Revolutionization:
R – 15 Buchstaben – N.

 

Es gibt nicht nur Kunst, sondern auch allerhand Politik. Leider ist das Programm, wie jedes Jahr, ziemlich unlesbar, aber es lohnt sich trotzdem.