Freies Land für freie Nazis

Ok, nicht ganz, ein paar sitzen ja (noch). Trotzdem ist sich nach einem Skandal, der die Demokratie in einer Weise in Frage gestellt hat, wie selten seit Gründung der Republik, die Ruhe weitgehend wieder hergestellt.

Mely Kiyak hat das heute in ihrer Kolumne in der Berliner Zeitung beschrieben:

Deutscher Neonazi sein – das wär“s! Gibt es etwas Herrlicheres? Zwei Monate ist es her, dass das Serienkillerkommando NSU aufflog. Was folgte? Mit Neonazis zu sympathisieren, muss auch vortrefflich sein. Weil man relaxed zusehen kann, wie der Skandal konsequenzlos bleibt. Für jene, die mit Rechtsradikalen oder Nazis innerlich flirten oder einfach nur vom Moslemhass zerfressene Bildungsbürger sind, ist die Bundesrepublik seit ihrer Gründung eine einzige, Jahrzehnte andauernde Wellnesskur für rechten Geist und Gesinnung.

Köstlicher Zustand, dieses Nazi-Sein! Ein bisschen scheinheiliges Gedenkminüteln im Parlament, hin und wieder ein Kerzenmarsch, ansonsten, freies Land für freie Nazis.

„Schnauze Wessi!“ , eine andere Kolumne, die ständig Sympathiepunkte sammelt, gestern zum einem anderen Aspekt desselben Themas: Thüringer Schläfer, hessische Schlafmützen

Zum einen sind „sächsische“ oder „thüringische Verfassungsschützer“ in Rang und Verantwortung natürlich keine Sachsen oder Thüringer. Vor 21 Jahren übernahmen hier Experten aus Hessen oder Bayern die Aufgaben der Staatssicherheit, selbstverständlich ohne die alten Fachkräfte vor Ort. Anderes als im Westen, wo man nach dem Krieg beim Aufbau einer Art Gestapo mit demokratischer Gewerbeaufsicht auf das personelle Know-how der Vorgänger-Institutionen nicht verzichten wollte, brauchte man deshalb 1990 reichlich Personal an der unsichtbaren Ostfront. So konnte jeder x-beliebige westdeutsche Panzeroffizier Präsident eines Landesamtes werden und muss sich dafür heute als „krasse Fehlbesetzung“schmähen lassen. Allerdings stets als „Thüringer Ex-Präsident“, nie als Ex- oder Export-Westdeutscher.

Metronaut hat schon Anfang der Woche ein entscheidendes Problem benannt: Thüringen, Sachsen, Staatstrojaner: Die wirklich wichtigen Rücktritte bleiben aus

Dieser Wulff-Skandal ist doch eher aus der Kategorie “Geschmäckle”, wenn wir uns die folgenden drei Skandale anschauen, die allesamt folgenlos geblieben sind:

Wo ist eigentlich der Rücktritt von Hans-Peter Friedrich? In Behörden, die seinem Ministerium unterstellt sind, wurde entgegen der Verfassung und mit krimineller Energie der Staatstrojaner eingesetzt. ….

Wo bleibt eigentlich der Rücktritt von Jörg Geibert, dem Innenminister Thüringens? Wo ist eigentlich der Rücktritt von Thomas Sippel, dem Chef des Thüringer Verfassungsschutzes? Immerhin wurden hier Nazis vom Thüringer Heimatschutz jahrelang über die V-Mann-Methode finanziert. …

Wo bleibt eigentlich der Rücktritt von Markus Ulbig, dem Innenminister von Sachsen? In Sachsen werden seit 2009 Funkzellenauswertungen vorgenommen und die Handydaten hunderttausender Menschen widerrechtlich durchforstet und gespeichert. Anstatt die Zivilgesellschaft zu stärken, werden Nazis hofiert und linke Strukturen ausgehorcht, ausgespäht und und mit juristischen Verfahren überzogen.

Die gegenwärtige Bundesregierung wird wohl als Sitzfleisch-Koalition in die Geschichte eingehen.

Alle drei Texte empfehle ich wärmstens ganz zu lesen, mit Humor erträgt es sich ein bisschen besser.

Zum Schluss noch ein Schmankerl aus Sachsen, wo bei der Regierung immerhin angekommen ist, dass eine kleine Charme-Offensive not tut. Doch, wir beschäftigen uns mit dem Rechtsextremismus! Allerdings..

Antifaschismus ist nicht die richtige Antwort, sondern Demokratie. (Markus Ulbig, Innenminister von Sachsen)

 

http://www.youtube.com/watch?v=AXij74X0dA8

Thüringer Verfassungsschutz besetzt

Ich nominiere für den Balls of Steel Award die Leute, die gestern kurzerhand den Verfassungsschutz Thüringen besetzt haben. Forderung: Verfassungsschutz auflösen. Außerdem sollen die Akten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Mit deutlicher Reminiszenz an 1989.

Aus mir von hier aus unerfindlichen Gründen hat die Thüringer Polizei sie nicht geräumt und dazu gab es noch ein Gespräch mit dem Innenminister.

Es berichtete der MDR, die taz, Thüringer Allgemeine, und Radio F.R.E.I. aus Erfurt:

mp3

A propos 1989, und a propos Thüringen: es gibt einen Offenen Brief gegen die Kriminalisierung von Lothar König.

.. ein Protestbrief, der von mehr als hundert Bürgern aus der ganzen Bundesrepublik unterschrieben worden ist. Unter den Unterzeichnern finden sich nicht nur zahlreiche Bürgerrechtler aus der ehemaligen DDR, die Lothar König seit vielen Jahren kennen, sondern auch Bundes- und Landtagsabgeordnete, die wie wir die Anschuldigungen völlig absurd finden.
Wir fordern die sächsischen Behörden auf, ihre Verfolgungswut gegen mündige Bürger und insbesondere das Ermittlungsverfahren gegen Lothar König zu beenden und sich stattdessen mit den tatsächlichen Feinden der Demokratie zu beschäftigen.

Wir solidarisieren uns mit Lothar König.

Rechter Terror – A Work in Progress

Mein Versuch, den Überblick zu behalten. Nicht vollständig, aber informativ (hoffe ich). Die Sammlung wird laufend erweitert, sachdienliche Hinweise bitte gern in die Kommentare!

Disclaimer: Es ist natürlich nicht so, dass ich alles für richtig halte, was hier steht. Interessant, ja. Aber denkt bitte weiter und bildet Euch jeweils eine eigene Meinung. (Manches ist sogar ziemlich verschwörungstheoretisch. Wie gesagt: selber denken). Update: Ich hab’s mir überlegt, Verschwörung & Co. bleiben, wo sie sind. Danke für’s Feedback!

Weitere Links gibt es bei netz-gegen-nazis.de

Dienstag, 8.11.

JG Stadtmitte Jena: Jenaer Notizen

Jena gehört zu jenen ostdeutschen Städten, in denen Neonazis auch vor 1989 aktiv waren.

In einer Art „Jahresrückblick“ des Oberbürgermeisters auf das Jahr 1998 wiederholte er seine Kritik an den „Radikalen von Links und von Rechts“, die die Stadt Jena „zum Aufmarschgebiet“ machen würden. (Ostthüringer Zeitung und Thüringer Landeszeitung vom 28. Dezember 1998)

Es zeigt sich in Jena insgesamt das Bild einer Kommunalpolitik, die zwar das Auftreten rechter Organisationen und Parteien ablehnt, dem aber linksalternative Gruppen und Veranstaltungen umstandslos gleichstellt und damit schon ihre eigene Unfähigkeit zur Analyse der tatsächlichen Situation

unter Beweis stellt. Zeigen antifaschistische Gruppen und Persönlichkeiten rechte Zusammenhänge auf oder protestieren dagegen öffentlich, laufen sie

Gefahr, in Verkehrung der Tatsachen zum eigentlichen Ärgernis zu werden.

Freitag, 11.11.

Bettina Gaus: Realität schlägt Fantasie

Interessant zu erfahren wäre auch, weshalb eigentlich im Zusammenhang mit toten Migranten stets so schnell die Rede war von möglichen Kontakten der Opfer zum kriminellen Milieu. Stehen Minderheiten hierzulande unter Generalverdacht, selbst wenn sie umgebracht werden?

Christian Rath, taz: Bundesanwaltschaft ermittelt. Polizistenmord Teil rechter Mordserie

Doch was verband die Opfer, außer der ethnischen Herkunft und dass sie in kleinen Läden arbeiteten? Die Polizei tappte im Dunkeln und ermittelte in alle Richtungen: Schutzgelderpressung, Mafia, Rassisten.

Gegen 2006 stellten Polizei-Profiler die These auf, dass es wohl ein fanatischer Einzeltäter sein müsse, der aufgrund eines persönlichen Erlebnisses einen tödlichen Hass auf Türken entwickelt habe.

Andreas Förster, Berliner Zeitung: Spur führt zu „Döner-Morden“

Der amtierende Generalbundesanwalt Rainer Griesbaum sagte, es seien in den Trümmern des Zwickauer Hauses unter anderem ein auf DVDs kopierter Film gefunden worden, in dem eine Gruppe mit dem Namen „Nationalsozialistischer Untergrund“ eine Rolle spielt und der Bezüge zu den Döner-Morden enthält. Die DVDs sollen zum Teil versandfertig verpackt gewesen sein.

Samstag, 12.11.

Tom Strohschneider, der Freitag: Zehn Tote und der rechte Terror

 

Bisher gingen die Ermittler im Zusammenhang mit den „Döner-Morden“ von allen möglichen Varianten aus – nur die Möglichkeit einer organisiert rassistischen Anschlagsserie kam den Behörden offenbar nicht in den Sinn. Erst war von Mafia die Rede, später von einem gestörten Einzeltäter.

Sonntag, 13.11.

Tom Strohschneider, der Freitag: Schafft das Amt ab!

Wozu braucht die Bundesrepublik diesen Verfassungsschutz überhaupt? Allein das Bundesamt verschlingt im Jahr fast 174 Millionen Euro – für die jährliche Herausgabe eines Heftes, in dem nachzulesen ist, was man auch anderswo erfahren kann? Zur Verhinderung einer der schlimmsten politischen Mordserien der vergangenen Jahrzehnte reichte es jedenfalls nicht.

Günther Lachmann und Florian Flade, Welt Online: Die mögliche Verbindung der Täter zum Geheimdienst

Bis heute bestreitet der Verfassungsschutz die drei angeworben zu haben. Die jetzt in dem vom Terror-Trio gemeinsam bewohnten Haus in Zwickau gefundenen Papiere erhärten allerdings den Verdacht, dass es doch eine Verbindung gegeben haben könnte.

Nach Informationen der „Bild“-Zeitung stellten Sicherheitsbeamte in den Trümmern des Hauses sogenannte „legale illegale Papiere“ sicher. So werden von Geheimdiensten für Spionagezwecke ausgestellte Ausweispapiere bezeichnet.

Spiegel TV: Das Video der Zwickauer Terrorzelle

Montag, 14.11.

Andreas Förster, Berliner Zeitung: Der Verfassungsschutz subventionierte die Neonaziszene

Geld spielte offenbar keine Rolle – im Verfassungsschutz-Haushalt waren in den 90er-Jahren bis zu 800.000 Mark jährlich für V-Leute eingeplant.

Einer dieser Informanten – der Top-Nazi Tino Brandt – hatte 1994 die „Anti-Antifa-Ostthüringen“ gegründet, aus der zwei Jahre später der „Thüringer Heimatschutz“ (THS) hervorging, dem sich auch Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe anschlossen. 80 gewaltbereite Neonazis rechnete das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) damals der THS zu.

Die Zahl dürfte ziemlich genau sein, da der 1994 als V-Mann Nr. 2045 mit dem Decknamen „Otto“ angeworbene Brandt den Geheimdienst über die THS auf dem Laufenden hielt. Einige seiner Meldungen waren sogar so wertvoll, dass sie an das Bundesamt für Verfassungsschutz weitergeleitet wurden. Der Lohn war üppig – bis zu seinem Abschalten 2001 kassierte Brandt bis zu 40.000 Mark jährlich. Einen Großteil der insgesamt 200.000 Mark Spitzellohn investierte der V-Mann nach eigenen Angaben in den Aufbau des THS.

Frank Janssen, Zeit/Tagesspiegel: Die ungelösten Fragen über das Neonazi-Trio

Heribert Prantl, Süddeutsche: Nehmt die braune Gefahr endlich ernst!

Mord und Mord und Mord und Mord. Es ist unbegreiflich und unendlich verstörend: Jahrelang konnte eine rassistische Terrorbande durch Deutschland ziehen und Einwanderer exekutieren. Sie konnte Anschläge planen, Bomben bauen und werfen. Sie konnte all das auch deswegen tun, weil Polizei, Staatsschutz und Staatsanwaltschaft rassistische Motive überwiegend ausgeschlossen haben. Die Verbrechen wurden als Terrorakte nicht erkannt, es hieß, es handele sich um Einzeltaten, sie seien nicht zusammengehörig, angeblich nicht politisch motiviert.

Paul Wrusch, taz: Verfassungsschutz und Naziszene. Thüringer Kameraden

Helmut Roewer, bis zum Jahr 2000 Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes, hielt sich V-Leute aus der Naziszene. Heute schreibt er für einen rechten Verlag

M. Bartsch & P. Beucker & W. Schmidt, taz: Thüringer Rechtsterroristen Ungelöste Fälle werden neu aufgerollt

Am Montagnachmittag hielten alle Chefs der Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern eine Krisenschalte ab. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) forderte eine Umstrukturierung des Verfassungsschutzes.

Dienstag, 15.11.

Andreas Förster, Berliner Zeitung: Ein viel zu klares Bild

Denn je genauer man die Ereignisse der letzten Tage betrachtet, desto mehr verschwimmt die scheinbar klare Kontur dieses Falls. Es beginnt mit dem angeblichen Selbstmord der beiden Bankräuber in ihrem Wohnmobil.

Andreas Förster, der Freitag: Späte Suche nach den braunen Wurzeln

Dabei gab es schon Ende der 60er Jahre Berichte in westdeutschen Medien, dass frühere Nazis ihre Beamtenkarriere beim Verfassungsschutz fortsetzen konnten, obgleich sie direkt oder mittelbar an Gräueltaten des Hitler-Regimes beteiligt waren. Lanciert hatte diese Erkenntnisse häufig die ostdeutsche Stasi, die in DDR-Archiven lagernde Personalakten des NS-Regimes ausgewertet hatte.Diese Unterlagen – von denen viele noch heute im Archiv der Stasi-Unterlagenbehörde aufzufinden sind – belegen, dass eine Reihe ehemaliger Nazis sogar Spitzenposten im Kölner Bundesamt bekleideten.

Julia Jüttner, Spiegel Online: Die Rätsel von Zwickau

DLF: Streetworkerin Kathrin Schuchardt über Rechtsextremismus in Ostdeutschland: „Man kannte die Namen, man kannte die Gesichter“

Johannes Radke, Störungsmelder/Zeit Online: Nazi-Spitzel außer Kontrolle

Klar ist: Schon Ende der neunziger Jahre lief der Einsatz von V-Leuten in der Thüringer Naziszene, in der das mörderische Trio radikalisiert wurde, gehörig aus dem Ruder. Drei Jahre nach dem Abtauchen von Beate Z., Uwe M. und Uwe B. titelte die Thüringer Allgemeine: “Verfassungsschutz bezahlt weiter rechte Führungskräfte, NPD finanziert Aufmärsche aus der Thüringer Staatskasse.”

hr online: „Kleiner Adolf“ beim Verfassungschutz

Der Mann, der zur rechten Szene gehört, ist nach wie vor Mitarbeiter des Landes Hessen, wie bei einer Sitzung im Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestages (PKG) bekannt wurde. „Er arbeitet im Augenblick bei der Bezirksregierung in Hessen“, sagte der PKG-Vorsitzende Thomas Oppermann über den ins Zwielicht geratenen hessischen Verfassungsschützer.

Thomas Holl, Katharina Iskandar, FAZ: Verdächtiger Verfassungsschützer. Spitzname „kleiner Adolf“

Der Verfassungsschützer, der sich am Tatort eines Mordes der Neonazi-Terrorgruppe befand, hegte wohl rechtes Gedankengut. Er war unter dem Spitznamen „kleiner Adolf“ bekannt. In seiner Wohnung wurden Waffen und Auszüge aus Hitlers „Mein Kampf“ gefunden.

Lutz Schnedelbach, Berliner Zeitung: Verdächtige Gegenstände neben rechtsradikalen Flugblättern gefunden

In der Einfahrt eines Parkhauses an der Bismarckstraße in Charlottenburg ist heute morgen eine gelbe Einkaufstüte aus Plastik entdeckt worden. Sie war gefüllt mit einer Flüssigkeit. Ob es sich dabei um Benzin handelte, teilte die Polizei bisher nicht mit. Neben der Tüte lag ein Zettel, auf dem stand: „Ausländer raus!“

Peter Carstens, FAZ: Im Zweifel gegen den Zweifel

Man sei, sagt Wiefelspütz, im Bereich Rechtsextremismus offenbar „nicht einmal ansatzweise richtig aufgestellt“. In den kommenden Wochen und Monaten seien die vergangenen mehr als dreizehn Jahre – so lange hatten die drei Jenaer Neonazis des NSU unentdeckt eine Blutspur durch Deutschland gezogen – „Tag für Tag neu aufzuhellen“. Schon nach wenigen Ermittlungstagen ist bereits abzusehen: Am Ende werden die Sicherheitsbehörden nicht gut dastehen.

Mittwoch, 16.11.

Jörg Schindler, Berliner Zeitung: Mord unter Aufsicht

Gleichwohl seien die Ermittlungen gegen den Mitarbeiter des Verfassungsschutzes, der suspendiert wurde und heute im Regierungspräsidium Kassel tätig sein soll, im Januar 2007 eingestellt worden. Man habe es zu seinen Gunsten ausgelegt, dass sich der Mitarbeiter „nur“ in der Nähe von sechs der neun Mord-Tatorte befunden hätte.

Florian Gathmann, Matthias Gebauer, Veit Medick, Spiegel Online: Neonazis hatten auch Politiker im Visier

… Namen und Adressen von 88 Personen – darunter mindestens zwei Politiker des deutschen Bundestags und auch Vertreter türkischer und islamischer Organisationen. Insgesamt soll es sich um rund tausend Datensätze handeln, hieß es aus dem Umfeld der Ermittler.

Jochen Bittner, Christian Denso, Michael Kraske, Toralf Staud, Zeit Online: Verbrecher und Versager

Nur eines scheint dieser Tage sicher. Allein haben die drei Verdächtigen nicht gehandelt. Das Bild einer vollkommen abgekapselten Killer-Sekte führt offenbar in die Irre. »Es muss eine Struktur bereitgestanden haben«, sagt ein hochrangiger Ermittler, der mit dem Fall befasst ist.

Julia Kuttner, tagesschau.de: „Dieses Gelaber ist so unwürdig“ Interview mit Anetta Kahane

„Ich finde das den Opfern gegenüber total unwürdig. Diese ganze Streiterei, ob das nun rechtsextrem motiviert ist, ist unwürdig. Da war ein Nazi, da war ein gewisses atmosphärisches Umfeld, da ist ein Opfer und dann zu sagen: ‚Naja, das Opfer war ja betrunken, und wer weiß…‘, das ist einfach unwürdig. Das ist ein Teil des grundsätzlichen Problems, das wir haben.

Donnerstag, 17. November

Heribert Prantl, Süddeutsche: Wenn der Staat versagt

Eine Duldsamkeit gegenüber dem Rechtsextremismus und die Unduldsamkeit gegenüber dem Linksextremismus könnte mit dem Kalten Krieg zu tun haben, in dem ein Teil der Verfassungsschützer groß geworden ist.

deStandard.at: Weitere Liste mit tausenden Namen bei Neonazis entdeckt

Bei den neuen Unterlagen handle es sich um eine Sammlung von Daten, die für die Zwecke der Rechtsextremisten offenbar relevant gewesen seien, zitierte die „Passauer Neue Presse“ aus Kreisen von Sicherheitsbehörden. Demnach sei nicht von „Todeslisten“ die Rede gewesen.

stern.de: … und der braune Mob darf marschieren. Interview mit Bodo Ramelow, Chef der Linksfraktion Thüringen

„Lesen Sie mal nach, was der sächsische Politologe Eckhard Jesse sagt, der regelmäßig viele Veranstaltungen für die Verfassungsschutzämter macht. Zu Jesses Schülern gehört zum Beispiel Mario Voigt, CDU-Generalsekretär in Thüringen. Jesse redet vom weichen Extremismus der Linken, der gefährlicher sei als die NPD. Das sagt der auch öffentlich. Kein Wunder, dass von der sächsischen CDU die Menschen kriminalisiert werden, die gegen braunen Ungeist auf die Straße gehen.“

W. Schmidt & A. Speit, taz.de: Verbindungen des Nazi-Terrortrios. Der Staat, der Terror und die Partei

Die mutmaßliche Neonazi-Terroristin Beate Zschäpe soll 2004 an einer NPD-Weihnachtsfeier teilgenommen haben. Auch andere Spuren verbinden das Trio mit der Partei.

Freitag, 18. November

Frank Jansen, Tagesspiegel.de: Ermittler prüfen Hintergrund nicht aufgeklärter Taten

Zehn Morde, 14 Banküberfälle und ein Anschlag mit einer Nagelbombe werden dem Jenaer Neonazi-Trio bislang angelastet. Welche Taten könnte es noch begangen haben?

Martina Borusewitsch, T-Online.de: Jagdszenen auf dem Weihnachtsmarkt. Wie Beate Zschäpe zuschlug

Aber es war hellichter Tag, als Katharina König, Tochter einer Pfarrersfamilie, zusammengeschlagen wird – auf dem Rückweg von einem Fußballspiel. Niemand griff ein. „Die anderen Fußballfans liefen vorbei und guckten zu“, erinnert sie sich. Niemand habe das ernst genommen, die Vorfälle seien als „rivalisierende Jugendgruppen“ abgetan worden.

In diesem Umfeld seien Mundlos, Zschäpe und Böhnhardt zu verorten – „und zwar in der ersten beziehungsweise zweiten Reihe in Jena“, so König. Zu regelrechten Treibjagden kam es jedes Jahr auf dem Jenaer Weihnachtsmarkt – auf dem Zschäpe eine Freundin Königs zusammengeschlagen habe.

Sebastian Gierke, Süddeutsche: Debatte um Extremismusklausel. Wie Ministerin Schröder den Kampf gegen rechts erschwert

Nur ein halbes Jahr war „die Wand der Toleranz“ in Limbach-Oberfrohna unbefleckt – bis Mittwochnacht. Dann wurde sie mit weißer und schwarzer Farbe übermalt. Statt des Symbols für ein friedliches, tolerantes Miteinander in der westsächsischen Stadt: schwarze Balken, gesprüht von Neonazis, eine braune Machtdemonstration.

 

Außerdem

DISSkursiv: V-Leute bei der NPD. Geführte Füh­rende oder Füh­rende Geführte? (2002)

DISSkursiv: Zum Thema NPD-Verbot.. (2008)

7h3linguist’s journey:  Rechtsmotivierter Terror in Deutschland seit 1945

Große Anfrage, Antwort vom 27.9.11: Mindestens 137 Todesopfer rechter Gewalt in der Bundesrepublik Deutschland seit 1990 (pdf)

Amadeu-Antonio-Stiftung: 182 Todesopfer rechter und rassistischer Gewalt seit 1990

Insgesamt wurden seit 1990 182 Menschen Opfer rechtsextremer und rassistischer Gewalt. Die offiziellen Statistiken sprechen allerdings nur von 47 Opfern.

Mut gegen rechte Gewalt: 182 Todesopfer rechtsextremer und rassistischer Gewalt seit 1990

Todesopferliste aktualisiert: Seit 1990 wurden in Deutschland 182 Menschen Opfer rechtsextremer oder rassistischer Gewalt. Die rassistische Mordeserie von 2000 bis 2007 zeigt einen würdelosen Umgang der staatlichen Behörden mit rechtsextremer Gewalt.

Nichts gewusst? Nazis, Verfassungsschutz und der Rest

Angesichts der sich überschlagenden Berichte zu den Thüringer Nazis fällt mir eigentlich nur eins ein:

Und wem nützt das?

Es muss doch wirklich niemand so tun, als sei irgendwas davon unbekannt gewesen. Ich gehe nicht so weit, allgemeine Heuchelei zu unterstellen – abgesehen von den zuständigen Politikerinnen und Politikern. Die wussten Bescheid. Wenn nicht, sollten sie erst recht zurücktreten. Der Verfassungsschutz ist ein eigenes Kapitel, über das wohl noch geredet werden wird (wenn sich danach irgendetwas ändert, fresse ich einen Besen).

Aber dass hierzulande regelmäßig Migrantinnen und Migranten, Obdachlose, Behinderte, Andersdenkende, Linke umgebracht werden, ist schon so normal, dass die meisten Morde maximal in der Randspalte vorkommen.

Morde. Genau. Terror. Es gibt Regionen, in denen das zum Alltag gehört. Und Programm der Regierung ist, denen, die versuchen, etwas dagegen zu tun – wenn es die Polizei schon nicht macht -, per Extremismus-Klausel den Boden unter den Füßen weg zu ziehen. Von einer Ministerin, zuständig für Frauen und Familie, deren Nähe zum Rechtsextremismus bekannt ist. Die dafür sorgt, dass Frauen am Herd bleiben, oder wenigstens ordentlich hungern samt ihren Hartz-IV-Blagen.

Wir wissen das. Es laut zu sagen, führt im Zweifelsfall zusätzlich zum Ärger mit den Nazis zu staatlicher Überwachung. Oder gleich zu einem eigenen Verfahren, nach dem Gießkannenprinzip: wird schon die Richtigen treffen und wenn nicht, dann schreckt es zumindest ab. Siehe Sachsen. Und, ach ja, Thüringen.

Es ist normal. So normal, dass es zusätzlicher Skandale bedarf, damit es nicht als nervend wahrgenommen wird, wenn die Gutmenschen wieder die gute Laune in der Timeline stören. Die Link(sextremist)en werden rausgefiltert und müssen sich sowieso erstmal erklären, weil sie bei der letzten Demo soviel Pfefferspray provoziert haben mit ihren gewalttätigen Kapuzen.

Und wem nützt das?!?