Spaß mit Mobiltelefonen

Ich war eben im Kino beim Globale-Filmfestival und habe mir „Der Prozess“ angesehen, danach im Kino und noch im Café darüber diskutiert. Über politische Prozesse, Anti-Terror-Paragrafen, den Rechtsstaat in der praktischen Anwendung und NGOs. Verfassungsschutz auch.

Um 18 Uhr fing der Film an, kurz vor 20 Uhr war er vorbei, gegen 21:45 habe ich mich auf den Heimweg gemacht. Um 21:53 erreichten mich zwei SMS: „Ruf sofort zuhause an, dein Sohn ist nicht zuhause angekommen“, und eine Nachricht von der Mailbox. Um 21:56 schrecke ich die kinderhütende Oma vom Sofa auf, die mir erklärt, die SMS sei von ca. halb 8. Außerdem habe sie versucht, mich anzurufen, aber das Handy sei „nicht erreichbar“ gewesen. Um 8 kam das Kind nachhause. Alles sei gut.

Mein Handy war die ganze Zeit an: ich habe in der Zeit u.a. 3 Twitter-DMs bekommen. Einen eingehenden Anruf nicht.

Ich will ja hier keine voreiligen Schlüsse ziehen, aber: das war NICHT WITZIG.

Den Film kann ich ansonsten nur wärmstens empfehlen. Bei der Globale läuft er nochmal Samstag abend um 22:30, wieder mit Martin Baluch, angeklagter und schließlich freigesprochener Tierschützer, der jetzt auf einem Berg von 450.000 Euro Schulden sitzt, die ihn das gesamte Verfahren gekostet hat und die er trotz Freispruchs nicht wiederkriegt. Diese und viele andere rechtsstaatliche Merkwürdigkeiten gibt’s im Film.

Der Film hat inzwischen mehrere Preise bekommen. Ich besitze seit heute eine Kopie und würde die auch sehr gern für Veranstaltungen zum Thema verwenden, falls jemand Interesse hat? Weitere Filmausschnitte gibt’s übrigens hier.

 

Hamburg will mehr Handy-Daten auswerten

© M.E. / PIXELIO

Was der Internet-Zensur die Kinderpornographie, ist der Überwachung das brennende Auto.

Die Hamburger Polizei würde gern die Auswertung von Handy-Daten ausweiten. Insbesonderes käme sie gern leichter an Daten, aus denen sich erkennen lässt, wann Handy-BesitzerInnen wo waren, auch genannt Handy-Ortung oder Funkzellenauswertung. Offenbar finden Hamburger Gerichte, dass das so einfach aber nicht geht, und prompt beschwert sich der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) (der Artikel muss bezahlt werden). Denn:

Taucht eine bestimmte Mobilnummer häufiger im Umfeld der Tatorte auf, lässt das einen Rückschluss auf eine mögliche Beteiligung an den Brandstiftungen zu.

Findet offenbar auch das Hamburger Abendblatt. Nicht so die Hamburger RichterInnen, die wenig subtil bearbeitet werden:

„Man muss sich nicht wundern, wenn der Staat weiterhin von Chaoten vorgeführt wird. Der Kriminalpolizei in Hamburg wird damit ein ganz wesentlicher Baustein bei der Bekämpfung dieses Delikts genommen“, so Gewerkschafter Schulz. Ähnlich äußert sich auch ein Ermittler. „In anderen Bundesländern reicht es den Richtern für die Herausgabe der Mobilfunkdaten, dass es eine Tat gab. In Hamburg müssen wir Hinweise dafür liefern, dass der Täter auch vor Ort telefoniert hat.“

Vor der SPD brauchen sich die Kriminalbeamten nicht zu fürchten, deren neuer Innensenator Michael Neumann wünscht sich, dass die Polizei sich „noch stärker auf moderne Technik“ stützen soll und hat dazu ein Konzept vorgestellt:

Kern des Konzeptes ist die Auswertung von Handy-Verbindungsdaten. In der Kombination mit Täterprofilen sollen sie der Polizei die Fahndung nach den Brandstiftern deutlich erleichtern. (Welt)

Udo Vetter hat ausformuliert, was das praktisch heißt:

Mal angenommen, Sie sind demnächst in Hamburg. Sie machen eine Stadtrundfahrt, besuchen alle Sehenswürdigkeiten, fahren in verschiedenste Restaurants und betreiben nachts intensives Barhopping. Wenige Tage nach Ihrer Rückkehr stehen zwei Polizisten vor der Tür und möchten mit Ihnen “sprechen”. Wenn Sie fragen, um was es geht, werden die Beamten wahrscheinlich was von “Vorermittlungen” murmeln und fragen, ob sie nicht reinkommen können. Am Wohnzimmertisch lässt sich das doch alles viel besser besprechen.

Dass es bald mal wieder Besuch von der Polizei gibt, ist für Sie ja auch keineswegs ausgeschlossen. War ja schön in Hamburg. Sie fahren wohl auch künftig hin. Ihr Handy werden Sie wohl eingeschaltet lassen müssen. Denn was passiert wohl, wenn Sie in Hamburg unterwegs sind und bei einer nächtlichen Kontrolle nach einem Autobrand stellt die Polizei fest, Ihr Handy ist ausgeschaltet?

 

Telefonterror

Und wieder. Ich rufe Andrejs Handy an und werde aufgefordert, meine eigene Mailbox-PIN einzugeben. Ich versuche es mit dem Festnetztelefon nochmal und höre meine eigene Ansage.

Dann ruft mich jemand anders auf dem Handy an, es klingelt zweimal.. und stürzt ab.

Ich schicke Andrej eine SMS in der Erwartung, dass die dann auch bei mir landet, aber die kommt nicht wieder.

Ich mache eine ersten Versuch, das zu bloggen, und der Rechner stürzt ab. Bei einem neuen Rechner mit neuem Kubuntu, auf dem nur Mail-Client, Browser, Pidgin und ein Open-Office-Dokument laufen, auch nicht unbedingt erwartungsgemäß – auch das kommt in den letzten Tagen zunehmend vor. Zunächst habe ich das für reguläres Schwächeln gehalten, wenn zuviel gleichzeitig läuft und verdächtigte Amarok. Ob mein Computer ein Morgenmuffel ist?  Es gibt sicher für alles eine ganz rationale Erklärung.

Genau wie für den Brief, der neulich bei Andrejs Eltern ankam, von einer Bekannten, handschriftliche Adresse, korrekter Absender, offensichtlich privat. Als er ankam, fand sich links unten neben der Adresse ein Stempelaufdruck: ‚Irrläufer! Poststelle der Berliner Senatskanzlei‘.

Absicht oder Versehen? Auf jeden Fall ziemlich unsouverän.


Und warum das alles? Siehe  http://einstellung.so36.net/de/hg/konstrukt

Handy-Wanzen, oder: Das BSI, die Bundesregierung und der Rest der Welt

Die Bundesregierung hat eine Kleine Anfrage der Linksfraktion beantwortet (pdf), wie üblich mit einem klaren Ja, aber auch Nein, und ganz ihrer demokratischen Pflicht folgend wie immer mehrheitlich gar nicht. Die Frage war, ob Handys dazu eingesetzt werden, Gespräche mitzuhören. Die Antwort sinngemäß: also wir ja nicht, aber ob die Länderpolizeien…

Mein erklärter Lieblingsabsatz ist die Antwort auf Frage 11:

Sind der Bundesregierung Möglichkeiten des Schutzes vor dieser Art des Handymissbrauchs bekannt, und wenn ja, welche sind dies?

Die Bundesregierung kann zur Beantwortung dieser Frage auf entsprechende Erläuterungen des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik verweisen.

Aus Sicht des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) ist die effektivste Schutzmaßnahme ein Vermeiden des Mitführens von Handys bei Gesprächen mit sensitivem Inhalt, die Detektion jedweder Mobilfunkaktivität im Raum durch den vom BSI entwickelten Mobilfunkdetektor „MDS“ sowie das Deaktivieren sämtlicher drahtloser Schnittstellen von Mobilfunkgeräten.

Heißt das jetzt, dass wir (wir = alle, die Bevölkerung als Ganzes, das große wir) doch konspirative Gespräche führen dürfen? Oder, dass alle minus TerroristInnen konspirative Gespräche führen dürfen? Oder ist es erst konspirativ, wenn es TerroristInnen tun? Und wenn die noch gar nicht wissen, dass sie TerroristInnen sind? Pech gehabt? Oder ist es gar nicht konspirativ, sondern effektiv (siehe oben)?

Oder ruft das BSI zu Straftaten auf?? Und die Bundesregierung unterstützt?

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Sicherheitsknoten

Ich telefoniere ab und zu mit dem BKA. Bzw. eigentlich telefoniere ich immer mit dem BKA, weil immer, wenn ich telefoniere, das BKA zuhört. Damit das niemand falsch versteht, weil ja in dieser Frage anscheinend alle immer alles falsch verstehen: ich rede nicht mit dem BKA. Es lässt sich bloss nicht vermeiden, dass sie zuhören. Und damit das jetzt das BKA nicht falsch versteht: ich versuche das nicht aktiv zu vermeiden. Laut Akten ist ja jeder Versuch, das zu vermeiden, ‘konspiratives Verhalten’ und damit zumindest bei Andrej quasi der direkte Hinweis darauf, dass gerade Anschläge geplant, durchgeführt oder wenigstens schriftlich bekannt (von: bekennen) werden. Oder vorbereitet wird, dass geplant, durchgeführt oder bekannt wird. Insofern werde ich also einen Teufel tun, mich in irgendeiner Weise konspirativ zu verhalten, was im übrigen bei derart umfassenden Überwachungsmaßnahmen ja auch gar nicht so einfach ist. Stimmt nicht ganz, ich benutze weiter GPG. Nicht ganz konsequent, aber andererseits bin ich ja auch gar nicht beschuldigt und eigentlich habe ich laut Grundgesetz und BVG ja auch ein gewisses Recht auf Privatsphäre.

Was mich daran erinnert, dass ich kürzlich in einem Telefonat versehentlich die Formulierung gebraucht habe “dann denken sie bestimmt gleich wieder, dass wir sofort irgendwelche Anschläge vorbereiten”, wobei ja meines Wissens niemand davon ausgeht, dass ich Anschläge vorbereite, und ich mir dann innerlich auf die Zunge biss, weil ja zu befürchten steht, dass das BKA samt BAW jetzt vielleicht denken, dass ich Anschläge vorbereiten wollen könnte. Was nicht so ist, (Hallo BKA, nochmal zum Mitschreiben: ich bereite keine Anschläge vor), aber vielleicht wird interpretiert, dass ich mich so sehr mit dem ganzen politisch-repressiven Schlamassel identifiziere, dass ich auch dazu gehöre? Dabei ist es lediglich so, dass ich von der Überwachung eben mitbetroffen bin und das alles insofern auch ziemlich persönlich nehme. Darüber, wie es sich auswirkt, schriftlich zu haben, dass alle Telefonate mitgehört werden, liesse sich auch einiges schreiben, vielleicht später.

Zurück zu den Telefonaten heute, die nahmen ziemlich absurde Züge  an: Andrejs Handy ‘ging nicht’ – das kommt öfter mal vor und ist soweit noch kein Problem außer vielleicht, weil die Anwältin, sagt, dass es auf jeden Fall immer an bleiben soll, um den Eindruck zu vermeiden.. siehe oben. Er ruft sich selbst von einem Festnetztelefon an, und erreicht statt seines Handys meine Mailbox. Er ruft daraufhin mich vom selben Festnetztelefon an mit der Bitte, sein Handy anzurufen, was ich auch mache. Und erreiche meine eigene Mailbox, mit der Aufforderung, meine Mailbox-PIN einzugeben, was sonst nur geschieht, wenn ich sie von einem anderen Telefon als meinem Handy anrufe. Passiert sowas, weil verschiedene Behörden gleichzeitig mithören, oder weil die Schaltungen durcheinander geraten sind? Gibt es Kommunikationstechnik-Azubis, die an uns üben?

Außerdem kommen unsere E-Mails teilweise nicht an. Nachweislich, mehrmals überprüft. Es ist mir ein Rätsel, wie das überhaupt passieren kann, aber es passiert.

Ein schönes Beispiel dafür ist Andrejs Versuch gestern abend, sich auf einer so36.net-Mailingliste einzuschreiben: auf seine -subscribe-Mails kam null Reaktion. Daraufhin habe ich als Listenadministratorin das Gleiche versucht, gestern nacht um 22:56, bis heute 21:28 ebenfalls: nichts. Er stand nachweislich nicht auf der Subscriber-Liste. Heute abend scheinen sich die IT-ExpertInnen des BKA&Co. soweit sortiert zu haben, dass wieder Mails durchkommen; inzwischen ist er subskribiert.


Vor fast genau zwei Monaten brach das Berliner LKA morgens um sieben in unsere Wohnung ein, schmiss meinen Liebsten auf den Boden, stürmte unser Schlafzimmer und die Zimmer unserer Kinder mit gezogenen Waffen und seitdem steht unser Leben Kopf. Ich kann nicht sagen, dass ich mich daran gewöhnt hätte, insbesondere, weil weiterhin die Behörden alles tun, keine Normalität aufkommen zu lassen (das ist ja vielleicht auch Sinn der Sache). Deswegen und weil ich nicht mehr ganz so fassungslos bin wie am Anfang, habe ich beschlossen, den alltäglichen Wahnsinn zu dokumentieren. Mehr dazu bei einstellung.so36.net.