Brauchen wir linke Zeitungen?

zeitungIn der neuen „ak – analyse & kritik – zeitung für linke Debatte und Praxis“ stehen ein paar Gedanken von mir zu linken Zeitungen. Dort können sie nicht, hier dafür aber umso lieber diskutiert und kommentiert werden.

Wo ist die linke Netzzeitung?

Brauchen wir linke Zeitungen? Klar brauchen wir die, würde ich gern antworten. Allerdings stecken in der Frage eigentlich zwei: brauchen wir linke Zeitungen, oder brauchen wir linke Zeitungen?

Linke, meinetwegen kritische, progressive, antiautoritäre Medien sind in den Zeiten des Neoliberalismus nötig, weil wir Orte brauchen, an denen wir ein intellektuelles Zuhause haben. Bei denen wir wissen, dass das Beschriebene durch eine kritische Brille betrachtet wird. Deren Sichtweise wir deswegen nicht teilen müssen, bei der wir aber zumindest davon ausgehen können, dass uns nicht wieder der hegemoniale Bär aufgebunden wird. Und diese kritische Perspektive ist in allen Bereichen der Medien nötig: bei den tagesaktuellen Berichten, bei Kommentaren, Analysen. Bei der Auswahl der Themen, der InterviewpartnerInnen, der KommentatorInnen, der Bilder.

Dazu brauche ich eine, gern zwei linke Tageszeitungen. Ohne Parteibindung, denn daran krankt aktuell die zersplitterte linke Presse: Die Frankfurter Rundschau wurde aus Gründen, die andere besser verstehen, von der SPD zugrunde gerichtet. Die taz ist grün, das Neue Deutschland (ND) ist LINKS. Klug wäre eine Zeitung mit den Kapazitäten, so umfangreich tagesaktuell zu berichten, dass keine zweite Zeitung nebenher nötig wäre. Das schaffen derzeit weder taz noch ND noch junge Welt. Solange aber jede davon so deutlich eine (parteipolitische) Richtung bedient, erklärt sich eigentlich von selbst, warum sie keine Aussichten hat, jemals übergreifend attraktiv zu sein.

Daneben ist eine Zeitung nötig, die aus den linken Nischen berichtet: über Arbeitskämpfe, Demonstrationen, Initiativen, Bewegungen. Die Bescheid weiß über das, was sich in Deutschland und anderswo jenseits des Horizonts der dpa tut. Und die auch den Mainstream beschreibt, erklärt und kritisiert. Täglich, wöchentlich, monatlich: eigentlich egal.

Auf meine Frage per Twitter schrieb Teresa Bücker (@fraeulein_tessa): »*wir* brauchen Medien, von denen Impulse für Weiterdenken, Veränderungen, Utopien ausgehen. Die den Status quo zu wenig finden.«

Von dieser Idealvorstellung entfernen wir uns immer weiter, Stichwort: Krise der Printmedien. Je weniger Redaktionen, je weniger (kritische) JournalistInnen, je weniger Geld für Recherche und Berichte, die keine umgeschriebenen Agenturmeldungen sind, desto mehr verblasst dieses Ideal, und damit komme ich zur Frage: brauchen wir linke Zeitungen?

Immer mehr Menschen beziehen einen großen Teil ihrer Informationen aus dem Netz. Das Netz ist schneller, vielfältiger, interaktiver, während zugleich immer mehr Printmedien aufgeben. Zudem haben viele Menschen weniger Geld für Zeitungen und über das Netz die Möglichkeit, günstiger an Informationen zu kommen. Es ist nicht wahrscheinlich, dass sich an dieser Entwicklung etwas ändern wird.

Es stimmt, dass wir vieles, was am nächsten Tag in der Zeitung steht, schon am Tag zuvor im Netz erfahren. Vieles aber auch nicht: Im Netz finde ich vor allem meine Filterbubble, also Informationen, die den Themen ähnlich sind, für die ich mich ohnehin interessiere. (Siehe das Video von Eli Pariser auf www.ted.com.) Soziale Netzwerke sind häufig so programmiert, dass wir zuerst genau diese Dinge sehen. Das ist angesichts der Überforderung durch die schiere Masse online verfügbarer Informationen praktisch, verhindert aber, dass wir erfahren, was sich sonst noch tut. Es fehlt derzeit ein Ort im Netz, der die Funktion der Zeitung übernimmt, einen Überblick über Themen, relevante Diskussionen und Entwicklungen zu verschaffen. Gut geschrieben und gut recherchiert, von Leuten, die etwas von ihrem Thema verstehen.

ak – analyse & kritik – zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 580 / 15.2.2013

Es fehlt alles mögliche. Weil 4000 Zeichen nicht viel Platz sind und weil es sowieso unmöglich ist, das Thema erschöpfend zu behandeln. Es fehlen: die Wochen- und Monatszeitungen – auch mit der Betrachtung des Online-Experiments von Der Freitag -, es fehlt die Rolle der Propaganda (der Gegenseite), es fehlt das quasi zwanghafte sich voneinander Abgrenzen deutscher Linker, woraufhin alle in ihren jeweiligen Nischen eingehen.

Auch eine gute Erklärung, warum wir linke Medien brauchen: Marcus Klöckner in Telepolis Journalismusforschung:“Ganz auf Linie mit den Eliten“

Zur finanziellen Seite der (linken) Printmedien hat übrigens Hannah Wettig auf derselben Seite 11 im ak was geschrieben: Leben und leben lassen.

 

Foto: mr-football / Flickr, BY-ND-Lizenz

 

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15 Gedanken zu „Brauchen wir linke Zeitungen?

  1. „Daneben ist eine Zeitung nötig, die aus den linken Nischen berichtet: über Arbeitskämpfe, Demonstrationen, Initiativen, Bewegungen. Die Bescheid weiß über das, was sich in Deutschland und anderswo jenseits des Horizonts der dpa tut. Und die auch den Mainstream beschreibt, erklärt und kritisiert. Täglich, wöchentlich, monatlich: eigentlich egal.“
    So etwas gibt es zwar nicht als Tages-, aber doch immerhin als Wochenzeitung. Nennt sich Jungle World und solltet ihr alle abonnieren (falls ihr das nicht eh schon habt).

  2. @Linkshirnextrem
    Ah, die Werbung, na klar ;).

    Damit mache ich mich sicherlich nicht überall beliebt, aber: Jungle World habe ich vor langer Zeit aufgehört zu lesen, weil ich die zentimeterdick aufgetragene antideutsche Paste nicht ausgehalten habe.

  3. Ich glaube wir brauchen eher ideologiefreie und unabhängige Medien. Nur durch eine derartige Arbeitsplattform lassen sich die vielfältigen Ideen und Gedanken in einer pluralistischen Gesellschaft widerspiegeln. Gleichzeitig ist dann auch eine deutlich größere Bandbreite an Menschen zu erreichen. Wir sind gerade an einem derartigen Projekt am herumbasteln. Mit auch neuen, bisher vernachlässigten Schwerpunkten. Stärkere und detailliertere Berichterstattung aus der sogenannten „DRITTEN WELT“, der Arbeit von Nichtregierungsorganisationen, Umwelt und Lösungsversuche in Entwicklungsländern, Länderanalysen, die Beobachtung der Aktivitäten der G 20 Länder bei von ihnen selbst angestossenen Projekten. Dazu wollen und haben sich bisher insgesamt 142 Kolleginnen und Kollegen auf allen Kontinenten zusammengefunden. Allein dieses Zusammenfinden hat fast fünf Jahre gedauert. Von der Schwierigkeiten der Finanzierung des Projektes (Ausstattung der KollegInnen in den ärmeren Regionen dieser Welt) sind es technische Probleme an deren Lösung es zu arbeiten gilt. Das ist gerade jetzt unsere wesentliche Aktivität. Wir wollen dem „Laden“ natürlich nicht nur einen professionellen Anstrich geben, wir sind alles ausgebildete JournalistInnen, wir wollen natürlich eine professionelle Arbeit vorlegen. Wir sind und verstehen uns daher erst einmal als Ergänzung. dpa gehört den Verlegern, afp ist halbstaatlich, Thomson Reuters wirft jetzt erst einmal 2 500 KollegInnen auf die Straße, ap baut Personal ab und gehört nacvh dem Verkauf des deutschen Dienstes nach wie vor den US Verlegern, dapd den Heuschrecken. Dies gilt es in Sachen Objektivität erst einmal einzuordnen. Genau da wollen wir ansetzen.

  4. Um es noch einmal zu verdeutlichen. Ideologiefrei bedeutet nicht, dass die Leute keine politische Grundeinstellung haben. Bin wie alle anderen Mitwirkenden natürlich kein konservativer Kriecher. Haben allein durch meine politische Einmischung in redaktionelle Entscheidungen in meinem Berufsleben viel Ärger gehabt. Es geht um die Verarbeitung und breite Vermittlung von Informationen. Wenn ich meine ägyptischen Mitstreterinnen und Mitstreiter (hier vor allem die Mitarbeiterinnen an unserem Projekt) sehe, wir sie natürlich über die prekäre Lage der Frauen in Ägypten intensiv berichten. Dies ist schon gefährlich genug. Wenn sie sich dabei noch als Linke, weil für linke Publikationen arbeitend, outen, ist dies tödlich. Dies gilt auch für viele dringend notwendige Informanden in nichtstaatlichen Organisationen. Sie werden kaum Informationen an irgendwie ideologisch gefärbte Publikationen weitergeben, weil sie zum Beispiel auch auf ihre Mitarbeit an staatlichen Entscheidungen mitarbeiten wollen und müssen. Die Linke in unserem Lande (ich zähle mich auch dazu) muss endlich taktieren lernen. Wem nützt eine linke Tageszeitung, wenn sie nur von Gleichgesinnten gelesen wird? Wem nützen gefärbte Informationen, wenn sie von allen Leserinnen und Lesern geteilt werden?Einmal von der Wertigkeit der verbreiteten Artikel und Texte abgesehen. Hobby-„Schreiberlinge“ haben wir in diesem Lande leider schon genug. Wem bringt es letztlich etwas, wenn verbreitete Informationenaufgrund ihres Wahrheitsgehaltes in weiten Teilen schon nach dem Erscheinungsmoment berechtigterweise völlig auseinandergepflückt werden können! Ernsthafteter Journalismus ist ein sehr kompliziertes werkeln. Das spllte man den Menschen überlassen, die etwas davon verstehen. Die Triangel anzuschlagen ist mitunter besser, als auf die Pauke zu kloppen. Aus den Klängen der angeschlagenen Triangel kann sehr schnell ein Paukenschlag werden. Informationen, auf die man sich verlassen kann sind besser, als Infos aus irgendwelchen nicht nachvollziehbaren Quellen. PS: Noch etwas zun unserem Projekt. Es entstand durch den Kontakt zwischen verschiedenen Journalistenverbänden und Journalistenorganisationen. Wir sind alles gestandene Schreiberlinge beiderlei Geschlechts. Alle über 50 und durch die Veränderungen in unserem Berufsfeld mehr oder weniger arbeitslos. Wir sind überwiegend Nachrichtenmenschen, sprich alles Leute mit mehr oder weniger Agenturerfahrung. Ich habe persönlich für nahezu alle bedeutenden Nachrichtenagenturen aus den USA, aus Frankreich, Belgien (Brüssel), London und Nordafrika (Sitz Tunis) gearbeitet. Dazu in den für Medien nach wie vor wichtigen Städten, Frankfurt , Bonn/Berlin und Hamburg. Die gleichen beruflichen Langzeiterfahrungen haben alle von uns. Linke Tageszeitungen geraten untereinander sehr schnell (wenn sie ernsthaft betrieben werden) in eine grausame Konkurrenzsituation. Ich habe seinerzeit den Leuten von „Die Neue“ in Berlin beim Aufbau geholfen. Stand in Konkurrenz zur taz. Der Laden war nach einem Jahr pleite.

  5. Ehrlich gesagt: Trotz deiner fundierten Herleitung und Argumentation – die ich theoretisch voll unterschreibe – weiß ich nicht, ob ich noch linke Zeitungen brauche.
    Obwohl ich noch nicht lange auf Zeitungen verzichte, ich kann mir nicht vorstellen, an welchem Teil in meinem Alltagsleben ich sie wieder eingliedern könnte und wollte.
    Da müsste plötzlich eine Qualität auftreten, die alles andere um Längen toppt.

  6. „Es fehlt derzeit ein Ort im Netz, der die Funktion der Zeitung übernimmt, einen Überblick über Themen, relevante Diskussionen und Entwicklungen zu verschaffen. Gut geschrieben und gut recherchiert, von Leuten, die etwas von ihrem Thema verstehen.“

    So ein Ort müsste von einer professionellen Redaktion betreut werden. Pi mal Daumen bräuchte es für so ein Vorhaben mehrere 10.000 Euro im Monat, sollte der von Leuten gemacht werden, die nicht dem üblichen Zwang zur Selbstausbeutung unterliegen. Die gute Texte von Freien einkaufen, Texte übersetzen lassen und andere Formate ausprobieren können. Die Zeit haben müssen, um neben der Redaktionsarbeit Methoden weiterentwickeln können, um sich mit den Usern austauschen und den vorprogrammierten Streit über politische Positionen konstruktiv austragen zu können.

    Doch wer entscheidet, wie diese Redaktion zustande kommt? Wie verhinderst du von Anfang die beliebte Festschreibung zu einer Strömung, siehe z.B. „antideutsche“ Jungle World? Wie wird das ganze nicht zu einem neuen Zentralorgan? Wie balancierst du die Ansprüche zwischen Professionalität und offener Redaktionskultur? Woher soll die Kohle dafür kommen? Parteinahe Stiftungen? Crowdfunding? Paywall? Kannibalisiert sowas nicht die anderen „linken“ Medien?

    Ich denke, dass sind einige der Fragen, die eine „Linke“ klären müsste. Problem ist, dass sie ein diffuser Zusmmenhang ist, selbst eine Nische mit ganz vielen Nischen ist.

    Als Blaupause könnte die taz dienen, was man auch immer von der taz heute halten mag; sie hat damals eben in der analogen Welt geschafft, so ein Medium zu starten. Da war im Westen/West-Berlin aber auch rein quantitativ eine politische Bewegung, ein politischer Auseinandersetzungswille vorhanden (wie gut oder schlecht auch immer der sich im Nachhinein darstellen mag) – von so einer Basis für so ein Medienunterfangen kann heute keine Rede sein kann. Dazu kommt, dass die Vielfalt an Informationsquellen und Möglichkeiten zur medialen Zerstreung heute so vielfach höher sind als etwa 1978.

  7. @lorz
    Unterschreibe ich alles (außer vielleicht, dass mir die taz eine Idee zu gut dabei wegkommt, aber auch darüber ließe sich streiten).

    Was ich da aufgeschrieben habe, ist ein Wunschtraum, keine Frage. Völlig unrealistisch, das weiß ich auch. Trotzdem kann ja mal eine Idee formuliert werden, um zu verdeutlichen, was fehlt. Ich würde sagen, dass der neue „Der Freitag“ sowas versucht hat und trotz ordentlicher Geldspritze damit auch gescheitert ist. Womit ziemlich klar ist, wie unrealistisch das ist.

    Wenn ich anfinge, darüber nachzudenken, wie ich mir das praktisch vorstelle, würde ich wahrscheinlich auch zu einem anderen Ergebnis kommen als zu einem Zentralorgan. Sowieso eben nicht zu einer Zeitung – obwohl ich immer noch gern Zeitung auf Papier lese – und eher zu einem ganz anderen Format, das sicher auch mindestens soviel aggregiert wie selber neu schreibt. Womit wir beim Urheberrecht wären und wieder sehr unrealistisch.

  8. Interssanter Text dem ich in einem Punkt aber nicht zustimme.
    Du schreibst:
    „Klug wäre eine Zeitung mit den Kapazitäten, so umfangreich tagesaktuell zu berichten, dass keine zweite Zeitung nebenher nötig wäre.“

    Eine einzige Quelle (_eine_ Zeitung) halte ich für eher für „gefährlich“, da das dort geschriebene unter Umständen als einzige Wahrheit gehalten wird. Denn niemand ist wirklich objektiv.

  9. @nordkiez
    Ich wollte damit auch nicht sagen, dass ich richtig finde, nur eine Zeitung zu lesen (wobei das auch eine finanzielle Frage ist), oder dass ich die Erwartung hätte, es könnte eine Zeitung geben, der ich alles glaube.

    Der von dir zitierte Satz ist eher so gemeint, dass keine der Zeitungen, die es jetzt gibt, mir den Eindruck vermittelt, ich wäre ausreichend informiert, wenn ich sie gelesen habe. Jetzt könntest du sagen: „Das hast du nie“ und hättest sicherlich recht. Aber zum Beispiel die taz (die ich jetzt auch schon länger nicht mehr regelmäßig lese): Wenn ich die lese, habe ich immer das Gefühl, ich bräuchte noch eine andere Zeitung, damit ich ungefähr weiß, worüber auf der Welt gerade geredet wird. Genauso beim ND. Bei der Frankfurter Rundschau/Berliner Zeitung fehlen mir dafür die sozialen Bewegungen oder auch nur der kritische Blick auf die Verlautbarungen des DGB.

  10. @anna

    danke für deinen Beitrag dort wie hier. Ich lese diverse linke Zeitungen, vor allem welche mit kleinen und sehr kleinen Auflagen. Sie bieten mir analytische Blickwinkel, die mich bereichern, weil ich selbst auf diese Zusammenhänge und Perspektiven nicht gekommen wäre. Kaum eine auflagenstärkere Zeitung, egal welcher couleur, hat das bisher je geschafft, und wenn, dann eine der Mitte und rechts davon… schon klar, warum: ich wäre aus anderen Gründen nicht drauf gekommen 😉

    @Linkshirnextrem

    die Wochenzeitung, für die du in deinem ersten Beitrag Werbung machst, halte ich für unverdaulich, denn die Redaktion scheint mir vor allem Männer und Desaster zu lieben. Vor allem anderen. Diese Weltbegehrens-Sicht ist mir zu eng, nicht nur politisch, denn die Folgen davon sind – naja, desaströs eben. Nein danke.

  11. ich brauche definitiv mehrere medien um mich gut zu informieren. sog. linke zeitungen lese ich um ein paar journalisten eine bezahlte arbeit zu finanzieren. ich fuehle mich aber auch nicht schlechter informiert wenn ich doitschlandfunk hoehre. ich muss sowieso filtern egal ob ich ak, vers beaux temps, freitag, vormals bahamas, frueher mal konkret oder le monde diplomatique lese.

  12. Pingback: Blogs 02/2013 |

  13. „Es fehlt derzeit ein Ort im Netz, der die Funktion der Zeitung übernimmt, einen Überblick über Themen, relevante Diskussionen und Entwicklungen zu verschaffen. Gut geschrieben und gut recherchiert, von Leuten, die etwas von ihrem Thema verstehen.“

    Wie sollte es *einen* Ort geben? Das Spektrum reicht von indymedia über lmd bis zu fefes blog und zmag. Folgende Rahmenbedingungen gelten mE, zumindest beim Start und für längere Zeit:

    1. Zeitmangel (auf beiden Seiten)
    2. Geldmangel (auf beiden Seiten)
    3. tonnenweise Alternativen

    Wenn man nur diese drei zusammennimmt, könnte man egal welches größere Vorhaben gleich lassen. Wie ist es trotzdem zu schaffen?

    lmd hat eine loyale community und kooperiert mit etablierten Verlagen. Trotzdem suchen auch die (wie die meisten Medien) nach Wegen, ihre Existenz (im Netz) auf Dauer sicherzustellen. Das ist nirgendwo mehr garantiert.

    fefe würde vielen bei „linke Zeitung“ nicht einfallen, die Themenwahl und Unabhängigkeit, die er zeigt, bedeuten aber uU genau das – was ist eigentlich „links“ im Jahr 2013? Zb auch die Umsetzung. Eine Infrastruktur, wie sie minimalistischer kaum sein könnte. Input über community + eigene Recherche. Ausgesprochen antikommerziell eines der größten deutschen Blogs, mit höherer Relevanz als viele professionelle Medien, die vorwiegend Tickermeldungen recyceln.

    Eben Moglens Innovation under Austerity enthält einige Hinweise, um mit der widrigen Startsituation umzugehen, die ein Projekt Linke Zeitung hat. Ähnlich wie die open source Software Szene seit Jahrzehnten weltweit kooperiert und wir mittlerweile alle ständig die Ergebnisse dieser Arbeit nutzen, oft ohne es zu wissen, kann vlt der Medienbereich ähnlich organisiert werden, teilweise ist es ja schon so.

  14. Nix »fehlt« in Sachen »Linke Zeitungen«, so ein Unsinn.

    Das iWebz ist voll von »links« und »rechts« Kram, in den Sprachen Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch, Hebräisch und Russisch (die Sprachen, die ich lesen & verstehen kann). Der Journalismus à la E.E. Kisch selbst ist es, an dem es mangelt, an allen Ecken und Enden, hier und anderswo, genau DAS ist das Problem.

    Inkompetente Versager, die nach der vollgepamperten Schule mit unterdurchschnittlichem Abi in Sport, Religion und Gemeinschaftskunde »irgendwas« mit Medien machen wollen, die unverdientermaßen irgendwelche »Schreib«-Stipendien erhalten, die zunächst bei Springer, anschließend bei SpOn irgendeinen grenzdebilen Scheiss in die Welt furzen, exakt DIE sind das Problem — gleich nach deren Rezipienten, der »neuen« Mittelschicht.

    Mit dem heutigen »Journalismus« verhält es sich exakt so, wie mit den Reisemöglichkeiten breiter Bevölkerungsschichten und mit dem Autoverkehr. Einst angedacht als Erweiterung des eigenen Horizonts/ Erfahrungs-, Erkenntniszunahme/ Toleranzbildung/ persönliche Mobilität/ Kulturbereicherung/ etcpp…

    Was heute de facto zu Proleten- und Unterschichtensaufereien auf Malle, Kinderfickereien in Thailand/ Kambodscha/ Vietnam zu je € 199,– und grenzenlosem Staustehen auf Tagesbasis mutiert ist.

  15. Es geht wohl eher um Bündelung der schon vorhandenen Publikationen zu einer einzigen. Und es geht um die entscheidung was ist wichtig und was nicht. Langatmige antideutsch gefärbte Analysen oder kurze knackige Recherchen an der Wirklichkeit? Bedenklich oder ein Hoffnungsschimmer ist auch das hier:

    „Es gibt Leute, die nicht wollen, dass wir eigene und unabhängige Ermittlungen zu den NSU-Morden anstellen und damit an die Öffentlichkeit gehen. Es gibt Leute, die wollen, dass sich alle Medien als Pubic Relations-Organe von Staat und Geheimdiensten verhalten. Der Druck auf die freie Meinungsäußerung in diesem Land hat ungeheure Ausmaße erreicht. Diejenigen, die heuchlerisch die früher ehrenvolle Fahne des Antifaschismus entführt haben, wollen selbst eine Meinungsdiktatur mit faschistischen Zügen errichten.

    Diesem Druck wird COMPACT nicht nachgeben. Ich gebe Ihnen mein Wort: Unsere Zeitschrift wird sich nicht erpressen und nicht kaufen lassen.“
    http://juergenelsaesser.wordpress.com/2013/03/17/130-leute-bei-compact-veranstaltung-zum-nsu-phantom/#more-5346

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