Überwachung und Whistleblowing in den USA

Die New York Times (NYT) hat Donnerstag einen Op-Doc, einen kurzen Dokumentarfilm, von Laura Poitras veröffentlicht, in dem es um den Überwachungsstaat USA geht.

Darin stellt sie William Binney vor, der 32 Jahre beim US-Geheimdienst NSA war und dann 2001 zum Whistleblower wurde, als nach 9/11 das Inlandsüberwachungsprogramm Stellar Wind gestartet wurde. Er erzählt, wie Stellar Wind, ursprünglich für die Auslandsspionage entwickelt, für die Überwachung innerhalb der USA verändert wurde. In der Folge wurden eine Reihe von NSA-Mitarbeitern zu Whistleblowern, was für sie harte Konsequenzen hatte.

Parallel erschien in der NYT Giving In to the Surveillance State.
Auch dazu: USA bauen geheimes Spionage-Zentrum für private Daten (Deutsche Mittelstands-Nachrichten)

Laura Poitras kann sich inzwischen auch nicht mehr ungehindert bewegen. Darüber sprach sie im April bei Democracy Now!:

 

20 Jahre Lichtenhagen – Der Film über das Pogrom 1992

Diese Woche wird viel über Rostock gesprochen werden.

Zwischen dem 22. und dem 26. August attackierte ein deutscher Mob ein mehrheitlich von Vietnamesen bewohntes Haus in Rostock-Lichtenhagen.
Dieses tagelange Pogrom wurde von einer applaudierenden Menge begleitet, die sich in einer volksfestähnlichen Stimmung befand. Dies waren die heftigsten rassistischen Ausschreitungen in der deutschen Nachkriegsgeschichte und zugleich ein Ausdruck der Stimmung in Deutschland nach der Wiedervereinigung.

Die Videoproduktion „The Truth lies in Rostock“ entstand 1993 unter maßgeblicher Beteiligung von Menschen, die sich zum Zeitpunkt der Geschehnisse im attackierten Wohnheim befanden. Deshalb zeichnet sich die Produktion nicht nur durch einen authentischen Charakter aus, sondern versteht sich auch Jahre danach als schonungslose Kritik an einer Grundstimmung in der bundesrepublikanischen Gesellschaft, die Pogrome gegen Migranten oder einfach nur „anders aussehende“ überhaupt erst möglich macht.

Eine Montage von Videomaterial, gedreht aus den angegriffenen Häusern heraus, Interviews mit Anti-FaschistInnen, den vietnamesischen VertragsarbeiterInnen, der Polizei, mit Bürokraten, Neonazis und Anwohnern. Eine Dokumentation über das heimliche Einverständnis der Politik und über die verbreitete Angst.

Von: Jakot@
Der Film sagt alles Nötige dazu.

Medienradio zur Netzpolitischen USA-Reise

Wer meine Tweets verfolgt, konnte nicht übersehen, dass ich Ende Juli auf Einladung von Malte Spitz (bezahlt von der Böll-Stiftung) eine Woche in den USA war, um dort den ‚transatlantischen netzpolitischen Dialog‘ voranzubringen. (Ich musste deswegen nicht Mitglied der Grünen werden und mich auch sonst zu nichts verpflichten.) Mit dabei waren Konstantin von Notz, netzpolitischer Sprecher der Grünen Bundestagsfraktion, Ulf Buermeyer, Jeannette Hofmann, Markus Beckedahl und, als embedded Journalists, Christian Stöcker (Spiegel Online) und Matthias Kolb (Süddeutsche).

'No ACTA' bags at the White House

Wir waren in Boston, Washington, San Francisco und im Silicon Valley, haben Berkman Center und MIT Media Lab besucht, mit MitarbeiterInnen der pro-Internet-engagierten Senatoren Wyden und Franken geredet, mit dem Leiter der Internet-Abteilung der Federal Trade Commission (sinngemäß die US-Datenschutzbehörde) und dem Internet-Beauftragten der Obama-Administration Dan Weitzner geredet, waren in der New America Foundation beim Open Technology Institute, in Kalifornien bei Creative Commons, Mozilla, Wikimedia, EFF und dann bei Google und haben schließlich in Stanford Barbara van Schewick getroffen. Nebenbei haben wir zwei öffentliche Veranstaltungen in Washington und San Francisco absolviert.

Kurz gesagt: es war ziemlich großartig. Ich habe noch nie in so kurzer Zeit mit sovielen interessanten Leuten reden können. Ausführlicher zu hören in der Aufnahme des Medienradios von letzter Woche: Zwei Stunden, gemeinsam mit Ulf Buermeyer, moderiert von Philip Banse:

MR059 Netzpolitische USA-Reise, dort auch zum Anhören per Klick, hier als mp3 (52mb)

Einige der Themen der Reise, die immer wieder in Gesprächen auftauchten:

  • ACTA und SOPA/PIPA: sind die Proteste und Auswirkungen vergleichbar und warum nicht, wird es das nochmal geben? Was kommt als nächstes?
  • Urheberrecht/Leistungsschutzrecht
  • Unterschiede im Verständnis von Datenschutz/Privatsphäre, auch aufgrund der sehr unterschiedlichen politischen Kultur (und daher Rechtssituation)
  • Was wird aus Thunderbird?
  • Wie ist das mit Bradley Manning?
  • Und Google News?

Meine Reise-Fotos sind hier zu sehen (ein bisschen durcheinander, Flickr-App sei dank), Markus Beckedahl hatte ein Reise-Blog, und erste Artikel der beiden Eingebetteten gibt’s auch:

Laut Heise hat mich die Reise zur deutschen Bohème-Expertin geadelt, eine Qualifikation, die ich unbedingt auf Visitenkarten unterbringen werde, so ich je welche habe.

The Stream über Sexismus im Netz

The Stream, die interaktivste Sendung im Internet, die ich kenne, hat sich am Dienstag mit der Frage beschäftigt, ob das Netz Sexismus fördert. Sehenswert, weil deutlich differenzierter als das meiste, was mir dazu im deutschen Netz begegnet. Die (mir) neue Vokabel dazu ist: #e-patriarchy

Passend dazu gab es letzten Samstag auf DRadio Wissen den Netzreporter XL zum Thema Geschlechterbilder im Netz, (mp3) , mit Helga Hansen, Katrin Rönicke und Anatol Stefanowitsch.

 

 

Terror-Überwachung in Chile

Gestern ist ein Text bei Cryptome.org veröffentlicht worden, der über ein neues Terrorismus-Verfahren gegen HausbesetzerInnen und AnarchistInnen in Chile berichtet. Die Überwachungsmaßnahmen werden sehr detailliert beschrieben.

Der Text ist anonym veröffentlicht, es ist also nicht möglich, zu überprüfen, ob stimmt, was drin steht. Ein Grund dafür sei, dass Teile der Informationen nicht legal erhalten wurden und die Anonymität dem Quellenschutz dient. Der Text richtet sich vor allem an die Netz-Community, die mit der Entwicklung und Weitergabe von Werkzeugen beschäftigt ist, die für sichere Online-Kommunikation nötig sind – vor allem aktuell für den ‚Arabischen Frühling‘.

Comments from Chile

(Ab hier beschreibe ich, was im Text steht. Der Lesbarkeit halber nicht alles im Konjunktiv)

Im August 2010 wurden diverse besetzte Häuser durchsucht, 14 BewohnerInnen landeten mit Terrorismus-Vorwurf im Knast. Es war vier Jahre lang ermittelt worden, 2012 wurden die 14 ohne Anklage freigelassen.

Bereits im Mai 2011 ist eine Liste von 200 Namen veröffentlicht worden, die mit in das Verfahren gezogen und dann auch überwacht wurden.

Einige der Details der Überwachung von Online-Kommunikation. Es gab in den ersten Akten:

  • Screenshots von Hotmail-Accounts
  • Screenshots von Passwörtern von Gmail-Accounts
  • Oberflächliche Analysen von Websites: flickr.com, blogspot.com, entodaspartes.org, santiago.indymedia.org, valparaiso.indymedia.org, nodo50.org wordpress.com, indymedia.org, riseup.net.
  • Transkripte von OTR-Chats und PGP-E-Mails (wobei hierfür nicht die Verschlüsselung an sich geknackt wurde)

In den Akten von 2012:

  • mindestens vier Fälle von transkribierten Crypto.Cat-Chats
  • weitere Zugriffe auf Gmail- und Facebook-Accounts
  • Beschwerden über OTR und PGP, hier wurde das FBI um Hilfe gebeten.
  • Intensive Beschäftigung mit Websites; dazu wurden auch Medien-AktivistInnen von der Polizei aufgesucht. Großes Interesse gab es an riseup.net: von Software, E-Mail-Adressen und Source Code bis zu den Gruppen, die Riseup benutzen.

Der Text enthält auch Vermutungen, wie auf die Crypto.Cat-Chats zugegriffen worden sein könnte – entweder über Spyware oder über eine Kooperation mit italienischen und US-Sicherheitsbehörden. Hier bleibt das Ganze allerdings ziemlich vage: sind ja wohl auch nur Vermutungen.

Zum Schluss ein Absatz, den ich persönlich gut nachvollziehen konnte:

Yes, we can face defeats, but it really demoralizing to see 30 police officers breaking your home and exposing all your life just because your political and life position … all broadcasted by television. None of them was related to the bombs, none of us is related to the bombs, that’s just an excuse to fuck our lives. We need you to keep working on this, and educate people everywhere. Our dictatorship ended in 1990, but before that the only way to survive as resistence was to share knowledge and practices, we need to keep that today.

 

Bizarrerweise gab es ausgerechnet heute diesen Text in der taz: Sicheres Chatten mit Crypto.Cat. Der Katzenkryptograf

Am Montag hatte Christopher Soghoian ausführlich erklärt, warum Technik-JournalistInnen besser vorsichtiger wären, wenn sie neue Sicherheits-Software anpreisen: Tech journalists: Stop hyping unproven security tools. Mit spritzigen Beispielen aus Guardian, Wired, Forbes und New York Times. Hätte Burkhard Schröder besser vorher gelesen.