Wolfgang Blau: Sieben Branchenmythen des Journalismus

Die Anhörung des Medienausschusses des Bundestages zu Qualitätsjournalismus hatte ich schon erwähnt, andere auch. Angenehm überrascht hatte mich, dass bestimmte – aus meiner Sicht konstruierte – Trennlinien zwischen Bloggerinnen und Bloggern auf der einen und Journalistinnen und Journalisten auf der anderen Seite mit großer Selbstverständlichkeit dekonstruiert wurden. Diese Trennlinien werden von Teilen beider Seiten sehr geliebt, aber vielleicht erledigt sich das dann ja langsam. Ich muss übrigens zugeben, dass ich bisher davon ausgegangen war, dass die Vokabel „Qualitätsjournalismus“ höchstens ironisch benutzt wird. Dem ist nicht so, der Dünkel reicht bis hin zu Professuren zum Thema (ein solcher Professor war anwesend).

Carta hat die Anhörung nicht nur live gebloggt, sondern dankenswerterweise gestern das Statement von Wolfgang Blau extra veröffentlicht, das auch noch auf meiner To-Do-Liste stand. Der Chefredakteur von Zeit Online hat die aus seiner Sicht sieben häufigsten Mythen über den Zustand des Journalismus beschrieben und kurz erläutert, warum es sich um Mythen handelt. Ich hoffe inständig, dass einige der hiesigen OberjournalistInnen sich das anhören, die Depression ablegen und in der Moderne ankommen.

1. Blogs stellen eine Gefahr für taditionelle, kommerzielle Medien dar.

2. Google ist schuld am Niedergang der Tageszeitungen.

3. Nur Print- und Broadcastmedien können für gesellschaftlichen Zusammenhalt und Meinungspluralismus sorgen.

4. Der Online-Journalismus hat noch kein Geschäftsmodell.

5. Das Internet begünstigt eine Boulevardisierung des Journalismus.

6. Ohne öffentlich-rechtliche Online-Auftritte hätten die kommerziellen Websites in Deutschland sehr viel bessere Chancen, profitabel zu werden.

7. Mit dem wirtschaftlichen Niedergang einiger klassischer Medien droht auch ein Niedergang des Journalismus und eine substantielle Gefahr für die Demokratie. (Carta)

Noch nicht einzeln gibt es die Statements von Katharina Borchert, Geschäftsführerin Spiegel Online oder auch @lyssaslounge, Hans Leyendecker, netzwerk recherche, und Matthias Spielkamp, irights.info, die ebenfalls das Gespenst verscheucht haben, dass in etwa so heißt: „Die Blogger kommen, lasst uns einen Zaun bauen, sonst werden wir alle verhungern! Und die Demokratie bricht zusammen!“. Es gibt aber auch die komplette Aufnahme der Anhörung (auch als mp4).

Ich mache mir wenig Hoffnung, dass die Anhörung Bundestagsentscheidungen positiv beeinflussen wird, aber sie war ein Schritt in die richtige Richtung. Wobei es natürlich auch Statements gab, die ganz andere Meinungen vertreten haben, und ich natürlich nicht alles teile, was gesagt wurde usw usf. Trotzdem. Glas viertelvoll.